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Festschtmuck für die Pferdebox

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Es fiel bald noch mehr Schnee. Kalten, glitzernden Neuschnee wirbelten die Pferdehufe auf, wenn sie trabten oder galoppierten. Die Pferde schnaubten, wenn sie die reine und klare Luft einatmeten.

Wenn meine Schüler vom Pferd purzelten, lachten sie nur und kletterten als kleine Schneemänner wieder auf ihre Ponys. Der Winter war eine herrliche Zeit zum Reiten. Man mußte sich nur warm genug anziehen. Aber natürlich gab es auch viele Probleme …

Heute war der erste Sonntag nach dem Luciafest. Wir hatten die Pferde nach einem Ritt durch den Wald gerade in den Stall gebracht. Ich bürstete immer wieder Silbers Brust, denn wenn er schwitzte, kräuselte sich sein Fell besonders stark.

„Britta, komm schnell! Draußen auf dem Hof steht ein fremder Mann und schimpft fürchterlich.“

Martin war mit hängender Zunge aufgeregt in den Stall gestürzt.

Ich war neugierig und folgte ihm sofort auf den Hof. Dort standen Kicki und einige meiner kleinen Reitschülerinnen um einen wild gestikulierenden Skifahrer herum. Er gehörte schon zum älteren Eisen. Auf seinem Kopf wippte eine ulkige, rote Zipfelmütze hin und her. Er war so aufgeregt, daß er mitsamt seinen riesigen, altmodischen Langlaufskiern auf- und niederhüpfte. Dabei schwenkte er seine spitzen Skistöcke drohend vor den Gesichtern der Kinder. Das sah gefährlich aus.

„Schließlich ist das nicht Ihr Wald“, protestierte Kicki. Sie schien nicht weniger wütend zu sein. Der Skifahrer hatte vor Zorn einen knallroten Kopf und seine Augen blitzten. Er hüpfte auf Kicki zu, als wollte er sie mit seinen Skistöcken erschlagen.

„Seit zwanzig Jahren laufe ich in diesem Wald Ski“, schnaubte er. „Seit zwanzig Jahren hinterlasse ich meine akuraten Skispuren im Schnee. Zwanzig Jahre lang konnte ich ungestört trainieren. Aber jetzt … Ich habe gewußt, was es bedeutete, als diese verdammte Reitschule hierherkam. Eine Brutstätte für Herumtreiber. Jawohl!“

Wieder fuchtelte er grimmig mit seinen Skistöcken vor Kickis Augen. Aber Kicki ließ sich nicht einschüchtern.

„Und wir sind den ganzen Sommer und den ganzen Herbst durch den Wald geritten“, widersprach sie energisch. „Warum sollten wir aufhören zu reiten, nur weil es ein bißchen geschneit hat? Es ist ebensogut unser Wald. Und wir können auch unsere Wege markieren. Merken Sie sich das!“

Der Skifahrer sah aus, als würde er jeden Augenblick in die Luft gehen.

„Was ist denn passiert?“ fragte ich ruhig.

„Wir sind wahrscheinlich in seinen, heiligen‘ Skispuren geritten“, empörte sich Kicki.

„Jawohl, das seid ihr“, schrie der Fremde und zielte jetzt mit seinen Skistöcken auf mich. „Ich sage es zum letztenmal: Niemand hat das Recht, meine Skispuren zu zertrampeln. Wenn ihr das noch einmal tut, dann … dann gnade euch Gott! Unerzogene Herumtreiber! Angeber! Streunt herum und macht alles kaputt. Jawohl!“

„Aber nein“, widersprach ich. „Niemand hat absichtlich Ihre Skispuren zerstört …“

Der Skifahrer regte sich nur noch mehr auf. Es war unmöglich, mit ihm vernünftig zu reden. In seiner Wut stieß er immer neue Beschimpfungen aus. Plötzlich drehte er sich um und hastete über die Felder. Wir atmeten erleichtert auf, als seine rote Zipfelmütze schließlich im Wald verschwand.

„So ein Spinner“, meinte Martin verächtlich.

„Ein lebensgefährlicher Kerl“, kicherte eines der Mädchen. „Ich hatte Angst, er würde uns alle mit seinen ekelhaften Skistöcken aufspießen.“

Kicki machte kein glückliches Gesicht.

„Zu dumm“, sagte sie ärgerlich. „Ich hätte mich beherrschen müssen. Wenn ich wütend bin, sage ich oft etwas, was ich hinterher bereue. Aber er brauchte sich auch nicht aufzuspielen, als gehöre ihm der ganze Wald.“

„Du kannst nichts dafür“, tröstete ich sie. „Er hat sich unmöglich benommen. Er hätte uns doch ruhig bitten können, nicht mehr in seinen Skispuren zu reiten. Dann hätten wir wie erwachsene Menschen vernünftig darüber geredet. Der Wald ist groß genug für Skifahrer und Reiter.“

Kicki regte sich immer noch auf.

„Jeder weiß doch, wie wichtig eine Reitschule für Kinder ist. Sollen sie sich vielleicht lieber auf der Straße herumtreiben? Aber das kann so ein Kinder- und Pferdehasser wohl nicht verstehen.“

„Hoffentlich kommt er nie mehr zurück“, wünschte Martin. Das hoffte ich auch.

„Wir werden seinen Skispuren in Zukunft einfach ausweichen“, schlug ich vor.

Ich hatte noch andere Sorgen. So kurz vor Weihnachten hatten plötzlich viele Kinder keine Zeit mehr zum Reiten. Dadurch bekamen die Pferde weniger Bewegung. Sie wurden unruhig und streitsüchtig. Organdie benahm sich besonders merkwürdig. Sie wurde immer schwieriger beim Reiten. Eines Abends ging sie während des Unterrichts mit einem Kind durch und raste mehrere Minuten über den Übungsplatz. Als sie endlich stehenblieb, rutschte das Mädchen mit kreidebleichem Gesicht verstört aus dem Sattel.

In solchen Augenblicken war es nicht leicht, Reitlehrerin zu sein. Ich nahm Organdies Zügel und schwang mich in den Sattel.

„Sieh mal genau zu. Ich fange ganz ruhig mit einem kurzen Trab an. Ich lasse das Pferd schneller werden. Dann achte ich darauf, daß das Gebiß im Maul beweglich bleibt. Sonst sind die Zügelhilfen zu hart, und das Pferd versucht auszubrechen. Jetzt verfalle ich in einen verhaltenen Galopp. Ich sitze ruhig im Sattel und achte immer wieder auf die Beweglichkeit des Gebisses.“ Organdie beruhigte sich allmählich. Wir galoppierten noch einige Runden.

„Hast du alles verstanden?“ fragte ich.

Das Mädchen nickte. „Ja. Aber ich kann es trotzdem nicht.“

„Das weiß ich“, antwortete ich. „Es genügt nicht, daß jemand einem erklärt, wie man es macht. Reiten kann man nur auf eine Art lernen: Man muß reiten und nochmals reiten. Bis man schmiegsam im Sattel sitzt, bis man die Hilfen richtig anwendet, bis man weiß, wie das Pferd, das man reitet, behandelt werden will … Verstehst du, was ich meine?“

„Schon. Aber es dauert tausend Jahre, bis ich das kann“, seufzte die Kleine niedergeschlagen.

„Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“, tröstete ich sie.

Billy bereitete mir noch mehr Kummer als Organdie. Ich mußte ihn oft reiten und ihm eine Lektion erteilen, wenn er wieder ein armes Kind abgeworfen hatte. Billy hatte sich in den Kopf gesetzt, alle seine Reiter auf ihr Können zu prüfen. Wenn er seinen Reiter nicht gleich beim ersten Versuch loswurde, gab er manchmal auf und verhielt sich lieb und brav bis zum Ende der Reitstunde. Aber meistens gab er sich die größte Mühe, meinen Unterricht zu sabotieren.

Patrik und Rauhbein waren geduldig. Mit Kurre hatte ich auch keine großen Schwierigkeiten. Allerdings war er ein launischer Nordschwede. Er konnte furchtbar dickköpfig und ungehorsam sein.

Während ich mich täglich mit dem Unterricht abmühte, näherte sich Weihnachten mit Siebenmeilenstiefeln. Die Mädchen, die uns als Stallknechte halfen, schmückten den Stall. Sie wetteiferten miteinander. Jede wollte, daß ihr Pferd die schönste und festlichste Box hatte. Sie hängten Glöckchen auf und befestigten Tannenzweige mit Lametta. Auf die Namensschilder klebten sie rote Heinzelmännchen.

Ann half mir, Silbers Box zu schmücken. Sie hängte zwei große, runde Brotkuchen an rote Seidenbänder über die Tür. Frohe Weihnachten, Silber! hatte sie mit roter Glasur darauf gemalt.

„Am Weihnachtsabend schenke ich sie ihm“, erzählte sie stolz.

Der Gedanke an den Weihnachtsabend stimmte mich ein bißchen traurig. Ich würde nicht hier sein. Ann mußte sich allein um Silber kümmern. Ich feierte Weihnachten zu Hause bei meinen Eltern, meiner Schwester Nirre und meinem kleinen Bruder Lasse. Eigentlich war die Reitschule mein Zuhause. Ich hatte mich schon so daran gewöhnt, mein eigenes Leben zu leben.

Es fiel mir schwer, Weihnachtsgeschenke auszusuchen. Ich war so lange von meiner Familie weg, daß ich keine Ahnung hatte, was sie sich wünschten.

Wenige Tage vor Weihnachten fuhr ich in die Stadt. Die Straßen und die Geschäfte waren voller Menschen. Wie sollte ich in diesem Gewühl Geschenke finden? Plötzlich entdeckte ich eine herrliche, cremefarbene Jacke mit einem großen Polokragen. Sie mußte Lasse – ich meine natürlich nicht meinen kleinen Bruder, sondern dem Lasse – zu seinen dunklen Haaren wunderbar stehen. Es wäre verrückt, die Jacke zu kaufen. Sie war viel zu teuer. Und außerdem würde ich nie den Mut aufbringen, sie ihm zu schenken …

Lasse fuhr Weihnachten auch zu seinen Eltern. Er hatte versprochen, mich in seinem Auto mitzunehmen. So mußte ich nicht viele Stunden in einem überfüllten Zug verbringen. War das nicht Grund genug, ihm die Jacke zu schenken? Schnell entschlossen wandte ich mich an einen Verkäufer. So entstand ein tiefes Loch in meinem Geldbeutel.

Mit meinem ersten Weihnachtspaket unter dem Arm stieg meine Laune. Die Geschäfte schienen jetzt voller Geschenke für meine Eltern und für meine Geschwister zu sein.

Das Einkaufen machte mir jetzt richtig Spaß. Und als ich alle Weihnachtsüberraschungen beisammen hatte, ging ich erleichtert und fröhlich nach Hause.

Britta und die Pferde

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