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Boksee, 15. 4. 2011

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Am Freitagmorgen rief Jan gegen sieben Uhr im städtischen Krankenhaus an. Er musste endlich wissen, was mit Marie los war. Gestern hatte er überhaupt nichts weiter erfahren können. Vielleicht war Marie den ganzen Tag zu Untersuchungen gewesen, oder hatte sich ausgeruht. Schwester Angermann hatte Spätdienst gehabt und war nicht zu erreichen. Als Jan nach Marie Lehnert fragte, wurde er weiter verbunden, um schließlich bei einem Stationsarzt in der Nephrologie zu landen.

Dr. Meurer fragte Jan, in welcher Beziehung er zu Marie stand. Jan erzählte zum wiederholten Male die ganze Geschichte. Der Arzt räusperte sich und sagte für einen Moment nichts. Als Jan sich in Erinnerung bringen wollte, hörte er, wie der Arzt sprach: „Herr Heinrich, ich muss Ihnen eine traurige Mitteilung machen. Frau Lehnert ist in der Nacht leider verstorben. Wir haben alles Mögliche getan, um ihr Leben zu retten, aber vergeblich. Frau Lehnerts Eltern haben wir bereits informiert und sie sind auf dem Weg zu uns.“

„Aber was hat Marie denn …“

„Eine tödliche Infektion, mehr darf ich Ihnen aus rechtlichen Gründen nicht sagen, Herr Heinrich. Mein aufrichtiges Beileid zum Tod ihrer Kollegin. Glauben Sie mir, dass …“

Bei den Worten hatte Jan seinen Arm mit dem Hörer sinken lassen und war leichenblass geworden. Er wollte nicht glauben, was er da gerade gehört hatte.

Er musste sofort ins Krankenhaus, mit Maries Eltern sprechen. Nur von ihnen konnte er erfahren, woran sie gestorben war. Ihnen konnte er erklären, dass Marie sich diese Seuche nicht auf dem Hof geholt hatte. Was immer es gewesen war, es kam von woanders. Bei ihnen auf dem Hof stand der Mensch im Mittelpunkt. Er kämpfte mit seinen Tränen. Verdammt, sie konnte doch nicht so mir nichts, dir nichts verschwinden, ohne das einer von der Hofgemeinschaft wusste, was mit ihr geschehen war. Marie hatte wie alle anderen gesund gelebt, seit Monaten kein Fleisch mehr angerührt. Erst, nachdem sie diesen Harald kennengelernt hatte, ging es ihr schlecht. Hatte sie nicht erzählt, dass er in einem Institut arbeitete, wo sie Bakterien genetisch manipulierten? Jan fühlte eine nie gekannte Wut in sich aufsteigen. Schließlich zwang er sich zur Ruhe, um nachzudenken.

Wenn er ehrlich war, ging es Marie, als sie mit Harald zusammen war, besser als zuvor. Vor etwa zwei Wochen hatte sich ihre Stimmung geändert. Sie war blasser und stiller geworden, wahrscheinlich hatten sie da schon Streit. Zumindest hatte Jan das gedacht und insgeheim gehofft, sie würde sich jetzt mehr für ihn interessieren. Aber Marie blieb zurückhaltend, vielleicht aber auch nur, weil sie schon krank gewesen war. Irgendwas mit den Nieren musste es sein, zumindest war sie ja auf so einer nephrologischen Station gelandet. Er musste wissen, was dahinter steckte. Jan schnappte sich die Autoschlüssel, sprang in den Lieferwagen und fuhr los, nachdem er Beate, die er auf seinem Weg zum Auto antraf, kurz erzählt hatte, was geschehen war.

Im Krankenhaus wollten sie ihn nicht auf die Station lassen. Auch wo Marie jetzt war, wollte ihm niemand sagen. Schließlich erfuhr er, dass Maries Eltern vor einer Stunde aus München gekommen waren, um ihre Tochter noch einmal zu sehen. Niedergeschlagenheit breitete sich in ihm aus. Er setzte sich auf eine Bank in die Eingangshalle und wartete. Maries Eltern müssten doch irgendwann wieder herauskommen. Ob er die beiden wiedererkennen würde? Sie waren vor über einem Jahr auf dem Hof gewesen. Er glaubte sich noch daran zu erinnern, dass Marie und ihre Mutter sich ähnlich sahen.

Nach über einer Stunde sah er ein älteres Ehepaar aus einem der Fahrstühle treten, begleitet von einer Ärztin oder Schwester. Der Frau liefen Tränen über die Wangen. Der Mann hatte seinen Arm um ihre Schulter gelegt und drückte sie an sich, fast, als wollte er sie stützen. Für einen Moment war Jan unschlüssig, aber dann war er sich sicher, das waren sie. Er ging auf die beiden zu und stellte sich vor. Die Frau schaute ihn nicht an, aber der Mann erkannte ihn.

„Sie sind von dem Hof, ich erkenne Sie wieder. Ja, Marie war ganz begeistert von ihrer Arbeit und ihrer Hofgemeinschaft.“

Jetzt blickte ihn Maries Mutter zum ersten Mal ins Gesicht und nickte nur stumm.

„Wir hatten in der letzten Zeit nur noch selten Kontakt mit Marie“, meinte ihr Vater. „Sie hatte sich richtig von uns abgenabelt. Der Hof, das war ihre neue Familie.“

„Aber ...“, meinte Jan.

„Das war Maries Entscheidung!“, sagte ihr Vater. „Wir sind Ihnen deswegen nicht gram. Wir wollten, dass es Marie gut geht und dann passiert so etwas Schreckliches ...“ Ihm blieb für einen Moment die Stimme weg.

„Was ist denn nun eigentlich mit Marie gewesen?“, fragte Jan, „uns haben die Ärzte nichts sagen wollen.“

„Marie ist gegen ein Uhr in der Nacht an Nierenversagen gestorben“, sagte ihr Vater. „Die Ärzte sagen, sie hatte Bakterien, die ihren Körper vergiftet haben. Bakterien, die man sich aus Fleisch holt, wenn es nicht richtig gar gekocht ist. Ob Marie gerne Hackfleisch isst, wollten sie von uns wissen. Dabei hat Marie uns das letzte Mal geschrieben, dass sie schon seit einem halben Jahr kein Fleisch mehr anrührt. “

„Das kann ich bestätigen“, sagte Jan, „Bei uns geht das aber so gut wie allen so ...“

„Die Ärzte wissen doch auch nicht alles“, rief Maries Mutter plötzlich heftig. „Vielleicht wollen sie uns auch gar nicht sagen, was wirklich mit ihr los gewesen ist. So ein junger Mensch stirbt doch nicht so plötzlich an Bakterien. Dagegen gibt es doch Antibiotika!“ Sie weinte jetzt.

Jan schlug ihnen vor, mit ihm auf den Hof zu kommen, aber sie lehnten ab. Es würde alles nur noch schlimmer machen, meinte Maries Vater. Das Krankenhaus würde sich um die Überführung ihrer Tochter nach München kümmern.

„Wir melden uns bei Ihnen, falls Sie zu Maries Beerdigung kommen möchten. Marie hätte sich das sicherlich gewünscht.“ Er gab Jan kurz die Hand und nickte stumm, wie zum Zeichen, dass sie jetzt genug geredet hatten. Er drückte seine Frau an sich und beide gingen zum Ausgang.

Auf der Heimfahrt grübelte Jan über das, was die Ärzte Maries Eltern erzählt hatten. Bakterien! Aus nicht gar gekochtem Fleisch! In ihm kochte es. Vom Fleischessen hatte sie das nicht. Hatte Marie nicht erzählt, dass sie in dem Institut, wo ihr Freund arbeitete, mit Durchfallbakterien experimentierten? Einmal hatte sie ihn dort besucht, wahrscheinlich hatte sie sich diese Seuche aus dem Institut geholt. Wenn dieser Kerl wieder anrufen sollte, dachte er. Seine Miene verfinsterte sich, er fühlte den Zorn wieder in sich aufsteigen und fasste einen Entschluss.

EHEC-Alarm

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