Читать книгу Und wenn du nicht die Wahrheit sprichst - Lisa Scott - Страница 7

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Jack Newlin hatte keine andere Wahl, als sich den Mord selbst anzuhängen. Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, war seine einzige Sorge, dass er nicht damit durchkommen würde. Dass er nicht gut genug lügen konnte, obwohl er Anwalt war.

Die beiden Detectives führten Jack in Handschellen in einen kleinen, fensterlosen Raum im Roundhouse, dem Polizeipräsidium von Philadelphia. In der Mitte stand ein schwerer, am Boden festgeschraubter Metallstuhl mit gerader Lehne, der Jack an den elektrischen Stuhl erinnerte. Er sah schnell zur Seite.

Die Wände waren in einem schmutzigen Grau gestrichen und bis auf Hüfthöhe mit den Abdrücken von Schuhsohlen verunziert. An einer Wand stand ein Schreibmaschinentisch mit einer schwarzen Smith-Corona darauf und zwei alten Holzstühlen davor. Der rechte Stuhl ächzte laut, als der schwergewichtige Detective, der sich als Stan Kovich vorgestellt hatte, breitbeinig darauf Platz nahm.

»Bitte, Mr Newlin«, sagte Detective Kovich und deutete auf den zweiten Stuhl gegenüber.

»Danke.«

Jack setzte sich.

Der Metallstuhl war offenbar für weniger gut betuchte Mörder vorgesehen. Es hatte ihn schon immer gestört, bevorzugt behandelt zu werden. Als Sohn eines einfachen Buchhalters hatte er sich sein Studium hart erarbeitet und es bis zum Anwalt und Kanzleipartner mit einem siebenstelligen Jahresgehalt gebracht. Allerdings war dieses hohe Einkommen nur ein Hungerlohn im Vergleich zu dem Familienerbe seiner Frau. Früher hatte er das Buxton-Vermögen immer zum Teufel gewünscht, doch jetzt war er zum ersten Mal froh darüber. Geld gab schließlich das glaubwürdigste Motiv für einen Mord ab.

»Möchten Sie etwas trinken? Wasser oder eine Cola?«, fragte Kovich.

Der Detective war mit seinem kurzärmeligen weißen Hemd, dessen Kragen von seinem Stiernacken fast gesprengt wurde, ziemlich leicht bekleidet für den Winter. Seine mächtigen Schultern hingen herab, die khakifarbene Stretchhose spannte über seinen Oberschenkeln. Eine unförmige Nase beherrschte das Gesicht, und seine Wangen waren so fleischig, dass sie gegen die goldgeränderte Pilotenbrille drückten. Die dicken Gläser vergrößerten seine braunen Augen, die mit neutralem Blick auf Jack gerichtet waren.

»Nein, danke. Nichts.«

Jack hielt bewusst Augenkontakt mit Kovich, der freundlicher zu sein schien als sein Kollege. Der zweite Detective war stehen geblieben, hatte die Sohle seines feinen italienischen Halbschuhs gegen die Wand gestemmt und außer seinem Namen noch nichts gesagt. Er war schwarz, über einsachtzig groß und schlank. Sein schmales Gesicht passte zu seinem Körperbau, ebenso wie der feine Mund und die Nase, die im Verhältnis zu den hohen Wangenknochen eine Spur zu lang wirkte. Dunkle, fast onyxschwarze Augen beherrschten dieses Gesicht, wie Richter auf einem Thron.

»Beginnen wir damit, dass Sie mir etwas von sich erzählen, Mr Newlin.« Kovich lächelte und zeigte kaffeebefleckte Zähne. »Ach so, dieses Verhör wird übrigens auf Video aufgezeichnet. Nur damit Sie Bescheid wissen.«

Er zeigte vage auf einen verschmierten Spiegel an der Wand, aber Jack sah nicht hin und bereitete sich darauf vor, ein überzeugendes falsches Geständnis abzulegen.

»Also, ich bin dreiundvierzig Jahre alt. Ich bin Partner bei der Anwaltskanzlei Tribe & Wright und leite die Abteilung für Nachlass- und Treuhandangelegenheiten. Ich habe Jura an der Universität von Pennsylvania und in Yale studiert und davor die Girard-Highschool besucht.«

Kovich nickte. »Nicht schlecht. Ich bin beeindruckt.«

»Danke«, sagte Jack. Am stolzesten war er auf Girard, ein Internat, das von der Stephen-Girard-Stiftung für vaterlose Jungen gegründet worden war. Die Girard-Schule war eine Institution in Philadelphia, ohne die er es nie nach Yale oder auf irgendeine andere Universität geschafft hätte.

»Wo sind Sie geboren?«

»Im Norden von Philadelphia. Torresdale.«

»Wohnt Ihre Familie noch dort?«

»Nein. Mein Vater ist schon lange tot, und meine Mutter ist letztes Jahr an Lungenkrebs gestorben.«

»Oh. Ich habe meine Mutter auch vor zwei Jahren verloren. Ich weiß, wie das ist. Kein Zuckerschlecken.«

»Mein Beileid«, sagte Jack. Kein Zuckerschlecken. Das war eine derartige Untertreibung, dass er einen bitteren Geschmack im Mund verspürte. Seine Mutter tot. Sein Vater schon vor so langer Zeit gestorben. Und jetzt auch noch Honor. Er räusperte sich. »Vielleicht sollten wir weitermachen.«

»Sicher, sicher«, nickte Kovich schnell. »Sie sind also Anwalt bei der Tribe-Kanzlei. Ziemlich großer Laden, stimmt’s? Ich hab mal was in der Zeitung darüber gelesen, wie viel ihr da im Jahr so verdient. Scheint eine richtige Goldgrube zu sein.«

»Sie sollten nicht alles glauben, was Sie lesen. Zeitungen wollen vor allem ihre Auflage steigern.«

»Was Sie nicht sagen.«

Kovich lachte. Ein raues, gutturales Geräusch, das abgehackt aus seiner Kehle hervorbrach. An seinen Kollegen gewandt, der immer noch an der Wand lehnte, bemerkte er: »Davon können wir auch ein Liedchen singen, was, Mick?«

Der Detective, der sich als Reginald Brinkley vorgestellt hatte, nicht als Mick oder Michael, nickte nur. Seine aufeinander gepressten Lippen verrieten Jack, dass er nicht angesprochen werden wollte. Brinkley, ebenfalls mittleren Alters, trug ein gut geschnittenes hellbraunes Jackett mit einer dunkelbraunen Seidenkrawatte, die trotz der späten Stunde noch fest geknotet und mit einer goldglänzenden Nadel an seinem weißen Hemd befestigt war. Sein Blick verbreitete Kälte im Raum, und das emporgereckte Kinn sprach eindeutig von Abneigung. Jack wusste nicht, womit er ihn provoziert hatte, aber hoffentlich würde es sich zu seinen Ungunsten auswirken, dass der Detective ihn nicht leiden konnte.

»Also, Mr Newlin ...«, begann Kovich wieder. »Ach, hören Sie, kann ich Sie nicht einfach Jack nennen?«

»Natürlich.«

»Haben Sie noch mehr Familie, Jack? Kinder?«

»Eins.«

»Ach ja?« Kovich wurde ganz interessiert. »Mädchen oder Junge?«

»Eine Tochter.«

»Wie alt?«

»Sechzehn.«

»Ich auch!« Kovich grinste und zeigte wieder seine schlechten Zähne. »Ein Albtraum, was? Teenager! Haben Sie nur die eine Tochter?«

»Ja.«

»Ich habe zwei. Sechzehn und dreizehn. Meine Frau sagt, wenn die Mädels mal nicht vor dem Spiegel stehen, sind sie bestimmt in irgendeinem Chatroom. Hängt Ihre Kleine auch ständig vorm Bildschirm?«

Jack räusperte sich. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber gibt es einen bestimmten Grund für diesen Smalltalk?« Er war nicht in der Stimmung dafür, und als Mörder musste er das auch nicht sein, fand er.

»Na ja, es gehört zu unserem Job, die Familienverhältnisse festzustellen und die nächsten Angehörigen zu benachrichtigen. Eine Routineangelegenheit, Jack.«

Er erstarrte. Daran hatte er nicht gedacht. Paige würde also irgendeinem Detective gegenüberstehen.

»Meine Tochter hat eine eigene Wohnung. Es wäre schrecklich für mich, wenn sie diese Nachricht von der Polizei erfahren würde. Kann ich es ihr nicht selbst sagen?«

»Sie ist erst sechzehn und lebt schon allein?«

»Meine Tochter ist für mündig erklärt worden. Sie hat eine große Karriere vor sich.«

»Für mündig erklärt worden? Wie geht denn das?«

»Meine Frau und ich haben ein Papier unterzeichnet, das sie rechtlich zur Erwachsenen macht. Ich habe es selbst aufgesetzt. Meine Tochter lebt allein und verdient ihr eigenes Geld. Sie ist Model und – wie auch immer, ich möchte es ihr wirklich lieber selbst sagen ... das mit ihrer Mutter.«

Er schwieg kurz.

»Ich könnte sie nach unserem Gespräch anrufen. Ich meine, ich möchte ein volles Geständnis ablegen, jetzt gleich.«

Kovichs Kiefer fiel leicht herab. Brinkley sah ihn mit schmalen Augen an.

Jack bekam einen trockenen Mund. Offenbar war er zu schnell vorgeprescht. »Wissen Sie, ich fühle mich furchtbar, einfach schrecklich. Heute Abend ist etwas Entsetzliches passiert. Ich kann nicht glauben, was ich getan habe. Ich möchte es mir von der Seele reden.«

Kovich nickte ermutigend. »Sie meinen, Sie wollen eine Aussage machen?«

»Ja. Eine Aussage, genau.« Jacks Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren überzeugend zittrig.

»Okay. Schön. Einen Moment.«

Kovich drehte sich mit knarrendem Stuhl zum Tisch um und nahm ein Formular zur Hand, das durch altmodisches Kohlepapier und zahlreiche Durchschläge zu beachtlicher Dicke angeschwollen war. Er stopfte es hinter die Walze der Schreibmaschine und kämpfte mit einem Knick im Papier. Der Detective stellte sich nicht übermäßig geschickt an, seine Pranken schienen besser für einen Football als für dünnes Papier geeignet.

»Jack, ich muss Sie über Ihre Rechte informieren. Sie haben das Recht zu schweigen, Sie haben das Recht ...«

»Ich kenne meine Rechte.«

»Trotzdem muss ich sie Ihnen sagen. Das ist Vorschrift.«

Kovich rasselte die Litanei der Rechte herunter, während er das widerspenstige Formular glättete und in die Maschine rollte, bis die Überschrift zu lesen war: VERNEHMUNGSPROTOKOLL

MORDDEZERNAT.

»Haben Sie Ihre Rechte verstanden?«

»Ja. Ich brauche keinen Anwalt. Ich möchte eine Aussage machen.«

»Sie meinen, Sie verzichten auf einen Rechtsbeistand?«, fragte Kovich.

»Ja. Ich verzichte auf einen Rechtsbeistand.«

»Stehen Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol?«

»Nein. Das heißt, ich hatte Scotch getrunken. Bevor es passiert ist.«

Kovich runzelte die Stirn hinter seiner großen Pilotenbrille. »Im Moment stehen sie aber nicht unter Alkoholeinfluss, oder?«

»Nein. Es waren nur zwei Gläser, und das ist schon eine Weile her. Ich bin vollkommen nüchtern.«

Kovich griff nach einem weiteren Formular. »Gut. Sie müssen das hier unterschreiben, es ist eine Verzichtserklärung. Hier auf der ersten Seite und dann die zweite Seite ausfüllen.«

Er schob die Blätter über den Tisch, und Jack unterschrieb auf dem obersten, trug »Ja« nach jeder Frage auf dem zweiten Blatt ein und reichte alles zurück.

»Wir fangen mit den üblichen Fragen zur Person an.« Kovich begann zu tippen: Ermittlungsfall Nummer ... »Das ist die notwendige Prozedur. Haben Sie ein wenig Geduld, ja?«

»Sicher.« Jack sah Kovich zu und bekam den Eindruck, dass ein Mordgeständnis, auch ein fingiertes, eine ebenso prosaische Angelegenheit war wie die Eröffnung eines Bankkontos. Ein simpler bürokratischer Vorgang: Jemand füllte ein Formular in dreifacher Ausfertigung aus und dann wurde man lebenslänglich ins Gefängnis überwiesen.

»Ihren Namen und Ihre Adresse, bitte.«

»Ich heiße Jack Newlin und wohne in der Galwith’s Alley, Nummer 382.«

Es entspannte ihn, diese einfachen Auskünfte zu geben. Alles lief gut, bis der schwarze Detective sich hüstelnd bemerkbar machte.

»Vergessen wir das Frage-und-Antwort-Spiel für einen Moment, Mr Newlin«, unterbrach Brinkley, wobei er seine helle Handfläche mit den langen, schlanken Fingern bremsend nach außen kehrte. Er richtete sich auf, schloss den mittleren Knopf seines Jacketts und kündigte durch diese schlichten Gesten an, dass er nun die Kontrolle übernehmen würde. »Erzählen Sie uns mit Ihren eigenen Worten, was passiert ist.«

Jack schluckte. Das hier war sehr viel komplizierter. Er versuchte, die versteckte Videokamera und den kritischen Blick des Detectives zu vergessen. »Ich sollte wohl damit beginnen, dass es mit meiner Ehe in letzter Zeit nicht zum Besten stand. Schon seit einem Jahr eigentlich. Honor war nicht besonders glücklich mit mir.«

»Hatten Sie ein Verhältnis mit einer anderen Frau?« Brinkleys Frage kam wie aus der Pistole geschossen und brachte Jack aus der Fassung.

»Natürlich nicht. Nein. Nie.«

Kovich begann im Hintergrund mit erstaunlicher Geschwindigkeit zu tippen.

»Hat sie sich mit einem anderen Mann getroffen?«

»Nein, nein. Nichts dergleichen. Wir hatten einfach Probleme. Unter anderem trank Honor zu viel, und es wurde immer schlimmer.«

»War sie Alkoholikerin?«

»Ja, Alkoholikerin.« Während des vergangenen Jahres hatte Jack sich immer wieder eingeredet, Honor sei keine Alkoholikerin und trinke nur etwas viel. Als ob das einen Unterschied machen würde. »Wir haben uns immer öfter gestritten. Und heute Abend hat sie gesagt, dass sie die Scheidung will.«

»Wie haben Sie reagiert?«

»Ich habe abgelehnt. Ich war schockiert. Eine Trennung konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Ich liebe sie doch – ich habe sie doch geliebt.«

»Aus welchem Grund hat sie Sie um die Scheidung gebeten?«

»Unsere Meinungsverschiedenheiten liefen immer wieder auf das Gleiche hinaus. Sie glaubte, ich wäre nicht gut genug für sie, sie hätte unterhalb ihres Standes geheiratet.«

Das stimmte. Die wunden Punkte in ihrer Ehe waren ihm so vertraut wie die Schlaglöcher in den Straßen der Innenstadt, und es war immer schwieriger geworden, sie zu umfahren.

Brinkley nickte. »Was löste den Streit heute Abend aus?«

»Wir wollten zusammen zu Abend essen, nur wir beide. Aber ich hatte mich verspätet.« Schuldgefühle erstickten Jacks Stimme, und das war nicht gespielt. Wäre er rechtzeitig nach Hause gekommen, wäre nichts von all dem passiert, und das war noch der geringste seiner Fehler. »Sie war wütend auf mich deswegen und schon betrunken, als ich nach Hause kam. Sie hat mich angeschrien, sobald ich zur Tür herein war.«

»Was hat sie geschrien?«

»Dass ich schon wieder zu spät käme, dass ich nur an mich denken würde. Dass sie mich hasst. Dass ich sie enttäuscht hätte, ihr Leben zerstört hätte.«

Jack suchte die Worte aus den Dauerstreitthemen ihrer Ehe zusammen und rief sich die Einzelheiten des von ihm manipulierten Tatorts in Erinnerung. Er hatte seine Frau tot vorgefunden, als er nach Hause gekommen war, doch sobald ihm klar wurde, wer sie umgebracht hatte und warum, wusste er, dass er es so aussehen lassen musste, als wäre er der Täter. Er hatte sein Entsetzen unterdrückt und alles so arrangiert, dass die Spuren auf ihn als Mörder deuteten, wozu auch gehörte, zwei randvolle Gläser Glenfiddich hinunterzustürzen, für den Fall, dass die Polizei einen Bluttest machte.

»Ich habe mir einen Drink eingegossen, dann noch einen. Ich hatte es gründlich satt. All die Jahre hatte ich versucht, sie glücklich zu machen, aber sie war nie zufrieden. Was dann passierte, war schrecklich. Vielleicht lag es am Scotch. Ich trinke normalerweise nicht viel. Ich wurde fuchsteufelswild.«

»Fuchsteufelswild?« Brinkley legte den Kopf schräg, sein kurz geschnittenes, schon etwas schütter gewordenes Haar ließ die dunkle Kopfhaut durchschimmern. Ein sehr poetischer Ausdruck.

»Fuchsteufelswild, ja.« Jack zwang sich, dabei zu bleiben. »Ich meine, es ging mir auf die Nerven, machte mich rasend. Ihr Schreien, ihre Beleidigungen. Irgendwie ist in mir eine Sicherung durchgebrannt.«

Er dachte an die gefälschten Indizien am Tatort; er hatte ein Kristallglas auf das Parkett geschleudert, wie in einem mörderischen Wutanfall. »Ich habe mein Glas nach ihr geworfen, aber sie hat nur gelacht. Ich konnte es nicht ertragen, dass sie mich ausgelacht hat. Sie hat gesagt, dass sie mich hasst. Und als Erstes würde sie morgen die Scheidung einreichen.«

Jack zermarterte sich das Gehirn auf der Suche nach weiteren Einzelheiten, aber ihm fiel nichts ein.

»Alles, was ich dachte, war: Ich kann das nicht mehr aushalten. Ich hasse ihre Drohungen. Ich hasse sie. Und ich will, dass sie endlich ihre Klappe hält. Also habe ich das Messer genommen.«

»Was für ein Messer?«

»Ein Fleischermesser, ein Henkels.«

Kovich hörte auf zu tippen. »Was ist ein Henkels?«

»Ein teures Spezialmesser für die Küche«, erklärte Brinkley.

Kovich runzelte immer noch die Stirn: »Wie schreibt man das?«

Jack buchstabierte, und Kovich hackte in die Maschine, aber Brinkley wartete nicht auf ihn. »Mr Newlin, wo befand sich das Messer?«, fragte er.

»Auf dem Esszimmertisch.«

»Was macht ein Fleischermesser im Esszimmer?«

»Es lag bei der Vorspeise, einem kalten Filet Mignon. Sie muss es benutzt haben, um das Fleisch aufzuschneiden. Sie liebte Filet. Ich habe das Messer gesehen und vom Tisch genommen.«

»Was haben Sie dann getan?«

»Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll ... das ist sehr schwer für mich. Ich fühle mich einfach furchtbar.« Jacks Gesicht fiel in sich zusammen, die Traurigkeit saß tief, und plötzlich spürte er jede Falte, die die Jahre mit sich gebracht hatten. Er versuchte nicht, seinen Kummer zu verbergen. Es würde wie Reue aussehen. »Ich ... ich ... habe das Messer genommen und sie getötet.«

»Sie haben Ihre Frau erstochen.«

»Ja, ich habe meine Frau erstochen«, wiederholte Jack, erstaunt, dass er die Worte über die Lippen brachte. In Wirklichkeit hatte er das blutige Messer, das aus unerfindlichen Gründen zurückgelassen worden war, aufgehoben und fest in die Hand genommen, um jegliche Fingerabdrücke durch seine eigenen zu verwischen.

»Wie oft?«

»Was?«

»Wie oft haben Sie zugestochen?«

Jack fuhr zusammen. Daran hatte er nicht gedacht. »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich lag es am Whisky, ich war völlig außer mir, wie in Trance. Ich stach immer weiter zu.«

»Dabei gelangte Blut auf Ihren Anzug und Ihre Hände.«

»Ja.« Er sah auf die Spritzer von Honors Blut hinunter, die über seine kornblumenblaue Seidenkrawatte verteilt waren und angetrocknet zwischen seinen Fingerspitzen klebten. Er hatte neben ihr gekniet und sich selbst mit Blut beschmiert. Dabei war ihm so übel geworden, dass er ins Bad rennen musste.

»Hat sie geschrien?« .

»Ich glaube schon. Aber ich weiß nicht mehr, wie laut es war«, fügte er hinzu, für den Fall, dass die Nachbarn verhört würden.

»Hat sie sich gewehrt?«

Ein gallenbitterer Geschmack lag auf seiner Zunge. Er stellte sich vor, wie Honor um ihr Leben gekämpft hatte, wie ihre letzten Minuten von Furcht und Panik erfüllt waren. Als sie merkte, dass sie sterben würde. Als sie sah, wer sie umbringen würde. »Sie hat sich heftig gewehrt, aber ungeschickt. Sie war betrunken. Sie konnte nicht glauben, was da geschah. Dass ich sie wirklich töten würde.«

»Was haben Sie dann gemacht?«

»Ich bin zum Telefon gegangen und habe die Polizei angerufen. Ich habe gesagt, dass ich meine Frau umgebracht habe.« Jack hielt inne. »Moment. Zuerst bin ich noch ins Badezimmer gelaufen und habe versucht, mich zu waschen, aber das Blut ging nicht ganz ab. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wie ich meine Tat verbergen sollte. Ich hatte mir vorher ja nichts überlegt. Ich wusste noch nicht einmal, wie ich ihre Leiche aus dem Haus schaffen könnte. Mir wurde klar, dass ich nicht davonkommen würde. Es gab keinen Ausweg. Ich erbrach mich in die Toilette.«

Brinkleys Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. »Warum wollten Sie sich waschen?«

»Ich wollte das Blut abwaschen. Damit ich nicht gefasst würde.«

»In Ihrem eigenen Bad?«

»Ja, schon.« Jack schwieg einen Augenblick verwirrt, aber Brinkleys durchbohrender Blick zwang ihn zum Weitersprechen. »Wie gesagt, ich war ziemlich durcheinander.«

Brinkley lehnte sich wieder gegen die Wand. »Fangen wir noch mal ganz von vorn an, Mr Newlin. Um welche Zeit sind Sie nach Hause gekommen?«

»Kurz vor acht. Ich hätte schon um sieben da sein sollen, aber ich wurde aufgehalten.«

»Was hat Sie aufgehalten?«

»Ich habe noch mit meinen Partner gesprochen. Dem Geschäftsführer der Kanzlei, William Whittier.« Jack hatte gerade gehen wollen, als Whittier ihn anhielt, um über die Florrman-Rechnung zu sprechen. Es hatte einige Zeit gedauert, bevor er sich loseisen konnte, dann hatte es draußen in Strömen geregnet, und er bekam kein Taxi. Welch bittere Ironie, dass solche banalen Ereignisse Honor an diesem Abend das Leben gekostet und seines unwiderruflich verändert hatten. »Ich hätte wohl anrufen und Bescheid sagen sollen, dass ich später käme, aber ich hielt es nicht für wichtig. Das Mädchen hat montags seinen freien Tag, und wir essen dann meistens spät zu Abend.«

»Wie sind Sie nach Hause gekommen?«

»Ich habe ein Taxi genommen.«

»Was für eines?«

»Kann mich nicht erinnern.«

»Gelb oder illegal?«

»Keine Ahnung. Hat mich nicht interessiert. Der Verkehr war die Hölle.«

Über den Schreibtisch gebeugt nickte Kovich bestätigend. »Der Unfall auf der Vine.«

Brinkley dehnte sich nur gähnend, als wäre er gelangweilt.

»Jemanden wie Sie kriegen wir hier nicht alle Tage herein, Mr Newlin. Wir haben es normalerweise mit Drogendealern, Vergewaltigern und Straßenräubern zu tun. Letztes Jahr hatten wir sogar einmal einen Serienmörder. Aber Ihre Sorte bekommen wir nicht oft zu Gesicht.«

»Was meinen Sie damit, Detective? Ich bin nichts Besonderes.«

»Sie? Aber nein. Sie sind das, was man früher ›einen Mann, der alles hat‹ nannte.« Brinkley rieb sich über seine Brust. »Das ergibt keinen Sinn, was Sie mir da erzählen, Mr Newlin.«

Jack blieb das Herz stehen. Hatte er alles vermasselt? Er presste ein einziges Wort heraus: »Was?«

»Sie sagen, Sie haben Ihre Frau genug gehasst, um sie umzubringen – aber Sie wollten sich nicht von ihr scheiden lassen. So denken Verrückte, aber Sie sind nicht verrückt. Erklären Sie mir das.«

Brinkley verschränkte seine langen, schlanken Arme, und Angst durchfuhr Jack wie ein Stromstoß.

»Sie haben Recht«, sagte er und wählte seine Worte sorgfältig. »Wenn man es so betrachtet, macht es keinen Sinn. Rein logisch gesehen, meine ich.«

»Rein logisch? Aber so betrachte ich die Dinge, Mr Newlin. Das ist die einzig mögliche Art, sie zu betrachten.« Brinkley lächelte freudlos. »Was glauben Sie, wie viele Leute jeden Tag auf diesem Stuhl sitzen und mich anlügen. Keiner von denen ist so gepflegt und so gut gekleidet wie Sie. Aber das heißt nicht, dass Sie nicht auch lügen können. Sie können sogar besser lügen. Sie sind gebildet, Sie finden die richtigen Worte. Das Einzige, was mir hilft zu entscheiden, ob jemand lügt, ist mein gesunder Menschenverstand. Und der sagt mir jetzt, dass Ihre Aussage keinen Sinn macht. Sie ist nicht logisch, um Ihren Ausdruck zu gebrauchen.«

»Nein, das stimmt.« Jack sah auf seine Hände mit Honors Blut daran, und der Anblick war so furchtbar, so unbegreiflich, dass die Gefühle, die er den ganzen Abend unterdrückt hatte, mit ganzer Macht in ihm aufwallten. Trauer, Furcht, Entsetzen. Tränen traten in seine Augen, aber er zwinkerte sie weg und gemahnte sich an seine Aufgabe. »Ich habe eben nicht logisch gedacht, sondern rein emotional reagiert. Auf ihr Schreien, ihre Beschimpfungen. Wahrscheinlich auch auf den Scotch. Ich bin ausgerastet und habe es getan. Zuerst dachte ich noch, ich könnte alles leugnen und das Blut abwaschen, aber ich konnte es nicht durchziehen. Ich habe die Polizei angerufen und die Wahrheit gesagt. Ich habe es getan. Es war schrecklich. Es ist schrecklich.«

Brinkleys dunkle Augen blieben skeptisch, und Jack erkannte seinen Fehler. Reiche Leute verhielten sich nicht so. Sie legten kein Geständnis ab und plapperten alles aus. Sie erwarteten einfach, ungestraft mit einem Mord davonzukommen. Jack, der nie wie ein Reicher gedacht hatte und dies offenbar auch nicht mehr lernen würde, wusste plötzlich, was er zu tun hatte.

»Detective, das Verhör ist hiermit beendet«, sagte er abrupt und richtete sich auf. »Ich möchte meinen Anwalt anrufen.«

Das zeigte sofortige Wirkung. Brinkley funkelte ihn an, sein Mund wurde zu einem grimmigen Strich, und er verfiel wieder in Schweigen. Jack wusste nicht genau, woran er mit ihm war, aber er spürte, dass er sich seiner Gesellschaftsschicht und Brinkleys Weltbild entsprechend verhalten hatte. Nur so konnte er letztendlich die Zweifel des Detectives beseitigen.

Kovich dagegen sackte an seiner Schreibmaschine in sich zusammen, seine schweren Schultern fielen nach vorn, seine Wurstfinger erschlafften auf den Tasten. »Aber Jack, wir können die Sache doch gleich hier und jetzt hinter uns bringen. Würde uns allen das Leben ein wenig erleichtern.«

»Ihnen vielleicht«, sagte Jack und wandte sich hochmütig ab. Er wusste, wie man mit befehlsgewohnter Stimme sprach, er hatte es sich von anderen abgehört. »Ich bestehe auf die Anwesenheit meines Anwalts. Ich hätte ihn sofort anrufen sollen.«

»Aber Sie brauchen doch nur noch Ihre Aussage zu unterschreiben, dann sind wir mit allem hier durch. So ist es für Sie und Ihre Tochter am leichtesten.« Kovichs ernste braune Augen bohrten sich in ihn. »Ich habe selbst Kinder, Jack, und ich weiß, wie das ist. Sie müssen jetzt an Ihre Kleine denken.«

»Nein, ich habe schon zu viel gesagt. Ich will meinen Anwalt sprechen, und dann werden wir uns darum kümmern, Paige zu benachrichtigen. Ich möchte nicht, dass Sie so spät am Abend meine Tochter zu Hause aufsuchen. Das ist Belästigung. Ich werde sie durch meinen Anwalt benachrichtigen lassen.«

Detective Brinkley knöpfte sein Jackett zu.

»Suchen Sie sich ein gutes Sprachrohr, Mr Newlin. Sie haben es nötig«, sagte er. Sein Gesicht war eine professionelle Maske. Damit machte er auf dem Absatz kehrt, verließ das Verhörzimmer und schloss die Tür hinter sich.

Kaum war Brinkley draußen, riss Kovich das Blatt mit einem resignierten Seufzer aus der Schreibmaschine. »Jetzt haben Sie’s geschafft. Sie haben ihn wütend gemacht mit Ihrer Frage nach Ihrem Anwalt. Mick hasst nichts mehr als Anwälte. Abgesehen von Richtern.«

»Aber ich bin selbst Anwalt.«

»Eben.« Kovich lachte sein gutturales Lachen und wandte sich mit unverminderter Freundlichkeit an Jack. »Sind Sie sicher, dass Sie mir nicht Ihr Herz ausschütten wollen? Ich bin der gute Bulle. Ich mag Anwälte. Immobilienmakler sind’s, die ich nicht ausstehen kann.«

»Nein, danke«, antwortete Jack und brachte ein überhebliches Lächeln zustande.

Und wenn du nicht die Wahrheit sprichst

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