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Kiel, 21. 4. 2011

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Nachdem sie gestern Abend mit Dr. Meurer gesprochen hatte, brütete Sybille über das, was sie in den letzten Stunden erfahren hatte. Vieles ließ sich nicht zusammenreimen. Da war diese Patientin mit den Initialen M. L., die möglicherweise mit dem gleichen EHEC-Typ infiziert war, wie Jörg. Sie war nach kurzer Erkrankung an Nierenversagen gestorben. Eine junge Frau, gerade mal dreiundzwanzig Jahre alt! Und Jörg, der fünfundzwanzig Jahre älter war, hatte nichts, keine Beschwerden. Jörg hatte diesen Keim offenbar schnell wieder abgestoßen, seine zweite Stuhlprobe war eindeutig negativ. Sybille traute sich nicht, mit ihm über mögliche Zusammenhänge zu diskutieren. Sie kannte seine Launen zu gut. Jörg mochte es nicht, wenn seine Mitarbeiter zu viel Eigeninitiative entwickelten, besonders, wenn es nicht mit ihm abgesprochen war.

Was soll's, dachte Sybille, die Fast-Food-Bude am Bertholdplatz kam jedenfalls nicht als Quelle für die EHEC-Infektion infrage, die Patientin war Vegetarierin gewesen. Also brauchten sie nichts in dieser Richtung zu unternehmen. Im Gegenteil, sie musste Harald stoppen, damit er nicht seine private Razzia in dieser Frikadellenschmiede durchführte. Sonst müsste sie sich womöglich noch Vorhaltungen von Jörg machen lassen, wieso sie so einen Quatsch angezettelt hatte.

Hoffentlich war Harald noch nicht aktiv gewesen und es war noch nicht zu spät, ihn zurückzupfeifen. Sybille wählte 2929, die Nummer von Haralds Labor. Ines meldete sich. Sybille holte Luft, die sie zwischen ihren fast geschlossenen Lippen ausstieß. Natürlich, Ines war immer zur Stelle, immer im Labor. Die coole Ines! Ines hatte Jörg einfach abblitzen lassen, als er sie mit seiner plumpen Masche anbaggern wollte und trotzdem hatte Jörg sie nicht aus der Gruppe geekelt. Weil er genau wusste, mit Ines hatte er jemanden, die mehr Ergebnisse produzierte als zwei Studenten zusammen und seinen sexuellen Appetit konnte er ja anderswo stillen, dachte Sybille grimmig. Sie hatte damals, als die Reihe an ihr war, sich nicht getraut, ihm nein zu sagen.

„Ich lege Harald eine Nachricht hin, dass du angerufen hast“, sagte Ines, die es kurz machen wollte. Sybille war für sie nicht besonders wichtig und zum Glück konnte Sybille das Gesicht von Ines in diesem Moment nicht sehen.

Harald rief erst nach über einer halben Stunde zurück.

„Wo warst du denn?“, fauchte Sybille ihn an. „Ich muss dich dringend sprechen und du bist während der Arbeitszeit nicht zu erreichen.“

„Spionierst du mir etwa nach?“

Sybilles momentaner Zorn verflog. „Nein, Quatsch! Aber warst du schon in diesem Hamburger-Imbiss?“

„Noch nicht, ich wollte heute nach der Arbeit da vorbeigehen“, sagte Harald.

„Mach das bloß nicht!“, sagte sie.

„Wieso?“

„Das erzähle ich dir nicht am Telefon. Komm nachher mal vorbei, bevor ich Feierabend mache, gebongt?“

Harald war einverstanden. Er kam früher als erwartet, stand in der Tür und schaute Sybille beim Arbeiten zu. „Da bin ich!“

„Weißt du, wo der Chef gerade ist?“, fragte Sybille. Sie wollte vermeiden, dass Jörg, dessen Büro nur zwei Türen weiter lag, sie jetzt überraschte.

„Keine Sorge. Der ist mit Alexander im Seminarraum, die Präsentation für den Ärztekongress in Baltimore besprechen“, sagte Harald.

„Was du alles weißt!“

„Na ja, die beiden sind vorher bei mir vorbeigekommen und haben mich nach den Schmelzkurven gefragt, die ich mit den DNA-Proben von Alexander gemacht habe. Die wollen das da vortragen“, sagte Harald stolz.

„Gut, dann stört der uns hier jetzt nicht. Das ist nämlich ein dickes Ding. Die Patientin mit dem EHEC-O104 aus dem städtischen Krankenhaus ist an plötzlichem Nierenversagen gestorben!“, sagte Sybille.

Harald antwortete nicht. Er starrte Sybille an. Sein Mund stand offen.

„Ich habe den Chef beiläufig gefragt, ob er sie zufällig kennt, aber ...“

„Aber?“

„Er guckte mich nur irritiert an und dann sagte er, auf dem Zettel steht gar kein Name, sondern nur M. L.“.

„M. L.“, buchstabierte Harald nach.

„Und das Geburtsdatum“, sprach Sybille ihren Satz zu Ende.

„Und das Geburtsdatum“, wiederholte Harald leise.

„Sag mal, willst du mich verarschen?“, fragte Sybille, als sie sah, was Harald für ein Gesicht machte.

„Und wie ist das Geburtsdatum?“, fragte Harald, ohne weiter auf sie einzugehen.

Sybille las vor: „16. März 1989!“

„Gib mir den Zettel!“, rief Harald aufgeregt und packte Sybille am Arm.

„Hey! Du wirst ja brutal! Kennst du die Frau etwa?“

„Lass mich den Zettel sehen“, polterte er.

„Nur wenn du mich loslässt“, meinte Sybille ruhig.

„Entschuldige!“

Sybille holte den Einsendeschein und zeigte ihn Harald. Seine Augen irrten über das Papier, flogen hin und her, dann sagte er: „Du, ich brauche eine Kopie davon, bitte Sybille!“

„Du kennst die Frau!“, stellte Sybille fest.

Harald bewegte leicht seinen Kopf. Ob es Zustimmung oder Verneinung war, konnte Sybille nicht sagen. Er hatte sie losgelassen und sie machte ihm die Kopie.

„Weiß nicht genau“, sagte Harald tonlos, als er die Kopie in der Hand hielt. Er faltete das Papier und steckte es sich in seine Kitteltasche. „Du, ich muss mal telefonieren. Wir sehen uns spätestens morgen.“

Kopfschüttelnd sah Sybille ihm nach. Aus Harald wurde sie manchmal nicht schlau. Was war das denn nun schon wieder?

EHEC-Alarm

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