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Das St. Mary- und St. Joseph-Hospital war ein gemütliches kleines Krankenhaus, und Hopcroft hatte es sich drinnen schon recht gemütlich gemacht. In einem kleinen Krankenzimmer mit drei weiteren Männern, die alle lächelten, während sie in ihre Kopfhörer lauschten, saß er aufrecht im Bett. Auch Hopcroft lächelte, trug aber keinen Kopfhörer. Er trug einen Verband, der wie eine kleine Mütze auf dem buschigen Haar saß, und lächelte eine korpulente alte Dame mit faltigem Hals an, offensichtlich keine Krankenschwester. Sie nickte und trat beiseite, als ich näher kam, und Hopcroft sagte leise: »Nette alte Dame. Sie ist als Besucherin hier. Ihr Vater war Skene, wissen Sie, der Biograph des ›Befreiers‹ O’Connell. Sie selbst hat in Manchester bei Namier Neuere Geschichte gehört. Namier. Komisch, nicht?«

Es war komisch, aber was noch merkwürdiger war (obwohl ich schon früher seine natürliche Begabung für seinen Beruf bemerkt hatte), war die Geschwindigkeit, in der Hopcroft diese Information herausgefiltert hatte. Wenn man die Zeit in Rechnung stellte, in der die Wunde verbunden, man ihm die Kleider aus- und den Pyjama angezogen hatte und er ins Bett gesteckt worden war, konnte er mit ihr nicht viel Zeit verbracht haben.

»Hopcroft, was um Himmels willen ist Ihnen passiert?«

»Die müssen ganz schön zugeschlagen haben, was?« Ein Brillenglas war gesprungen, und auf der Stirn hatte er eine kleine blaue Beule. Sein buschiger kleiner Schnurrbart erinnerte mich wieder einmal an den Prototyp eines devoten Verkäufers, ein Vierundzwanzigjähriger, der kein Alter zu haben schien. »Das kam wie der Blitz. Ich konnte nichts tun.«

»Wo ist es passiert?«

»In Tancred Court. Ich ging gerade hinaus. Hat man Ihnen das nicht gesagt?«

»Mir wurde nur gesagt, Sie seien niedergeschlagen worden.« Er schien ziemlich enttäuscht zu sein.

»Aber wie! Zack. Ich bin umgefallen wie ein Baum. Unglaublich, wirklich.«

»Sie sind vor dem Apartmenthaus niedergeschlagen worden?«

»Nicht draußen. Bis nach draußen bin ich gar nicht gekommen.«

»Sie wurden in dem Apartmenthaus niedergeschlagen?«

»Mit einem Schlag. Richtig ordentlich. Ich kam gerade im Aufzug herunter, und unten sagte dieser Typ zu mir: ›Kannst du uns mal helfen, Kumpel?‹ Ich dachte, es sei vielleicht jemandem schlecht geworden oder so, er machte einen so ängstlichen Eindruck. Es war am Ende des Flurs, dort gibt es so eine kleine Nische. Dort stand ein zweiter Mann und sagte: ›Kannst du uns vielleicht mit einem Pfund aushelfen?‹ Ich dachte ›au weia‹, klar. Ich hatte sechs Pfund in der Brieftasche. Die wollte ich denen nicht unbedingt unter die Nase halten. Aber gleichzeitig fiel mir ein, daß ich in der U-Bahn in der Zeitung über Kurzarbeiter gelesen hatte, denen sie den Strom abdrehen, und ich dachte, diskutier’ mit ihnen, vielleicht brauchen sie einen Job, wissen Sie, ich wollte sie in ein Gespräch verwickeln.«

Hopcroft hatte ein Gespräch angefangen, und einer der Männer hatte ihm eins auf den Kopf gegeben.

»Im Ernst: Zack, schon war’s passiert. Ich hatte keine Ahnung, was los war, lag einfach da, keine Brieftasche, keine Aktenmappe mehr. Meine tolle Aktentasche! Die habe ich als Schreibunterlage benutzt, eine tolle Tasche, meine Mutter hat sie mir geschenkt. Ich wankte herum, alles war voller Blut. Dann kam von irgendwoher der Hausmeister, und das war’s. Ganz schön stark, was? Am hellichten Tag!«

»Unglaublich.«

»Nicht wahr?« sagte Hopcroft, erfreut über meine Reaktion. »Mitten in Swiss Cottage ausgeraubt zu werden, mittags. Noch zwei Minuten vorher hatte ich mit Olga einen Teller Suppe gegessen – Doktor Green. Sie wollte uns ein Stück Kalbfleisch braten, sie hatte welches da, aber dort gab es kein Telefon, und ich hatte Ihnen versprochen anzurufen. Also habe ich abgelehnt, weil ich mich beeilen mußte. Und zack!«

»Hatten Sie – hatten Sie etwas in der Aktentasche?« fragte ich.

»Ja, Mist, ja. Ich habe den Mietvertrag für das Featherstone-Labor von 1931 gefunden. Das war schon gestern – habe vergessen, es Ihnen zu sagen. Ich bekam das Dokument von einem Rechtsanwalt in Gray’s Inn. Eine Kopie. Recht interessant. Ich glaube, er gibt seine Kosten zu niedrig an – wissen Sie, da, wo er schreibt, wie angemessen das Budget war, die fünfhundert pro Jahr für Miete, Gehälter und so weiter. Das scheint ein bißchen getürkt gewesen zu sein. Die Miete betrug dreihundert. Interessanter Punkt, nicht? Wir können uns aber jederzeit eine neue Kopie holen, wir wissen ja jetzt, wo der Vertrag ist.«

»Ja. Sonst noch etwas?«

»Heute war noch etwas. Was war es gleich? Mir brummt ein wenig der Schädel, müssen Sie wissen.«

»Vavas Briefe?«

»Ach, richtig. Sie hatte sie nicht.«

»Sie hatte sie nicht?«

»Nicht bei sich. Ich habe selbst nachgesehen. Bei ihr ist es etwas unordentlich. Das liegt an der komischen Art, wie sie umzieht. Einer der Krankenhausfahrer aus dem University College macht das für sie. Der fährt immer hin und her. Ein Paket enthält die Zeugnisse, Geburtsurkunde, all diese Dinge. Da sind auch die Briefe drin, und das ist noch in Wimbledon.«

»Aha.«

»Das wollte ich Ihnen sagen. Tut mir leid, daß Sie deshalb hierher kommen mußten.«

»Seien Sie nicht albern, Hopcroft. Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht.«

»Das war ein ganz schöner Hammer«, sagte er und betastete vorsichtig seinen Kopfverband. »Es pocht ein bißchen. Die wollten mich unbedingt hierbehalten. Sie waren alle da, Polizei, Krankenwagen. Der Hausmeister hat sie gerufen. Wirklich unglaublich. Was war bloß noch? Da war doch noch was, verdammt.«

Seine Augen waren ein wenig glasig.

»Sie sollten lieber nicht weitersprechen, Hopcroft.«

»Es geht schon. Meine Mutter kommt bald her. Wahrscheinlich kriege ich die Mappe nicht wieder«, sagte er traurig. »Die war mehr wert als die sechs Scheine. Meine Initialen waren eingeprägt. Mistkerle. Ach ja. Jetzt fällt es mir wieder ein. Olga. Sie schickt Ihnen die Sachen. Ich habe ihr erzählt, daß Sie nach Israel fahren und daß die es sehr eilig damit haben, darum schickt sie sie mit der Post. Ich habe ihr gesagt, sie soll es per Express schicken, wegen der Weihnachtspost, damit Sie es dort schnell bekommen. Sie fährt morgen hin, dann ist ihr Mann nicht da.«

»Die Originale?«

»Ja, die echten Briefe.«

»Haben Sie sie gebeten, Kopien zu machen?«

»Habe ich das? Oh, Mist, nein. Ich glaube nicht. Oje, tut mir leid.«

»Das macht nichts. Ich fahre hin und spreche selbst mit ihr.«

»Also, nein, das geht nicht.« Hopcroft blickte sehr unglücklich drein. »Nach dem Mittagessen wollte sie nach Frognal zu einer Freundin. Es tut mir furchtbar leid. Ich weiß nicht, wer die Freundin ist.«

»Kann man sie nirgendwo erreichen?«

»Nein. Sie bleibt bei ihr. Allein hält sie es nicht gut aus. Im Moment geht es ihr nicht besonders.«

»Könnten wir vielleicht mit ihrem Mann sprechen? Vielleicht kann er ihr eine Nachricht hinterlassen.«

»Oh nein, das wäre ihr nicht recht.«

»Um wieviel Uhr fährt sie nach Wimbledon, wenn sie überhaupt fährt?«

»Ich weiß es nicht. Es lag kein Grund vor, sie danach zu fragen. Herrje, was bin ich doch für ein Idiot.«

»Machen Sie sich keine Gedanken. Wir haben Glück, daß sie die Briefe nicht hatte. Sonst wären die auch gestohlen worden.«

»Ja. Die müssen gesehen haben, wie ich aus der Bank gekommen bin. Eine Zweigstelle von Barclays ist gleich neben dem Haus. Ich bin auf dem Hinweg kurz hinein und habe auf meine Kreditkarte fünf Scheine abgehoben. Mit dem schicken Aktenkoffer und allem drumherum habe ich vielleicht nach Geld ausgesehen. Wahrscheinlich haben die unten gewartet, bis ich wiederkomme. Als ich hineinging, waren ein paar Leute auf der Straße. Das habe ich auch der Polizei gesagt. Die meinten, da könnte was dran sein. Hart, was? Am hellichten Mittag!«

»Pech. Tut mir sehr leid, mein Junge. Aber hören Sie jetzt auf zu sprechen.«

»Es pocht ein bißchen«, sagte er eine Spur leiser und sah sich langsam um, als ein gleichzeitiges Kichern von den drei Zimmergenossen kam. Sie grinsten einander an. Ein dünnes, mäuseartiges Quieken und etwas, was sich knisternder anhörte, drang aus den Kopfhörern. »Na, ich werd’ schon wieder«, sagte er. »Viel Spaß und so weiter in Israel.«

»Danke. Ruhen Sie sich aus, Hopcroft«, sagte ich.

Das schwarze Gold

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