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7.

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Kurz vor halb neun traf Horst Griebsch im KICH ein, im Foyer standen bereits kleine Gruppen von Teilnehmern mit Sektgläsern in der Hand. Griebsch nahm sich ein Glas, das ihm wortlos auf einem Tablett angeboten wurde, lief weiter durch die Halle und schaute sich um. Auf Barhockern an einem Tresen saßen die drei Asiaten, die schon mittags mit ihm am Tisch gesessen hatten. Sie wendeten ihm gleichzeitig ihre Köpfe zu und grinsten. Ob sie sich über ihn lustig machten? Wieso waren die überhaupt hier, die gehörten doch gar nicht zu den Vortragenden! Griebsch tat so, als hätte er sie nicht bemerkt, schlenderte weiter, und sah im hinteren Teil des Foyers Sarah Ferguson in einem engen, roten Abendkleid stehen. Sie unterhielt sich mit ein paar anderen Gästen, darunter Duval und O’Reilly. Diesmal steuerte Griebsch zielbewusst auf die Gruppe zu. Nachdem er auf dem Weg sein Glas Sekt in einem Zug hinuntergekippt hatte, stellte er sich neben Sarah Ferguson. Sie hörte gerade Duval zu, der ihr weitschweifig eine genetische Methode erklärte, aber blickte aus den Augenwinkeln kurz auf Griebsch und nutzte eine Pause in Duvals Redefluss, um Griebsch zu begrüßen. „Ah, it’s you, Professor Griebsch.“ Sie lächelte, als sie sagte: „You might have an answer to my question, now? ” (11)

Griebsch hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit dieser Begrüßung. Er dachte an Sutters Worte und schaute sie entrüstet an. “You know, we are not broadcasting all our methods in public, you certainly would not make too!“ (12) Sarah Ferguson und ein paar andere lachten auf. War es wegen seines Englischs? Jedenfalls machte ihn das nur noch zorniger. Diesmal ließ sich Griebsch nicht abschrecken und mit dem Habitus eines Mannes, der klarstellen will, was Sache ist, fügte er hinzu: „These things are top secret!“

Sarah Ferguson verzog die Winkel ihres hübschen Mundes nach unten und ihre grünen Augen wurden schmal, als sie sagte „You know, if you really had found something, then I knew it long ago!“ (13) Die Übrigen lachten beifällig. Ihr Blick wurde verächtlich, als sie hinzufügte: „Have a nice evening, then.“ Sie wendete sich von ihm weg und schenkte ihre Aufmerksamkeit wieder Duval, der seinen unterbrochenen Vortrag fortsetzte.

Griebsch stand da wie perplex, der Kreis der anderen schloss sich um Sarah Ferguson und schloss ihn aus. Einen Moment stand er wie gelähmt da, dann ging er stracks auf den nächsten Kellner zu, um sich ein neues Sektglas zu nehmen. Als er damit an einen freien Stehtisch ging, war plötzlich Sutter an seiner Seite und prostete ihm zu: „Guten Abend, so sehen wir uns wieder!“

Nach der erneuten Abfuhr war Griebsch in diesem Moment heilfroh, nicht allein herumzustehen. Aus den Augenwinkeln sah er die drei Asiaten auf den Barhockern. Die Vorstellung, dass sie sich über ihn lustig machten, ließ ihn nicht los. Erleichtert sagte er zu Sutter: „Guten Abend, freut mich, Sie wiederzusehen.“ Dann fügte er hinzu: „Übrigens, ich habe Ihren Namen gar nicht in der Liste der Teilnehmer gefunden.“

Sutter schaute ihn belustigt an: „Ja, wissen Sie, das ist auch nicht gut möglich, ich bin erst kurz vor Konferenzbeginn als Teilnehmer nominiert worden und so kann ich gar nicht auf der Liste sein. Außerdem halte ich keinen Vortrag.“

Griebsch hätte ihn gerne gefragt, warum er dann zum Speakers Dinner eingeladen worden war, aber das verkniff er sich. Es erschien ihm zu indiskret und er schwieg. In seine Wortlosigkeit drang Sutters Stimme: „Entschuldigen Sie, ich hatte zufällig gehört, was Sarah Ferguson vorhin zu Ihnen gesagt hat. Wissen Sie, Sarah Ferguson ist in den USA eine einflussreiche Frau. Man sagt ihr nach, sie hätte enge Verbindungen mit der CIA.“

„Woher haben Sie denn diese Informationen?“, fragte Griebsch überrascht.

„Auch ich habe meine Verbindungen“, sagte Sutter, „und gerade deswegen glaube ich nicht, dass die Amerikaner wirklich alles wissen, wie die Ferguson es vorgibt. Die blufft doch nur, um Sie aus der Reserve zu locken.“ Er lachte, nippte an seinem Glas und fügte hinzu: „Es war vernünftig von Ihnen, nicht alle Karten auf den Tisch zu legen. Denken Sie denn Duval, der hier soviel Einzelheiten vorgetragen hat, gibt seine neuen Forschungen preis? Was der da erzählt, das ist doch längst veröffentlicht.“

Griebsch ließ ihn nicht merken, dass er von Duvals Arbeiten noch nie etwas gehört hatte, nickte zustimmend und trank einen Schluck. Dieser Sutter schien eine Menge Hintergrundinformationen zu haben. „Ja, ja, das sehe ich auch so“, hörte Griebsch sich sagen.

Beim Speakers Dinner saßen die zwanzig Vortragenden mit dem Vorsitzenden O’Reilly und den übrigen Honoratioren an einem langen Tisch. Griebsch saß neben Sutter und konsumierte das Rahmenprogramm, das die Veranstalter für ihre Gäste vorbereitet hatten. Zuerst kamen Taiko (14) Trommler, bei deren Auftreten kein Gespräch mehr möglich war. Danach folgte eine Vorführung aus dem No-Theater und zum Abschluss ein Ausdruckstanz, bei dem die Protagonisten mit weiß bemalten Körpern auftraten. Das Gespräch mit Sutter erschöpfte sich auf Small Talk in den Pausen.

Schräg gegenüber von Griebsch saß ein älterer, weißhaariger Herr, der ihm zuprostete. „Sie sind aus dem IEI? Ich bin Knut Larsen vom Karolinska Institut in Stockholm“, stellte er sich vor. „Wir kennen uns nicht, aber ich war vor einigen Jahren als Gast im IEI und kenne Ihren Professor Gerhard Hellman sehr gut. Sind Sie Mitarbeiter in seiner Abteilung? Grüßen Sie ihn herzlich von mir. Ich hoffe, es ist alles in Ordnung mit ihm. Habe mich schon gewundert, warum er nicht hier ist.“ Griebsch verschluckte sich, als ihm Larsen nochmals zuprostete und sagte: „Ich werde bestimmt bald wieder mal im IEI vorbeischauen und sehen, was Sie da so Neues machen. Zum Wohl, Herr …?“

Griebsch nickte stumm und zwang sich, Larsen zuzuprosten. An Hellman wollte er nicht erinnert werden. Er ärgerte sich, weil Larsen annahm, Hellman wäre sein Vorgesetzter, aber so hatte er wenigstens einen weiteren Teilnehmer kennengelernt. „Larsen ist Virologe“, sagte Sutter leise neben ihm. „Er wird morgen einen Vortrag halten, über Pockenviren. Aber die richtig aktuellen Sachen dazu laufen nicht in Schweden, sondern woanders.“

„So, wo laufen die denn?“, fragte Griebsch.

„Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen?“, gab Sutter zurück.

Griebsch musste unbedingt mehr über Sutter herausbekommen. Der Mann wurde ihm langsam unheimlich. Vielleicht gab der auch nur an, dachte er. Aus einer kleinen Ecke seines Kopfes meldete sich eine leise Stimme, die ihm sagte: „Genau so wie du!“, um dann sofort still zu sein, denn Griebsch erteilte ihr fast immer Redeverbot.

Der weitere Teil des Dinners wurde von Yamaguchi bestimmt, der darauf bestand, dass allen Teilnehmern Sake serviert wurde. Nachdem Griebsch drei Schalen davon getrunken hatte, wurde ihm flau im Magen. Zum Glück war es bereits kurz vor elf und die Veranstaltung näherte sich dem Ende. Er verabschiedete sich von Larsen und Sutter und nahm am Eingang des KICH ein Taxi, das ihn für einen unverschämt hohen Preis zum Hotel zurückbrachte. Horst Griebsch ging gleich auf sein Zimmer, es war schon kurz vor Mitternacht und morgen um neun sollte es weitergehen. Ihm war schwindlig und er legte sich für einen Moment angekleidet auf das Bett, seine Gedanken drifteten nach Berlin. Dort war jetzt früher Nachmittag. Seine Frau und seine gescheiterte Ehe kamen ihn in den Sinn. Wahrscheinlich hockte sie wieder bei ihrem neuen Typen. Nach seiner Rückkehr musste endlich die Scheidung durchgezogen werden.

Das Summen der Klimaanlage brachte ihn zum Dösen. Im Halbschlaf schwirrten ihm Gedanken durch den Kopf und die Szene, in der ihn Sarah Ferguson so abgekanzelt hatte. Schließlich schlief er unruhig ein. In seinem Traum stand er der Ferguson gegenüber, die ihn ängstlich anschaute. Er zwang sie mit einem Griff an die Schultern in die Knie, dicht vor ihm. Sie konnte sich seinem Griff nicht entziehen, er hatte sie in seiner Gewalt und er zog ihren Kopf immer näher an sich heran. Sie drehte ihr Gesicht weg und Griebsch sah, dass er nackt war.

Ein aufdringlicher Ton schlich sich in seinen Traum und wurde stärker, bis er durch das Klingeln des Telefons aufwachte. Er bemerkte die Erektion in seiner Hose, als er langsam wacher wurde, entschwanden die Traumbilder und er nahm das Klingeln des Telefons deutlich wahr. Schließlich hob er ab, um mit belegter Stimme: „Hallo“, zu murmeln.

„Hallo, Herr Griebsch? Gerhard Hellman hier. Habe gerade mit Krantz über Sie gesprochen.“ Griebsch schaute auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. Es war sieben Minuten nach zwei. „Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?“ Hellman unterbrach ihn: „Wir erwischen Sie ja sonst gar nicht, Sie scheinen sich in Kyoto ja gut zu amüsieren. Tut mir leid, aber es ist wichtig! Hören Sie, Direktor Krantz lässt Ihnen sagen, dass Sie Frau Dr. Ferguson aus Fort Detrick“, Hellman hustete, bevor er weitersprach: „Die nimmt doch an der Tagung teil, nicht wahr? Also, dass Sie Ihr unsere Grüße ausrichten und Ihr eine Einladung zu einem Vortrag am IEI aussprechen. Die Kosten einschließlich Business Class Ticket übernimmt selbstverständlich das Institut. Haben Sie denn schon mit Dr. Ferguson gesprochen?“

Griebsch blieb die Luft weg. Er stammelte: „Äh ja, ich habe schon mit ihr gesprochen, es ist nicht so einfach an sie heranzukommen, sie hat einen ...“

„Hören Sie, Herr Griebsch, wir verlassen uns auf Sie. Der Kontakt ist für das Institut sehr wichtig und es wird Ihnen ja wohl nicht schwerfallen, Frau Ferguson das auszurichten.“

„Übrigens, ich habe Knut Larson getroffen, soll Sie schön grüßen.“ Griebsch wollte auf ein anderes Thema überleiten, aber Hellman schnitt ihm das Wort ab: „Also, wir erwarten Vollzugsmeldung und einen ausführlichen Bericht nach Ihrer Rückkehr. Und machen Sie mir nicht die Geishas wuschig!“ Hellman lachte schallend über seine Bemerkung und legte auf.

Griebsch lag halb aufgerichtet in seinem Bett, mit dem tutenden Hörer in der Hand, den er langsam auf das Telefon sinken ließ. Es war grausam, auf diese Weise in den neuen Tag geschickt zu werden. Dieser Hellman führte sich auf wie Graf Koks! Griebsch zog seine Kleidung aus und seinen Pyjama an. An Einschlafen war vorerst nicht mehr zu denken und in seinen Überlegungen vollzog er diverse Planspiele, wie er die Ferguson einladen konnte, ohne sich wieder eine Blöße zu geben.

Er stellte sich vor, wie sie höhnte: „Do you want to show me your secrets, Herr Griebsch?”, aber schließlich fiel ihm etwas ein. Er würde sagen, Krantz hätte angerufen und wollte sie einladen, damit sie sich am IEI über die Einzelheiten der Rizinforschung informieren könne. Bei dieser Idee besserte sich seine Laune. Das konnte Sarah Ferguson nicht ablehnen, so scharf, wie sie auf die Einzelheiten zum Rizin war. Eine Weile noch lag er ruhelos im Bett, bis er schließlich einschlief.

Er erwachte vom Geräusch des Weckers, blieb noch einen Moment unentschlossen liegen, um dann aufzustehen und sich unter die heiße Dusche zu stellen. Die Tagung würde gegen 14:00 Uhr zu Ende sein. Es reichte, er hatte genug davon. Um dreiundzwanzig Uhr hatte er seinen Rückflug, der ihn mit Aufenthalt in Singapur nach Hause bringen sollte.

Da es noch sehr zeitig war, konnte er in Ruhe frühstücken und war schon gegen 8:30 im KICH. Einige Teilnehmer waren schon da und nach zwanzig Minuten sah Griebsch Anna mit dem Spanier Hand in Hand das KICH betreten. Anna ließ ihre Augen nicht von ihrem Begleiter. Dass die zusammen im Bett waren, war klar, dachte er und diese Vorstellung gefiel ihm nicht.

Er drehte sich abrupt weg und ging weiter in die Empfangshalle hinein. Dort traf er auf Kerner, mit dem er ein paar Worte wechselte, wobei dieser ihm mit verschwörerischer Mine mitteilte, dass er von Frau Domenescu endlich die geheimen Einzelheiten zum russischen, oder besser gesagt, zum sowjetischen Biowaffenprogramm erfahren hatte. Ob er den Russen gestern gehört habe, das sei doch nackte Erpressung gewesen, oder?

Griebsch nickte geistesabwesend und schielte mit einem Auge zur Tür. Er ließ seinen Blick sorgsam über die Gruppen im Foyer schweifen und antwortete nebenbei mit: „klar, ja, so, interessant, ja, äh.“

In diesem Moment sah er Sarah Ferguson hereinkommen, sie war allein. Die Gelegenheit! Keiner bei ihr, vor dem er sich blamieren konnte. Griebsch ließ den verdutzten Kerner mitten im Satz stehen und stürmte auf Sarah Ferguson zu: „Good morning, Dr. Ferguson.“

Sie schaute ihn überrascht an, mit dem Blick ihrer grünen Augen fiel Griebsch sein Traum wieder ein. Er wurde rot, als er sagte: “Today, I was talking to our director, Professor Krantz. We would like to invite you for a visit at our institute. You could learn more about our ricin projects. Professor Krantz and I would be pleased if you could accept.” (15)

Sarah Ferguson schien guter Laune zu sein, vielleicht interpretierte sie seinen roten Kopf als Reaktion auf ihre gestrigen Bemerkungen: „Oh, it’s a pleasure,” sagte sie und fügte hinzu: “May be I was too aggressive with you, yesterday. But can you imagine what kind of nonsense people talk sometimes? So please excuse and tell Professor Krantz I am happy to visit you at your institute. See you later.“ (16) Sie drehte sich mit einem Lächeln weg, um ihre Jacke zur Garderobe zu bringen. Griebsch war richtig beschwingt. Er ging mit einem Summen auf den Lippen in Richtung Hörsaal, wobei er es schaffte, im Vorbeigehen den Spanier neben Anna scheinbar absichtslos anzurempeln, um mit einer gemurmelten Entschuldigung hastig dem Auditorium entgegen zustreben.

Dort zog es ihn wieder auf seinen alten Platz, der Sitz daneben war schon besetzt. Als Griebsch seinen Nachbarn ansah, erkannte er Sutter.

„Guten Morgen, Professor Griebsch, ich hatte Sie gestern aus dem Auge verloren“, sagte Sutter. Muss heute schon vormittags gegen elf abreisen. Bleiben Sie noch länger in Kyoto?“

„Bis abends, dann fliege ich über Singapur zurück nach Deutschland“, antwortete Griebsch.

„Ah, über Singapur. Sehr schön!“

„Kennen Sie denn Singapur? Ich wollte dort einen Tag Station machen. Es heißt, man kann dort Elektronikartikel sehr günstig einkaufen.“

„Und ob man das kann!“ Sutter nickte vielsagend. „Mehr als günstig sage ich Ihnen. Ich habe in Singapur fast zwei Jahre lang für die WHO gearbeitet. Ist aber ein teurer Platz, was die Hotels betrifft, da ist das Schnäppchen dann doch nicht mehr so billig.“ Er verzog seine Lippen zu einer Grimasse des Bedauerns.

Griebsch wollte sich seine Einkäufe nicht durch teure Hotelkosten verderben. „Kennen Sie denn ein günstiges Hotel, das einigermaßen empfehlenswert ist?

„Hmh“, Sutter überlegte für einen Moment. “Wenn Sie nicht auf zu viel Luxus Wert legen?“

„Nein, es ist ja nur für eine Nacht“, beschwichtigte ihn Griebsch.

„Lassen Sie sich zum Peacock Hotel bringen, nur zwanzig Minuten vom Flughafen mit dem Taxi“, schlug Sutter vor. „Dort bekommen Sie schon ein gutes Zimmer für unter 70 $. Einfach dem Taxifahrer Bescheid sagen, das Peacock ist in Chinatown und die Taxifahrer kennen es alle.“

„Ach, danke. Wirklich, vielen Dank.“ Horst Griebsch freute sich. „Ich hoffe, wir sehen uns irgendwann wieder, vielleicht am IEI, Herr Sutter?“

Sutter schaute ihn mit einem unbestimmten Ausdruck an. „Aber ja. Ich bin sicher, dass wir uns wieder über den Weg laufen werden, die Welt ist doch klein.“

Nach dem Ende des zweiten Vortrags verabschiedete Sutter sich. Horst Griebsch lehnte sich mit dem Gefühl „Wenn alles getan ist, in seinen Sitz zurück. Kurz vor Beginn des vierten Vortrags ging er die Treppen hinunter zum Ausstellungspavillon von Saikan Industries und deckte sich mit Prospekten ein, die ihm ein höflicher Repräsentant der Firma überreichte. Dazu bekam er noch einen Laserpointer geschenkt. In der Kaffeepause schlenderte Griebsch auf Kerner zu, der aber redete mit Frau Domenescu und übersah ihn geflissentlich. „Soll er doch beleidigt sein“, dachte Griebsch. „Der ist nicht wichtig, die wichtigen Leute habe ich kontaktiert.“ Er ging weiter.

Nun langweilte er sich und hatte eigentlich keine Lust mehr, bis zum Ende der Tagung zu bleiben. Aber er musste, weil O’Reilly zum Abschluss noch über zukünftige Arbeitsgruppen und die geplante Folgekonferenz sprechen wollte. Griebsch brachte den Rest der Zeit, die ihm lang vorkam, über die Runden, redete in der Pause mit Larsen und hörte sich zum Schluss die Zusammenfassung von O’Reilly an. Der knochige Vorsitzende verkündete, die Folgekonferenz würde schon in acht Monaten in Sacramento, Kalifornien, stattfinden. Sacramento! Hörte sich gut an, fand Horst Griebsch. Das IEI musste ihn wieder delegieren. Jetzt wo er in die entsprechenden Kreise eingeführt war und ihn jeder kannte.

Inzwischen war es bereits vierzehn Uhr. Nach einem Imbiss, der für die Teilnehmer zum Abschied ausgerichtet wurde, schlenderte Griebsch gemächlich in sein Hotel zurück. Er hatte noch ein paar Stunden Zeit in Kyoto, die er damit verbrachte, durch die Stadt zu bummeln. Schließlich blieb er vor einem Geschäft stehen, in dessen Schaufenster Dutzende von Winkekatzen aller Größen zu sehen waren. Sie hatten die verschiedensten Formen, aber immer eine Pfote zum Gruß erhoben. Unter der anderen Pfote trugen sie eine Art Behälter. Bei manchen Katzen war der Grußarm beweglich und schwenkte mechanisch auf und ab. Griebsch erstand so eine Katze. Der Verkäufer hatte ihm erklärt, sie würde ihm Glück und Reichtum bringen. Nachdem Griebsch noch ein paar Straßen weiter geschlendert war, kehrte er über die Flussbrücke zu seinem Hotel zurück, checkte aus und ließ sich mit dem Taxi zum Bahnhof bringen. Von dort fuhr er mit dem Haruka Express zurück nach Osaka zum Kansai Airport.

Sechs Stunden Flug nach Singapur lagen vor ihm. Er hatte diesmal Glück, die beiden Sitze neben ihm blieben frei. So konnte er es sich gemütlich machen und sogar ein wenig schlafen. Die beiden Konferenztage zogen an ihm vorbei. Er dachte an Erfolge der anderen und nahm sich vor, die nächste Illoyalität von Schneider zum Anlass zu nehmen, um Beatrix Nagel die Leitung der AG-Toxine zu übertragen. Das musste passieren, bevor die Ferguson kam. Schneider sollte mit der Amerikanerin am besten gar nicht erst in Kontakt kommen. Wer konnte wissen, was der ihr sonst noch erzählte? Beatrix Nagel war loyal. Sie schwieg, wenn sie schweigen sollte, und redete nur, wenn man es von ihr erwartete. Loyalität war wichtig. Natürlich musste er selbst manchmal taktieren, seine Leute verstanden das oft falsch. Aber was für ihn gut war, war schließlich auch für seine Untergebenen gut. Selbst wenn die das nicht immer verstanden. Es beirrte ihn, wenn sie nicht mitspielten und ihren eigenen Vorstellungen nachgingen. Ja, Schneider würde er auf diese Gefahrstoff Transport Geschichte setzen, dann gäbe es von dieser Seite her keine unerwarteten Überraschungen mehr. Bei diesem Gedanken schlief er ein und wachte erst wieder auf, als die Durchsage des Piloten die Landung in Singapur in zwanzig Minuten ankündigte.

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