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Boksee bei Kiel, 8. 4. 2011
ОглавлениеJan hob überrascht den Kopf, als Clara hinter ihm auftauchte und besorgt sagte: „Jan, ich weiß nicht, was mit Marie los ist. Heute früh hat sie mir gesagt, sie fühlt sich nicht wohl und kann nicht arbeiten“.
Jan überlegte, ob das nicht mit dem Kummer zusammenhing, den Marie seit einigen Tagen mit sich herumschleppte. Er hatte sie darauf angesprochen, aber Marie wollte nicht darüber reden und hatte gemeint, es wäre nichts.
„Weiß auch nicht, was mit ihr ist. Du kannst ja noch mal zu ihr hochgehen und fragen, wie es ihr jetzt geht. Vielleicht möchte sie einen Kräutertee, oder so etwas.“
Clara nickte und verschwand. Nach einer Weile kam sie zurück.
„Marie sieht hundeelend aus, finde ich. Ich meinte zu ihr, wir sollten einen Arzt rufen, aber sie will das nicht. Sie sagt, sie wird das schon wieder hinbekommen. Ich hab ihr einen Tee gemacht. Heute Nachmittag will sie wieder mithelfen.“
Jan grummelte etwas, das Clara nicht verstand. Er hoffte, dass es um Maries Gesundheitszustand nicht so schlimm stand. Im Moment brauchten sie jeden, um die Gemüseernte, die im vollen Gang war, für den Verkauf vorzubereiten. Marie konnte ja leichtere Arbeiten, wie das Verpacken der Sprossen, die morgen zum Hamburger Großmarkt verschickt werden sollten, übernehmen.
Jan mochte Marie mehr, als er es sich zugestehen mochte. Sicher, er war zwölf Jahre älter als sie und mit Clara zusammen, aber trotzdem hatte es ihm einen Stich gegeben, als Marie von ihrem neuen Freund erzählt hatte. Einen aus Kiel, mit dem sie eine Beziehung eingegangen war. Er versuchte, sich diese störenden Gedanken aus dem Kopf zu schlagen und stapelte die Gemüsekisten dabei mit einer Wucht, die dafür nicht erforderlich war.
Am Nachmittag kam Marie herunter in die Packhalle. Blass sah sie aus und sie lief so tranig, fand Jan. Als er fragte, ob es denn ginge, sagte sie nur, sie hätte die ganze Zeit Bauchschmerzen gehabt. Aber jetzt ginge es wieder und sie könnte doch beim Verpacken mithelfen. Ohnehin sei das besser, als im Bett zu liegen und in ihren Körper hinein zu horchen.
„Ok! Wenn du meinst?“, fragte Jan. Marie nickte leicht, aber lächelte nicht.
„Sag mal, hast du Kummer? Willst du mal darüber reden?“, fragte er nach einer Weile so leise, dass nur Marie es hören konnte.
Marie schüttelte kurz den Kopf. Jan sah ihr an, dass sie etwas bedrückte, aber es war klar, dass sie keine Lust hatte, mit ihm darüber zu reden.
„Sind wahrscheinlich bloß meine Tage, die mir zu schaffen machen“, sagte sie, um Jans fragendes Gesicht mit einer passenden Antwort zufriedenzustellen. Dann ging sie zu Pauline und Waltraud, um beim Verpacken mitzuhelfen.
Bevor Jan weiter darüber nachdenken konnte, kam Clara aus dem Haus und rannte quer über den Hof auf ihn zu. „Jan, wir haben gerade ein Fax aus Hamburg bekommen, ein Großauftrag. Dreihundert Kilogramm Sprossenmischung in handelsüblichen Mengen. Aber bis übermorgen muss das alles auf dem Weg sein, sonst wird das nix. Mann! Das ist bei unserer jetzigen Finanzlage die Rettung für uns.“ Clara strahlte und Jan rechnete.
Handelsübliche Mengen, das waren Verpackungseinheiten von einhundert bis zweihundert Gramm. Das hieß, fünfhundert Gebinde mussten bis morgen Abend verpackt und versandfertig sein. Alle, bis auf Horst und Richard, waren jetzt mit dem Verpacken der Sprossen beschäftigt. Jan überlegte kurz, ließ seine momentane Arbeit liegen und reihte sich in die Gruppe ein, die mit den Packarbeiten beschäftigt war. Bald richtete er es so ein, dass er direkt neben Marie stand. Er beobachtete sie verstohlen, als sie ihr Handy herausholte und es nach einem kurzen Blick auf das Display wortlos wieder in ihre Schürzentasche steckte.
„Eine Nachricht von deinem Freund?“, fragte er nach einer Weile, nachdem er sich überwunden hatte, Marie erneut auf ihr Privatleben anzusprechen. Sie blickte ihn mit großen Augen an.
„Entschuldigung, es geht mich ja nichts an!“ Jan versuchte, die Sache gleich wieder abzuwenden.
„Jetzt meldet er sich dauernd, weil ich nichts mehr von mir hören lasse“, sagte Marie müde. Sie war froh, dass es nicht dazu gekommen war, Harald den anderen von der Hofgemeinschaft vorzustellen.
„Aber mir ist das auch ziemlich egal. Ich hab das Telefon jetzt wieder abgeschaltet.“ Sie versuchte ein Lächeln und fasste sich plötzlich mit der Hand an ihren Bauch.
„Geht es dir wieder schlecht?“, fragte Jan besorgt.
„Ach, das geht schon“, sagte Marie. „Ich dachte, es ist vorbei, aber dann hab' ich plötzlich doch wieder so eine Kolik.“
Sie fuhr fort, die Sprossen abzuwiegen. Jan schaute sie skeptisch an.
„Ist schon wieder vorbei.“ Sie lächelte ihn an, jedoch nicht so lange, als dass er sich daraufhin etwas einbilden sollte. Eine Weile stand er noch neben ihr, die ungerührt weiter arbeitete. Dann drehte er sich um und ging zu dem Platz, wo die mit Sprossen gefüllten Kisten standen, um sie versandfertig zu machen. Einige Male drehte er sich noch nach ihr um, aber sie war völlig mit ihrer Arbeit beschäftigt und schaute nicht ein einziges Mal zurück.
Bis zum nächsten Tag hatten sie es geschafft, dreihundert Kilogramm Sprossen zu verpacken und rechtzeitig an den Hamburger Großabnehmer zu verschicken. Ein Geschäft, das den Hof für ein paar Wochen aus seiner Finanzklemme helfen würde. Entsprechend gut war die Stimmung in der Hofgemeinschaft. Jan war zufrieden, dass es Marie wieder viel besser ging. Ihren blassen, melancholischen Gesichtsausdruck hatte sie nicht verloren, aber das führte er auf ihren Liebeskummer zurück. Als er nachfragte, ob sie sich wieder fit fühlte, hatte Marie nur zustimmend genickt. Also teilte er sie mit Günther und Beate zur Arbeit an den großen Trommeln ein, in denen die Samen für die Sprossenzucht mit reichlich Wasser bei Wärme und guter Belüftung auskeimten. Nach ein paar Tagen standen dann neue Keimlinge für den Verkauf zur Verfügung.
Marie liebte diese Arbeit sehr. Zu Anfang hatte sie sich an den intensiven, würzigen Duft der Sprossen und das Arbeiten in ständiger Nässe gewöhnen müssen. Aber nach einer Weile empfand sie das als schön. Es war wunderbar zu beobachten, wie nach ein paar Tagen die Keimlinge ihre winzigen Blätter zum Licht streckten. Dann griff sie zartfühlend mit ihren Händen in diese zerbrechliche Masse kleiner Pflänzchen, um sie von einem Tank in den anderen zu befördern, ohne dass sie dabei kaputt gingen.