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Berlin, 3. 5. 2011

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Nach einem kurzen Pochen öffnete sich die Tür zu Schneiders Büro. Die massige Gestalt von Frau Gack schob sich wie eine Molluske durch den Türrahmen, um mit der kurzatmig ausgestoßenen Frage: „Stör ich?“, in sein Büro einzudringen.

Diese Frage bedurfte keiner Antwort und Schneider verkniff sich etwaige Bemerkungen. Er brummte etwas, um diese Frau nicht anschreien zu müssen. Unwillig riss er sich aus seiner Recherche zu der Epidemie, die ihn gerade in den Bann gezogen hatte.

„Heute um siebzehn Uhr findet eine Besprechung mit Herrn Professor Vogel statt. Die Seuchenexperten aus unserem Haus werden daran teilnehmen. Es wäre gut, wenn Sie auch kämen“, keuchte Frau Gack.

„Wäre gut, wenn“, hieß in Wirklichkeit, die Teilnahme ist Pflicht. Der Rest des Tages würde anders verlaufen, als gedacht. Nach solchen Besprechungen, die sich ewig hinzogen, war jeder normale Mensch für zwei Stunden geistig und körperlich platt. Ebenso gut könnte ich mich mit billigem Fusel betrinken, dachte Schneider. Der Effekt wäre derselbe, ein dumpfes Gefühl und später Kopfschmerzen. Allerdings ließ man ihm keine Wahl zwischen beiden Möglichkeiten.

Nachdem die Meduse weitergeschwommen war, ging Schneider ins mikrobiologische Labor, um auf andere Gedanken zu kommen. Dort waren seine Assistentinnen Elisabeth und Johanna dabei, die Gurken klein zu schneiden, um sie anschließend in einem Gerät zwischen zwei Metallscheiben zu zerwalken. Der Gurkenbrei wurde in eine Nährlösung gegeben, in der die Bakterien wachsen konnten. Ob die Gurken mit EHEC verseucht waren, würde man erst morgen im Laufe des Tages wissen.

Schneider zog sich, bedrückt durch die Aussicht, stundenlang von irgendwelchen Schwellköpfen berieselt zu werden, in sein Büro zurück. Es blieb ihm noch Zeit, um sich über den EHEC-Keim aus den Brunsbütteler Patientenproben zu informieren. Inzwischen gab es einen Hinweis zum Serotyp. Es handelte sich um EHEC-O104.

Er durchsuchte die Datenbank, ob ähnliche EHEC-Stämme bereits in der Sammlung des Labors vorhanden waren. Er fand ein Kolibakterium mit dem gleichen Serotyp, aber es war kein EHEC. Jedenfalls war klar, dass es sich hier um ein ungewöhnliches Ereignis handelte, mit einem Erreger, der so noch nicht in Erscheinung getreten war. Dass dieser jetzt in Schleswig-Holstein massenweise Leute infizierte, war, gelinde gesagt, ein Phänomen. Seine weitere Suche nach der möglichen Herkunft dieses neuen EHEC erbrachte nicht viel mehr.

Er sah auf die Uhr, es half nichts mehr, die Besprechung war fällig. Er erhob sich mit einer ungewohnten Schwere und ließ sich drei Minuten später genauso schwer auf einen der wenigen freien Stühle im Sitzungsraum nieder. Eingekesselt zwischen Frau Rübsahm, der Seuchenexpertin und Frau Lindenberger, einer wandelnden Schlaftablette, versuchte er verzweifelt weiter nachzudenken, um die wertvolle Zeit irgendwie doch noch nutzbar zu machen.

Inzwischen war es kurz vor halb acht, mehr als zweieinhalb Stunden waren vergangen. Die Sitzung, ein Kantersieg des Hintern über den Geist, zog sich in die Länge. Vogel machte Andeutungen, tat geheimnisvoll, ohne wirklich neue Informationen zu liefern. Er beendete das Meeting so plötzlich, wie es einberufen worden war. Angeblich müsste er noch an einer Telefonkonferenz mit dem RPI teilnehmen. Ob Seiboldt mit von der Partie war? Schneider stocherte in seinen Grübeleien wie in einem Morast, während er durch das abendliche Berlin nach Hause fuhr. Zur Telefonkonferenz hatte man ihn nicht eingeladen, wahrscheinlich gab es da die wirklich neuen Informationen. Vogel und Gack waren anscheinend darauf bedacht, dass Schneider Informationen, wenn überhaupt, nur von ihnen entsprechend gefiltert erhalten sollte.

Zu Hause angekommen, konnte er lange nicht abschalten. Er war allein und verbrachte den restlichen Abend mit weiteren Recherchen im Internet. Außer einer Flut von Pressemitteilungen und nichtssagenden Statements fand er wenig Neues. Das brachte ihn in der Sache nicht weiter. Leo Schneider schlief unruhig in dieser Nacht. Er ahnte, dass die nächsten Tage nicht leicht für ihn werden würden.

EHEC-Alarm

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