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Eine besondere Weihnachtsüberraschung

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„Versorgst du Silber auch gut?“

„Jaaaa doch“, versicherte Ann.

„Wenn etwas passiert, mußt du mich sofort anrufen. Versprich mir das.“ Ich gab ihr einen Zettel mit meiner Telefonnummer. „Wenn du irgendwelche Probleme hast, kannst du dich jederzeit an Kicki, Thomas oder Hasse wenden.“

„Jaaaa doch“, versicherte Ann noch einmal. „Aber was sollte ich in den paar Tagen für Probleme haben?“

Ann stand mit Striegel und Kardätsche in der Stalltür und strahlte über das ganze Gesicht. Ihr kam es vor, als wäre Silber ganz besonders gut zu pflegen. Ich brauchte mir wirklich keine Sorgen zu machen. Außerdem wollte ich noch vor Silvester zurückkommen.

„Also dann … Adieu! Und fröhliche Weihnachten.“ Ich wäre am liebsten im Stall geblieben.

„Adieu! Fröhliche Weihnachten.“

Ann winkte mir mit der Kardätsche nach. Ich ging zum Auto, in dem Lasse auf mich wartete. Meine Reisetasche hatten wir schon im Kofferraum verstaut, und meine Weihnachtspakete lagen neben Goldie auf dem Rücksitz. Lasse öffnete mir die Tür. Ich trug meinen dunkelblauen Hosenanzug, der mir besonders gut stand. Meinen Kopf wärmte eine herrliche, große, graue Angoramütze, und über meiner Schulter hing eine handgewebte, indische Tasche, die ich in einem winzigen Laden erstanden hatte.

Es machte Spaß, zur Abwechslung einmal sauber und schick angezogen zu sein. Die meisten Menschen trugen jeden Tag saubere, ordentliche Kleidung und kannten nicht die Bequemlichkeit alter, verwaschener Jeans. Sie kamen auch nie in die Nähe eines Stalls, der ausgemistet werden mußte oder eines Ponys, das gestriegelt werden wollte. Ich konnte solche Menschen nur bedauern.

„Was sagst du?“ fragte Lasse und bog in eine schmale Landstraße ein.

„Ach nichts. Wahrscheinlich habe ich laut gedacht … Wer kümmert sich eigentlich um Cayenne?“

„Mein Onkel. Er hat versprochen, ihn jeden Tag für ein paar Stunden auf die Koppel zu bringen.“

„Dann hat er ja genug zu tun. Das Rehlein erfordert bestimmt auch ziemlich viel Arbeit.“

„Ums Rehlein kümmert sich meine Tante“, berichtete Lasse. „Sie hat das Kleine so in ihr Herz geschlossen, daß sie sich das nicht nehmen läßt. Diese Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit. Nach Goldie mag Rehlein am liebsten meine Tante.“

„Und was wird aus Rehlein, wenn es wieder ganz gesund ist?“ erkundigte ich mich.

„Darüber haben wir bisher noch nicht gesprochen“, antwortete Lasse. „Freilassen können wir es wahrscheinlich nicht. Das Rehlein hat die Angst vor den Menschen verloren. Es würde zutraulich dem ersten besten Jäger direkt in die Kugel laufen. Meine Tante möchte es behalten. Sie findet, wir haben Platz genug. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß mein Onkel damit einverstanden sein wird.“

„Hat er immer noch vor, im Frühjahr Zuchtstuten zu kaufen?“

„Das weiß man bei ihm nie so genau. Er spricht wenig darüber.“

Es war herrlich, mit Lasse zu verreisen. Wir hatten uns so viel zu erzählen.

„Hast du eigentlich nie daran gedacht, dir einen Hund anzuschaffen?“ wunderte sich Lasse.

„Doch, oft. Aber ich fürchte, ich habe zuwenig Zeit. Ein Tier muß man richtig erziehen. Schließlich übernimmt man eine große Verantwortung.“

Um Lasses Mundwinkel spielte schon wieder ein verschmitztes Lächeln. Nahm er mich nicht ernst?

„Du brauchst einen Hund“, behauptete er ohne die Augen von der Straße zu lassen. „Du wohnst doch ganz allein auf der Reitschule.“

Ich war glücklich: Lasse machte sich Gedanken über mich, über mein Leben.

„Dann möchte ich einen großen Hund haben. Am liebsten so einen treuen Schäferhund wie Goldie.“

Lasse sagte nichts mehr dazu. Aber seine Augen lachten. Was führte er diesmal im Schilde?

Bis zum Ende der Fahrt überlegte ich krampfhaft, wie ich Lasse die Jacke schenken konnte, ohne rot zu werden. Ich wünschte beinahe, ich hätte ihm nichts gekauft. Lasse konzentrierte sich darauf, das Auto auf der eisglatten Straße zu halten.

Jetzt konnte ich das große, weiße, alte Haus sehen, wo meine Eltern und die Zwillinge wohnten. Es lag auf einer Anhöhe. Dahinter erstreckte sich schweigend ein tiefer, dunkler Tannenwald. Zu Hause, dachte ich. Aber das stimmte nicht ganz. Denn zu Hause, das war auch auf der Reitschule.

Ich bedankte mich für die Fahrt und kletterte aus dem Auto.

Lasse half mir beim Ausladen meiner Reisetasche und der vielen Weihnachtspakete.

„Warte noch einen Augenblick“, rief Lasse. Sein Kopf verschwand im Kofferraum.

„Hier. Ein Weihnachtsgeschenk für dich.“ Lasse überreichte mir ein großes, unregelmäßiges Paket, das in grünes Weihnachtspapier eingewickelt war. Er blickte mich erwartungsvoll an. Jetzt waren seine Augen nicht spöttisch.

„Ich habe auch etwas für dich.“ Erleichtert, daß es so einfach war, gab ich ihm sein Weihnachtsgeschenk. Lasse war überrascht, aber er schien sich sehr zu freuen. Er umarmte mich hastig, flüsterte „Fröhliche Weihnachten“ in mein Ohr und fuhr weg. Ich schaute zum Balkonfenster hinauf. Hatte uns jemand beobachtet? Dann konnte ich mich vor dem Spott der Zwillinge nicht retten. Zum Glück sah ich niemanden.

Weihnachten verlief ruhig und friedlich. Nur Silber fehlte mir sehr. Als ich mir seinen alten Stall anguckte, der jetzt mit nutzlosem Gerümpel angefüllt war, standen mir die Tränen in den Augen. Diesen Stall hatte mein Vater damals selbst gebaut, als ich Silber bekam. Es schien eine Ewigkeit her zu sein.

Meine Eltern schenkten mir einen weißen, zotteligen Fellmantel zu Weihnachten. Ich war sprachlos vor Überraschung.

„Wir dachten, unser armes Kind muß doch schrecklich frieren“, erklärten sie. „Bist du es denn nicht leid, den ganzen Winter draußen zu stehen und Reitunterricht zu geben?“

„Nein“, entgegnete ich. „Ich habe einen wunderbaren Job. Ich bewege mich viel an der frischen Luft. Ich bin wirklich kerngesund. Und dann habe ich mit Kindern und Pferden zu tun. Das war immer mein Wunsch. Einen Job zu haben, den man gern ausübt, ist wohl das größte Glück, das man sich vorstellen kann …“

Das fanden meine Eltern auch.

Ehe ich Lasses Paket öffnete, drehte ich es hin und her, aber ich konnte unmöglich erraten, was es enthielt. Es war richtig spannend. Vorsichtig entfernte ich das grüne Weihnachtspapier und enthüllte ein Durcheinander von hellbraunen Lederriemen und ein Stück Holz, das wie ein Staffelstab aussah. Ich traute meinen Augen nicht: Es war ein Geschirr, um sich auf Skiern von einem Pferd ziehen zu lassen.

Wir waren schon oft hinter Silber Ski gelaufen. Dafür hatte ich ein provisorisches Geschirr gebastelt: ein alter Sattelgurt als Brustriemen, ein Steigbügelriemen kam um den Widerrist, und ein paar besonders lange Zügel dienten als Leine zum Festhalten. Jetzt besaß ich ein richtiges Geschirr aus weichem Leder. Ich hätte es zu gern sofort mit Silber ausprobiert.

Nach dem zweiten Weihnachtsfeiertag rief Lasse mich morgens an und erklärte, er müsse zurückfahren. Er sagte kein Wort über die Jacke. Als er mich abholte, hatte er sie an. Dazu trug er neue, rostfarbene Jeans. Das stand ihm so gut, daß ich ihn bewundernd anstarrte.

„Dein guter Geschmack bezieht sich nicht nur auf Pferde …“, scherzte Lasse und schaute mir lange in die Augen. „Vielen Dank!“ Er lachte – und dann schien das Leben so einfach zu sein.

Auch ich bedankte mich herzlich für das wunderbare Geschirr.

„Hast du etwas dagegen, wenn Nirre mit uns fährt?“ Ich hätte beinahe vergessen, ihn danach zu fragen. „Sie möchte Neujahr bei mir feiern und anschließend mit dem Zug zurückfahren.“

Lasse hatte nichts dagegen. Sie mußte sich nur den Rücksitz mit Goldie teilen.

Meine Schwester und ich waren grundverschieden. Nirre war lang und dünn, hatte schwarze Haare und grüne Augen. Sie bemalte ihr Gesicht wie ein Indianer. Warum weiß ich nicht. Vielleicht um älter auszusehen. Ich war verhältnismäßig klein geraten, hatte blonde Haare und blaue Augen. Ich tuschte mir höchstens ab und zu die Wimpern, wenn ich gerade Zeit und Lust hatte.

Nirre brauchte eine Ewigkeit im Bad. Sie drehte sich die Haare ein, schminkte und manikürte sich und was weiß ich alles. Für mich war das Badezimmer ein unumgängliches Übel, das mich morgens auf dem Weg zu den Pferden nur aufhielt.

Nirre starb tausend Tode, wenn sie sich einen ihrer wohlgefeilten, frischlackierten Fingernägel brach – für mich war das so unwichtig, daß ich nicht eine Sekunde darüber nachdachte.

Können Schwestern sich weniger gleichen als Nirre und ich? Trotzdem freute ich mich darauf, ihr die Pferde, den Stall und meine kleine Wohnung zu zeigen.

„Ich hätte auch gern einen Hund“, überlegte Nirre und kraulte Goldie hinter den Ohren. „Aber ich kenne mich. Spätestens nach vierzehn Tagen wäre er mir lästig.“

„Wie kann dir ein Hund lästig werden?“ fragte ich bestürzt. „Tiere gewinnt man doch lieb.“

„Schon. Aber sie zu füttern und bei Wind und Wetter mit ihnen auf die Straße zu gehen … das mache ich nicht lange mit.“

„Man gewöhnt sich schnell daran, wenn man ein Tier liebhat“, wandte Lasse ein. „Ich möchte Goldie jedenfalls nicht mehr missen.“

Dann verabschiedeten wir uns von Lasse. Ich war wieder zu Hause in meiner Reitschule. Ich zerrte sofort meine Schwester hinter mir her, rannte zum Stall und rief: „Silber! Silber!“

Silber wieherte zur Begrüßung. Das war für mich der schönste Willkommensgruß.

„Wie klein Silber ist“, knurrte Nirre. „Ich hatte ihn viel größer in Erinnerung.“

„Das liegt daran, daß du gewachsen bist, seit du ihn zum letztenmal gesehen hast“, erklärte ich lachend. „Hast du Lust, ihn zu reiten?“

„Ja, gern. Hoffentlich trifft dich nicht der Schlag, wenn du mich reiten siehst. Seit du weg bist, habe ich kein Pferd mehr bestiegen. Du kannst dir also vorstellen, daß …“

Meine kleine Wohnung gefiel Nirre auf Anhieb. In der Küche hatte ich die sommerlichen blauweißkarierten Baumwollgardinen gegen schwere, rote Gardinen ausgetauscht. Dadurch wirkte die Küche warm und gemütlich.

„Wirklich, ein hübsche kleine Wohnung“, urteilte Nirre. „Aber fühlst du dich auf die Dauer nicht schrecklich einsam?“

„Ich habe ja nicht vor, mein ganzes Leben hier zu verbringen.“

„Das beste wäre, du heiratest einen reichen Knaben, der viele Pferde und einen großen Hof besitzt“, schlug Nirre vor.

„Nichts einfacher als das“, antwortete ich bissig. „Ich kenne unheimlich viele reiche Knaben. Ich brauche nur zwischen ihnen zu wählen.“

Nirre wechselte das Thema.

„Was hast du eigentlich Silvester vor?“

„Tja“, antwortete ich zögernd. „Du möchtest sicher ausgehen und tanzen. Andererseits hat der Reitklub vor, einen Neujahrsritt zu veranstalten …“

„Mitten in der Nacht?“ fragte Nirre ungläubig. „Seid ihr verrückt geworden?“

Britta und die Pferde

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