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»Kartoffelpüree, wunderbar!« rief Dan.

Die Mahlzeiten im Hause waren noch ganz im Stil der Alten Welt; seit Veruschkas Tod stand die Zeit still. Das Mittagessen wurde aufgetragen (obwohl es jetzt im Zimmer hinter der Küche eingenommen wurde), und es wurde von Veruschkas alter Haushälterin, Batya, serviert, die noch immer zum Anwesen gehörte. Das Personal des Archivs war beim Essen, Julian nahm schulmeisterlich den Platz am Kopfende der Tafel ein. Er saß mit so ernster Miene da, daß ich beim ersten Mal, als ich dort aß, fast damit rechnete, er würde ein Tischgebet sprechen. Aber so war es doch nicht. Er hieb beherzt auf seine Mahlzeit ein.

»Schmeckt ausgezeichnet«, urteilte er.

»Es ist wunderbar«, sagte Dan. »Ja, hier läßt sich’s stilvoll leben. Uns geht es saumäßig gut, wenn die Dame der koscheren Küche die Anspielung verzeihen mag.«

Er hieß Dan Navon, und hatte im vorigen Jahr einen Bestseller über Israel veröffentlicht. Ein paar Wochen lang hatten wir gleichzeitig auf den Bestsellerlisten gestanden. Nun untersuchte er die Verbindung Herzl-Weizmann-Ben Gurion, das Gegenstück zum antiken Triumvirat Abraham-Moses-Josua. Er arbeitete in Connies Büro, deshalb hielt ich mich in Chaimchiks Raum auf.

»Kartoffelpüree ist das einzig Wahre«, sagte er bestimmt. »Stimmt’s Igor?«

»Stimmt«, nickte ich zerstreut.

»Durch Kartoffelpüree bringen Sie das Heil zu uns.«

»Tu’ ich das?«

»Und Vava auch.«

»Was meinen Sie damit?«

»Kartoffelpüree. Sein Reagens. Er hat Treibstoff daraus gemacht.«

»Wo liegt denn da der Witz?« fragte Julian.

»Stammt nicht von mir. Ist von Michael Sassoon. Ich war gestern mit ihm zum Essen«, erklärte Dan. »Der hat es von Bergmann. In den Vava-Papieren ist immer wieder von Kartoffelpüree die Rede.« Er hatte ein langes, knochiges Gesicht und ein gewinnendes Lächeln. Hinter seiner Brille verbargen sich intelligente Augen, denen selten etwas entging. Seine krächzende Stimme transportierte jedoch häufig merkwürdige, lausige Witze.

»Wirklich? Danke für die Information, mein Freund«, erwiderte Julian. »Es gibt keine Vava-Papiere. Nur einen einzigen Brief aus dem Jahr 1933, in dem Vava erwähnt wird.«

»Aus dem einen Brief von 1933, in dem Vava erwähnt wird, hat Professor Bergmann Schlüsse gezogen. Er ist ein Forscher mit Detektivgespür. Aus dieser einen Erwähnung wurde es ihm sonnenklar, daß Vava Superbenzin mit 150 Oktan hergestellt hat, und zwar aus Kartoffelpüree.«

»Wieso aus Püree?« fragte Julian amüsiert.

»Vava hat die Kartoffeln püriert. Ich weiß nicht, wieso«, sagte Dan schlicht. »Vielleicht mußte man das.«

Das Gespräch entfernte sich vom Kartoffelpüree, jedoch nicht sehr weit. Als die Mahlzeit vorüber war und Dan ankündigte, er wolle am Nachmittag wiederkommen, folgte ich Connie nachdenklich in ihr Büro.

»War das mit dem Kartoffelpüree ernst gemeint?« fragte sie.

»Ich weiß nicht, was heute noch ernst gemeint ist«, antwortete ich und sah auf die Uhr. Zwei Uhr. Zwölf Uhr in England. Man konnte es versuchen. Ich nahm den Hörer ab, und zwei Minuten später antwortete Caroline atemlos. »Hallo?«

Plötzlich verstand ich, was Connie letztens empfunden hatte.

»Hallo, Caroline«.

»Igor?«

»Ja, mein Schatz, ich bin’s. Hast du Olga angerufen?«

»Ich habe es versucht. Aber es ging niemand ran. Ich bin zurückgekommen, um es wieder zu versuchen. Was gibt es denn?«

»Wenn du sie erreichst«, sagte ich, »sag ihr, sie soll die Briefe dort lassen.«

»Willst du keine Kopien haben?«

»Ich will nicht, daß sie irgend etwas damit macht. Sie soll sie vorerst liegenlassen.«

»Ich verstehe. Glaube ich jedenfalls«, sagte sie. »Igor, ist alles in Ordnung?«

»Ja, es ist soweit wirklich alles okay. Es ist ganz schön hier.«

Eine kurze Pause. »Ich bin gerade hereingekommen«, sagte sie. »Ich habe das blöde Telefon klingeln hören. Wovon redest du eigentlich? Du willst die Briefe nicht kopiert haben, und du willst sie nicht geschickt haben?«

»Genau. Wie ist es zu Hause?«

»Was erwartest du denn? Es gießt. Und wie ist es im Land der Orangenblüten?«

»Es ist etwas grau und kühl geworden«, sagte ich und starrte ins blendende Tageslicht. »Gut, bis dann.«

»Moment mal, um Himmels willen. Dir ist doch sicher klar, daß sie schon heute morgen hingefahren sein kann.«

»Das ist mir klar.«

»Oder, daß sie jetzt gerade dort ist und den Hörer nicht abnimmt, weil sie weiß, daß sie in Wimbledon keiner anruft.«

»Auch das ist mir durch den Kopf gegangen.«

»Hast du etwas Neues erfahren?«

»Es ist einfach nicht mehr so dringend.«

»Verstehe. Deshalb hast du angerufen, stimmt’s?«

»Was soll ich dir mitbringen?«

»Ich war gerade bei Hopcroft«, sagte sie. »Er ist schwatzhaft wie immer, es geht ihm gut, aber er schielt noch. Möchtest du, daß ich nach Wimbledon fahre und ihr alles erkläre – wir haben eine leise Chance, daß sie wirklich dort ist.«

»Nein, das möchte ich nicht. Fahr nicht dort hin, Caroline.«

»Igor, ist die russische Geheimpolizei hinter dir her oder so etwas?«

»Genau, Liebling. Connie sagt, hier gebe es ein paar tolle Kaftans. Möchtest du einen haben?«

»Ja, darüber würde ich mich freuen. Wann kommst du zurück?«

»Am 29. oder 30. Wenn du Olga wirklich erreichen solltest, würdest du mich dann anrufen?«

»Weil es ganz und gar nicht so dringend ist. Ich verstehe«, sagte sie.

»Ich zahle das Gespräch natürlich. Falls nicht: Frohe Weihnachten.«

»Klar.« Sie hängte ein.

Ich dachte einen Augenblick nach, drückte auf den Hebel und rief Meyer an.

»Sie haben sie nicht mitgebracht«, sagte er traurig zur Begrüßung.

»Nein, also –«

»Okay, ich habe davon gehört. Ernste Sache. Wir essen heute abend zusammen. Tagsüber werden Sie beschäftigt sein. Sie müssen viele Dinge herausfinden.«

»Chemische?«

»Was sonst?«

»Aber ich bin kein Chemiker. Ich habe nicht die geringste –«

»Bleiben Sie am Ball. Man wird Ihnen alles erklären. Auch ich werde Ihnen helfen. Verlieren Sie keine Zeit«, sagte er und legte auf.

»Unser Freund hatte es fast getroffen«, sagte Julian, der gerade hereinkam, zufrieden. »Ich habe gerade mit Finster gesprochen, der sich dort um die Sache kümmert. Kartoffelpüree! Es ist eine Spezies namens Ipomoea batatas

»Was ist das?«

»Finster meint, es handele sich dabei eigentlich um Süßkartoffeln.«

»Püriert er sie?«

»Um die Wahrheit zu sagen, ich bin nicht so genau im Bilde, was er damit macht. Mir wurde gesagt, Sie sollten das herausfinden.«

»Ich?«

»Das hat Meyer gesagt. Finster arbeitet im Daniel Sieff für Beylis. Zeev fährt Sie hin. Zeev!« rief er auf den Flur.

Von unten kam eine Antwort.

Ungefähr eine Viertelstunde später brachte Finster erstes Licht ins Dunkel.

Das schwarze Gold

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