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ОглавлениеNat und Angus fuhren in seinem sonnenblumengelben VW-Käfer auf einer einspurigen Landstraße, die sich bergauf, bergab an den schneebedeckten Bergen Pennsylvanias entlangzog. Angus war ein angenehmer Reisegenosse, und Nat war erleichtert, dass er heute Morgen nicht nach einer Substanz gerochen hatte, mit der sich das Betäubungsmittelgesetz beschäftigte.
»Es ist wunderschön hier draußen«, sagte sie, aus dem Fenster blickend. Am wolkenlosen Himmel stieg die Vormittagssonne mit nicht allzu großem Arbeitseifer in die Höhe und strahlte hinter den Ästen der kahlen Winterbäume. Sie fuhren an einem Schneefeld vorbei, dessen vereiste Oberfläche hier und da von Pferdehufen durchbrochen worden war. Die Pferde standen unter abgetragenen blauen Decken zusammen und scharrten mit ihren Hufen im Schnee, aus Gewohnheit oder in der Hoffnung, auf Gras zu stoßen. Mit ruhiger Anmut senkten sich ihre langen Hälse zum Boden, und weißer Dampf stieg von ihren Nüstern auf.
»Das hier ist das südliche Chester County, das Tal des Brandywine River. Heimat der Familie Wyeth.« Angus schaltete zurück, bevor er in eine Kurve fuhr. »Hier in der Gegend leben die Wyeth’, und das Brandywine-River-Museum ist auch nicht weit, in Chadds Ford. Waren Sie je dort?«
»Nein.«
»Ich gehe immer hin. Es sind fast nur Sachen von den Wyeth’ ausgestellt. Andrew, sein Sohn Jamie und N. C., der Großvater; Nowell Convers Wyeth, der Patriarch. Ich finde seine Bilder große Klasse.«
»Warum?«
»Wegen der Farben. Das Licht. Die Superhelden. Er hat eher Leute gemalt als Landschaften. Am Anfang war er Illustrator. Und der alte N. C. war Spezialist für Ritter und Piraten. Damit kann ich was anfangen.«
»Mit den Rittern oder den Piraten?«
»Mit dem Maler«, antwortete Angus, und Nat lächelte. Eingehüllt in ihren Dufflecoat, war sie ihm in der erzwungenen Intimität des kleinen Autos plötzlich ungewöhnlich nah. Sie hatte bemerkt, dass er schmale, intelligente blaue Augen und dichte dunkelblonde Augenbrauen hatte. Sein volles Haar, das lose von einem orangefarbenen Gummiband zusammengehalten wurde, sah immer noch ungekämmt aus, und er trug dieselben Kleider wie gestern: ein verblichenes blaukariertes Holzfällerhemd, dessen zerknitterter Kragen aus einem dicken Seemannspullover heraussah, abgetragene Jeans und Cowboystiefel. Der Fahrersitz war viel zu klein für ihn. In diesem VW wirkte er so unpassend wie ein Wikinger.
»Das Haus da hat eine seltsame Farbe«, sagte Nat, als sie an einem alten Haus vorbeikamen, dessen grauer Stein grünlich schimmerte.
»Das ist der Kupfer im Stein, der durchkommt. Sind Sie noch nie in Chester County gewesen?«
»Nein, aber in meinem Vortrag werde ich auf das Gesetz zur Auslieferung flüchtiger Sklaven eingehen.«
»Was hat das mit Chester County zu tun?«
»Chester County war eine bedeutende Station innerhalb der Underground Railroad, dem Netzwerk zur Rettung geflohener Sklaven aus dem Süden. Auf der Karte sieht man, dass nicht weit von hier die Mason-Dixon-Linie verläuft. Die Quäker hier, besonders vom Zweig des Longwood Progressive Meeting, haben Tausende von Sklaven nach Norden gebracht.«
»Longwood? Das ist nur eine halbe Stunde entfernt.« Nach einem kurzen Schweigen sagte Angus: »Ich dachte, ich wüsste alles über diese Gegend. Mit dem, was ich über die Wyeth’ sagte, habe ich nur versucht, bei Ihnen Eindruck zu schinden.«
»Es hat mich tatsächlich beeindruckt.« Nat lächelte. »Ich glaube, das Haus der Quäker vom Progressive Meeting steht noch. Laut meinem Buch gehört es zu dem Park in Longwood.«
»Warum fahren wir nicht hin, nach dem Gefängnis?« Angus betätigte wieder den Schaltknüppel, als es in eine weitere Kurve ging, und seine Hand streifte versehentlich ihr Knie.
»Ich kann nicht. Ich muss zurück an die Arbeit.«
»Wir können um zwei Uhr zurück sein und vorher sogar noch zu Mittag essen.«
Hat er mich da gerade zum Essen eingeladen? »Keine Zeit. Ich arbeite an einem Artikel.«
»Wie können Sie im Unterricht darüber sprechen und sich dann die Chance entgehen lassen, es zu sehen?«
»Ich spreche auch über den Kaufmann von Venedig, ohne nach Italien gefahren zu sein. Aus diesem Grund gibt es Bücher.«
»Nein, aus diesem Grund haben wir Freie Hochschulen«, entgegnete Angus mit einem Grinsen. »Wie wär’s mit Samstag? Wir können uns das Wyeth-Museum ansehen, dann das Quäker-Haus und dann essen gehen. Spaß von morgens bis abends.«
Seine Hand streifte erneut ihr Knie, und diesmal fragte sich Nat, ob es wirklich aus Versehen geschah. Sie sah verstohlen zu seiner linken Hand. Kein Ehering. Aber das bedeutete nichts. Sie hatte immer geglaubt, er sei verheiratet. Eine Kollegin hatte es ihr erzählt, die immer mit dem neuesten Klatsch aufwarten konnte. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, ihr immer alles zu glauben.
»Ich kann nicht. Ich habe etwas vor.«
»Und Sonntag?« Angus drückte aufs Gaspedal, und Nat rückte von ihm weg, damit ihr Knie nicht wieder gestreift wurde. Sie wollte nicht, dass er auf falsche Gedanken kam.
»Sind Sie nicht verheiratet?«
»Nicht mehr. Wir haben uns vor ungefähr einem Jahr scheiden lassen.« Angus hielt seinen Blick auf die Straße gerichtet. Vielleicht ärgerte er sich, aber man sah ihm nichts an.
»Tut mir leid. Das wusste ich nicht.«
»Ich habe es nicht an die große Glocke gehängt. Sie hat mich sitzenlassen, um zu einem Republikaner zu ziehen.« Er lächelte, aber das Lächeln verschwand schnell. »Was meinen Sie? Würden Sie gern ausgehen?«
»Danke, aber ich habe einen Freund.«
»Das hätte ich mir denken können.« Er zog die Unterlippe ein und bremste vor einem Stoppschild. »Es war nicht sehr cool von mir, oder? Ich bin etwas aus der Übung.«
»Das macht doch nichts«, sagte Nat. Seine Offenheit gefiel ihr. Er war wirklich ein netter Kerl. Dann kam ihr ein Gedanke. »Wollten Sie deshalb, dass ich mit Ihnen ins Gefängnis fahre?«
»Nein. Ich glaube, dass meine Klasse viel von Ihnen lernen kann. Aber ich gebe zu, dass ich mich auf die Fahrt gefreut habe – viel zu sehr.« Er warf ihr einen raschen Blick zu. »Ihren Unterricht gestern habe ich so toll gefunden. Ich dachte, schade, dass wir uns nicht besser kennen, da wir doch so vieles gemein haben.«
»Wirklich? Was, zum Beispiel?«, fragte Nat, darum bemüht, nicht allzu ungläubig zu klingen.
»Zum Beispiel sind wir beide Außenseiter an der Fakultät.«
»Machen Sie Witze?«, spottete sie. »Niemand erfreut sich größerer Beliebtheit als Sie. Ich habe gesehen, wie Ihre Studenten Sie anhimmeln.«
»Das sind die Leute von der Freien Hochschule, eine eigene kleine Welt. Haben Sie das nicht bemerkt?«
»Nein, ich lebe in einer anderen kleinen Welt.«
Angus setzte ein schiefes Lächeln auf. »Wir haben die gleichen Probleme. In Wahrheit ist es sehr schwierig, Studenten zu finden, die es mit der Freien Hochschule ernst meinen. Wie wollen Sie einen jungen Menschen dazu bringen, sich für Mandanten zu engagieren, die ihn kaum bezahlen können, wenn er sich selbst hoch verschuldet hat, um studieren zu können? Manche Studenten haben hunderttausend Dollar Schulden. Solche Leute kann man nicht an die Freie Hochschule binden. Das ist hoffnungslos.«
»Gerade das gefällt Ihnen doch dabei.«
»Genau. Wie Sie und Ihr Kurs. Gefällt es Ihnen nicht, dass Sie etwas Wichtiges tun, auch wenn Sie keine Anerkennung dafür bekommen?«
Nat begriff. Er hatte recht; das hatten sie gemein. Ein kleines, verlegenes Schweigen entstand.
»Ich musste für meine Freie Hochschule auch die Reklametrommel rühren. Ich musste den Studierenden erklären, was an unserer Arbeit so großartig ist, damit sie verstanden, dass auch sie etwas davon haben würden. Ich habe ihnen gesagt, dass auch sie vor Gericht stehen können, um Leute zu vertreten, die sonst keine Chance hätten. Dass das wertvoll und befriedigend ist.« Angus hielt inne. »Wenn man das auf uns beide überträgt, würde ich Ihnen erklären, wie wertvoll und befriedigend es für Sie wäre, mit mir auszugehen.«
»Sie würden für sich selbst die Reklametrommel rühren?«
»Wenn es nötig wäre.«
»Das ist es nicht«, sagte Nat lächelnd, und Angus brach in Gelächter aus, was sie beide entspannte.
»Ist das etwas Ernsthaftes zwischen Ihnen und diesem Glückspilz?«
»Ja.« Aber sagen Sie’s nicht meiner Mutter.
»Na gut, Professor Holt streicht die Segel. Aber wenn Sie beide sich trennen, bin ich der Erste auf der Warteliste, hoffe ich.«
Nat errötete. Sie fühlte sich geschmeichelt. »Ja«, antwortete sie, und in den nächsten Minuten sahen sie beide wieder starr geradeaus. Vielleicht bildete sie es sich nur ein, aber er schien schneller zu fahren, nachdem sie ihn abgewiesen hatte. Sie überwanden Anhöhen und Täler, fuhren an Wäldern und Weiden vorbei, dann kam die Brücke über den Brandywine Creek und dann eine scharfe Kurve. Rechter Hand befand sich ein Backsteingebäude mit grünem Dach. Ein Schild kündigte ein »Studienzentrum für junge Erwachsene« an. Dann tauchte hinter einem Waldstück mit hohen Koniferen ein altes Holzschild mit handgemaltem weißem Schriftzug auf, das in dieser Umgebung merkwürdig rustikal wirkte: »STRAFANSTALT CHESTER COUNTY«.
»Hier ist das Vorprogramm zu Ende.« Nat bereute plötzlich, dass sie mitgekommen war. Sie sollte zu Hause sein bei ihrem Kurs. Ihre Studenten brauchten Schlaf.
»Ich weiß«, sagte Angus trocken. Sie gelangten an ein hohes, weißes Torgebäude, und aus der zerbrechlich wirkenden Tür trat ein junger Wachmann in blauer Uniform, mit einem über der Schulter hängenden, schwarzen Gewehr. Er beugte sich zum Wagenfenster, das Angus heruntergekurbelt hatte. »Hallo, Jimmy.«
»Hallo, Prof!«, sagte der Wachmann mit breitem Grinsen. Unter dem Lederschirm seiner Mütze funkelten braune Augen, und er war offenbar stolz auf den schmalen, dunklen Schnurrbart auf seiner Oberlippe. Er lächelte mit großen, unregelmäßigen Zähnen. »Haben Sie eine von Ihren Studentinnen mitgebracht? Wie geht’s, Süße?«
»Keine Anzüglichkeiten, bitte«, sagte Angus nur halb im Scherz. »Das ist Professor Greco. Sie wird heute bei uns einen Vortrag halten.«
»O Gott.« Der Wachmann schob seine Mütze hoch und wirkte auf einmal schüchtern. »Tut mir leid.«
»Schon gut.« Nat winkte ihm freundlich zu, Angus dankte dem jungen Mann und fuhr weiter. Nat fragte: »Müssen wir ihm nicht unsere Ausweise zeigen?«
»Nein. Er kennt mich.«
»Ich muss mich sogar in einem Geschäft ausweisen, wenn ich mit Kreditkarte bezahlen will.«
»Wie ich schon sagte: Das hier ist ein Gefängnis mit niedriger Sicherheitsstufe.« Angus zuckte die Schultern, aber Nat begriff nicht.
»Die Sicherheitsstufe ist niedriger als in einem Klamottenladen, aber hoch genug, dass der Wärter eine Waffe trägt?«
»Genau.« Der VW fuhr eine einspurige asphaltierte Straße entlang zu einem kleinen, erhöht liegenden Parkplatz, an dessen Rändern überall frisch aufgeworfene Schneehaufen lagen. Angus fuhr fort: »Im Innern des Gefängnisses ist keiner der Aufseher bewaffnet. Sie mögen es nicht, wenn man sie Wärter nennt. Die meisten von ihnen sind sehr nett.«
»Sie haben da drin keine Waffen?«, fragte Nat, und ihr Ton sagte: Sie haben mir doch gesagt, es sei sicher!
»Nein. Für ein Gefängnis dieser Kategorie ist das normal. Die meisten Aufseher behandeln die Gefangenen mit Respekt, aber sie gehören für sie zu einer anderen Welt. Sie sehen sie als eine niedrigere Kaste, nicht als Individuen. Das müssen sie, um sie in Schach zu halten. Aber in meinem Kurs versuche ich, es anders zu machen.«
Nat spürte, dass Angus dabei war, ihr einen Lehrvortrag zu halten, aber es machte ihr nichts aus. Wer leidenschaftlich für eine Sache eintritt, belehrt auch gern. Mit ihr wäre es dasselbe, wenn man sie nach Abraham Lincoln fragen würde. Zu gern erinnerte sie ihre Studenten daran, dass er Anwalt gewesen war. Niemand glaubte ihr.
»Hier geht es um Rehabilitation. Die Häftlinge hier haben Strafen von höchstens zwei Jahren zu verbüßen, sie sind also bald wieder draußen. Sie sitzen wegen kleiner Delikte und wurden als nicht gewalttätig eingestuft. Einfacher Diebstahl, Einbruch, Betrug. Drogensüchtige und Alkoholiker können hier Therapien machen, und es gibt Ausbildungsprogramme. Viele lassen sich zum Heizungsinstallateur, Automechaniker oder Friseur ausbilden.«
Noch schlimmer. »Sie schneiden Haare? Mit Scheren?«
»Klar, und die Gefangenen, die in der Küche arbeiten, benutzen Messer.«
»Na wunderbar.«
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Angus steuerte das Auto in eine Parklücke. »Sie müssen Scheren und Messer in einen Glasschrank hängen, an ein Lochbrett, in eine Form, in die nur das Werkzeug passt, das sie benutzen, und es wird überprüft, ob sie alle Werkzeuge abgeben.« Nat bemerkte, dass viele der Autos um sie herum mit laufendem Motor auf dem Parkplatz standen. Weiße Wölkchen stiegen aus den Auspuffen auf.
»Was ist mit diesen Autos?«
»Es sind Familienmitglieder der Gefangenen, die auf den Anfang der Besuchszeit warten.« Angus zog die Handbremse und wandte sich mit einem Lächeln an Nat. »Gehen wir. Nehmen Sie Ihren Führerschein mit, aber lassen Sie die Handtasche da. Nur juristische Unterlagen sind erlaubt. Haben Sie Ihr Skript?«
»Ja.« Nat holte ihre Mappe mit den Notizen, und sie stiegen aus. Als sie in die Kälte hinaustrat, hielt sich Nat die Mappe vor die Brust, als müsste sie sich vor herumirrenden Kugeln schützen.
Der Gefängniskomplex lag auf einem großen, schneebedeckten Stück Land auf einer flachen Hügelkuppe. Am Rand des Geländes stand ein hoher, blauer Wasserturm. Das Gefängnis selbst war ein weitläufiges Backsteingebäude in T-Form, mit einem Besuchereingang und großen Fenstern am Fuß des T, vor einer kreisförmigen Zufahrt. Die eigentliche Haftanstalt bildete den vertikalen Stamm und den Querstrich des T, wo es statt der Fenster nur noch kleine, hässliche Schlitze gab. Diese Gebäude waren von der Umgebung durch doppelte Reihen von Maschen-und Stacheldraht abgetrennt. Außerdem wurde die Anlage nach außen hin durch einen künstlich angelegten Ring hoher Koniferen abgeschirmt.
»Ein beeindruckender Bau, oder?«, fragte Angus. Sein Atem war eine Wolke in der kalten Luft. »Nette Lage für ein Haus ohne Fenster.«
»Strafe muss sein.«
»Sagt man.«
»Haben Sie keinen Mantel? Es ist eiskalt.«
»Ist mir zu angeberisch. Gehen wir.« Angus berührte ihren Rücken, und sie gingen einen langen geräumten Weg entlang. Ihre Schritte knirschten auf Salz und Eis. Sie erreichten die kreisförmige Zufahrt, an der schwarze Gefängnisfahrzeuge und ein lehmbespritzter Pick-up standen. Der Pick-up hatte Holz geladen. Das Holz war mit einer blauen Plane bedeckt, die im Wind flatterte. Hinter dem Pick-up stand ein Anhänger mit der Aufschrift eines Bauunternehmens namens PHOENIX CONSTRUCTION. Auf dem Anhänger sah man eine Reihe weißer Propangasbehälter und eine Palette mit Betonziegeln unweit des Gefängniseingangs.
Nat versuchte, ihre Nervosität abzuschütteln, und Angus verlangsamte seinen Schritt, als sie an einer dunkelblauen Limousine vorbeikamen, die ebenfalls mit laufendem Motor dastand. Zwei Männer in dunklen Anzügen und Krawatten saßen vorn. Angus zeigte auf sie: »Sehen Sie, das sind Bundespolizisten.«
»Was?«, fragte Nat, aber er ging schon auf den Wagen zu und klopfte an das Fenster der Fahrerseite.
»So was Uncooles wie Abzeichen brauchen wir ja nicht«, sagte Angus, als das Fenster herunterglitt, und der Fahrer lachte. Er trug eine modische Sonnenbrille und hielt einen Energy-Drink in der Hand.
»Die Stimme der Rechtschaffenen!«, sagte der Fahrer, und Angus antwortete mit dem Peace-Zeichen.
»Wen wollen Sie heute verklagen, Holt? Hat jemand bei der Yogastunde gefehlt?«
»Bringen Sie mich nicht auf dumme Gedanken«, entgegnete Angus, und sie lachten, während die Scheibe wieder hochglitt. Angus berührte Nats Ellbogen, und sie blieben stehen. »Diese armen Jungs, diese Marshals, sie langweilen sich zu Tode. Etwas Wahreres kann man nicht über so einen Ort sagen, über dieses Gefängnis, jedes Gefängnis, ob höchste Sicherheitsstufe oder offener Vollzug. Die Gefangenen, und die Aufseher nicht minder – die verdammte Langeweile macht sie fertig. Jeder, der jemals drin gewesen ist, wird Ihnen das sagen. Im Knast ist jeder Tag wie der andere.«
»Warum sind diese Marshals hier?«
»Manchmal nimmt das Gefängnis hier kurzzeitig Häftlinge aus Bundesgefängnissen auf. Zum Beispiel, wenn ein Prozess bevorsteht und der Weg zwischen dem eigentlichen Gefängnis und dem Prozessort zu weit ist. Sie haben gerade jetzt einen Gefangenen hier, der mit höchster Sicherheitsstufe bewacht wird, bis sein Prozess in Philly anfängt. Die Marschals müssen ständig anwesend sein.«
»Was hat er gemacht?«, fragte Nat, als sie den Eingang erreichten, ein fensterloses Metalltor, dessen rote Farbe seltsam heiter wirkte gegen das industrielle Braun der Gebäudemauern. »Ich meine, mutmaßlich.«
»Er hat es wirklich getan.« Angus lächelte ironisch. »Es ist Richard Williams. Drogenhandel, Mord, das volle Programm.« Er zog die Tür auf und winkte sie ins Innere.
»Danke.« Nat betrat einen kleinen Raum, der nach allen Seiten hin vergittert war wie der Aufzug in die Hölle. Sie ermahnte sich, keine Angst zu haben.
Oder sie wenigstens nicht zu zeigen.