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Wüstenspringmäuse

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Mit der Zeit gewöhnte Wirru sich an den Tagesablauf. Er wußte jetzt: Ruhe gab es nur, wo es auch Wasser gab. Dazwischen lagen Hitze und Staub und sengende Sonne und Laufen, immer nur Laufen.

Nur am Morgen, wenn nach kalter Nacht noch kühle Winde die Gräser bogen, spürte er Lust zum Spielen. Dann jagte er mit den anderen Fohlen übermütig über die Weite, trieb sie vor sich her und balgte sich spielerisch mit dem kleinen Hengst. Und die kleine Stute hielt sich immer in seiner Nähe. Abends aber war er nur noch müde.

An diesem Tag hatte die Herde wieder eine große Strecke zurückgelegt. Es war ein beschwerlicher Weg gewesen: über steinige Ödflächen mit verwittertem Geröll und nur spärlichem Grasbewuchs, über Wanderdünen, wo die Hufe tief im Treibsand versanken, vorbei an gebleichten Skeletten und aufgetriebenen Kadavern, über denen Raben kreisten. Und immer trieb der unentwegt wehende Wind feinen Staub in die Nüstern.

Erst als in der Dämmerung sich schattenhaft ein paar Tamarisken abzeichneten, die mit ihren tiefreichenden Wurzeln noch Wasser fanden, begann die Leitstute mit den Vorderhufen im Boden zu scharren. Doch es dauerte lange, bis sie auf Grundwasser stieß.

Wirru lag neben Senja im allmählich kühler werdenden Sand. Geduldig warteten die beiden Fohlen, bis die Großen getrunken hatten; unterwegs hatten sie ja mitunter schon etwas Milch bekommen. Nur Sarru, der kleine Hengst, bedrängte ungeduldig seine Mutter.

Wirru trank nur noch wenig. Vor Müdigkeit fielen ihm immer wieder die Augen zu. Kaum fühlte er sich etwas gesättigt, knickte er mit den Hinterbeinen ein und streckte sich wohlig aus. Die kleine Stute legte sich wieder zu ihm, während ihre beiden Mütter sich wachsam in der Nähe lagerten.

Inzwischen war es völlig dunkel geworden. Selbst die Silhouetten der Tamarisken versanken in der Nacht. Doch die Wüste lebte, war voll unheimlicher Geräusche. In der Nachtkühle wurden die Tagschläfer munter und kamen aus ihren Höhlen. Wirru merkte nichts davon. Nach den Anstrengungen des Tages schlief er tief und fest.

Doch nach einigen Stunden spürte Wirru eine seltsame Unruhe. Zwar hatte er noch nicht ausgeschlafen, aber die bleierne Müdigkeit war verflogen. Schläfrig hob er den Kopf und blinzelte in das bleiche Licht der Mondsichel, die über dem sternklaren Horizont aufstieg. Zunächst konnte Wirru nichts erkennen, nur die schemenhafte Gestalt einer stehend wachenden Stute, die den Hengst abgelöst hatte.

Beruhigt wollte Wirru sich zurücklegen, da vernahm er wieder ein Geräusch. Es hörte sich an wie rieselnder Sand, wie das rasche Aufsetzen eiliger kleiner Füße. Ängstlich lauschte er in die Nacht.

Plötzlich sah er etwas, dicht vor seinen Vorderhufen, etwas sehr Sonderbares: ein hüpfender Schatten, winzig, aber mit großen Ohren. Der Schatten sprang, sprang meterhoch ins Gezweig der Tamariske und klammerte sich fest, seitlich über Wirrus Kopf.

Entsetzt stellte Wirru sich auf die Beine und schnaubte. Dieses seltsame Tier machte ihm angst. Es war eine Springmaus, eine Großohrspringmaus, die in der Nähe ihren Erdbau hatte und auf nächtliche Futtersuche ging. Doch davon wußte Wirru noch nichts. Er hatte noch nie eine Springmaus in der Wüste gesehen. Wirru spürte nur seine Angst vor etwas Unbekanntem.

Im gleichen Augenblick erwachte seine Mutter. Sie war sofort hellwach. Sie kannte das nächtliche Leben in der Wüste, sah den winzigen flinken Schatten im Mondlicht. Und sie erkannte, daß keine Gefahr drohte.

Besänftigend beknabberte sie Wirrus Kopf und Hals. Wirru schnaubte leise vor Behagen. Das zärtliche Knabbern beruhigte ihn. Friedlich legte er sich nieder. Die Wüstenspringmäuse störten ihn nicht mehr, nicht mal im Traum.

Wirru, das Wildpferd

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