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Vertraute Spuren

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Über den Mittagshimmel trieben dunkle Wolken. Es sah nach Regen aus. Aber die Wolken zogen schnell, getrieben vom Wind. Nur wenige Tropfen näßten die Erde, bildeten winzige Krater im trockenen Sand. Mehr Regen fiel nicht. Erst weiter südwärts über der lehmigen Wüste stand eine schmale Regenwand, bis sie nach kurzer Zeit in der Hitze verdampfte.

Doch für wenige Augenblicke war die Luft klarer und ließ die Silhouette einer Bergkette erkennen. In gemächlichem Trab bewegte sich die Wildpferdherde auf die Höhen zu. Der Boden stieg leicht an, wurde steinig mit magerem Gebüsch, durchzogen von Erosionsrinnen.

Wirru lief dicht hinter seiner Mutter. Er achtete darauf, daß ihr Schwanz ständig über seinem Kopf wedelte: Das vertrieb die lästigen Insekten. Und auch er wedelte seinen Schwanz über dem Gesicht der nachfolgenden Stute. Die ganze Herde lief in Kettenformation und schützte sich so gegenseitig gegen die stechenden Plagegeister. Selbst der Hengst am Schluß ließ sich von der letzten Stute bewedeln.

Nur die Leitstute an der Spitze der Herde blieb ungeschützt. Immer wieder schüttelte sie abwehrend ihre kurze Stehmähne, zuckte mit den Ohren. Aber das half nicht viel.

Wie alle Wildpferde besaß die Leitstute eine ausgezeichnete Ortskenntnis. Sie kannte jeden Weg, den sie einmal gegangen war. Und auf dieser Strecke war sie schon oft im Sommer in die Berge gezogen, wo es kühler war und das Gras saftiger. Doch bis dahin war es noch weit.

Plötzlich verharrte sie, hob den Kopf und flehmte: Sie entblößte die oberen Schneidezähne und sog geräuschvoll die Luft ein. Sie hatte etwas entdeckt: einen fremden Geruch. Und auch die anderen blieben stehen und flehmten.

Kampfbereit galoppierte der Hengst an die Spitze, um seine Herde zu verteidigen. Ein fremder Geruch bedeutete immer etwas Unbekanntes, konnte Gefahr bedeuten.

Diesen Geruch aber kannte er. Hier war eine Gruppe junger Hengste gelaufen. Und das waren seine eigenen Söhne, die kurz vor Wirrus Geburt die Herde verlassen hatten und sich mitunter in der Nähe herumtrieben. Von ihnen drohte keine Gefahr. Im Gegenteil: Sie würden bei einem Angriff sogar zu Hilfe kommen. Auch sie waren auf dem Weg in die Bergregionen.

Der Hengst schnupperte aufmerksam. Die Spur roch nicht mehr frisch. Die Junghengste mußten schon vor längerer Zeit hier durchgezogen sein. Mit ein paar Sprüngen erklomm der Hengst eine flache Hügelkuppe und blickte sich um. Nirgendwo zeigte sich eine Bewegung.

Neugierig sog Wirru Luft durch seine Nüstern. Für ihn roch es hier nur nach Pferd. Die älteren Junghengste hatte er ja nicht mehr kennengelernt. Er wußte überhaupt nichts von anderen Pferden, kannte nur die Mitglieder seiner Herde, und er beroch den halbvertrockneten Dung.

Schließlich wurden ihm die Fliegen zu lästig, die summend den Dunghaufen umschwärmten. Unwirsch wackelte Wirru mit den Ohren, schlug heftig aus und versuchte sich mit den Hufen zu kratzen.

In diesem Augenblick bekam er von hinten einen sanften Stups. Der Hengst hatte ihn von der Hügelkuppe aus entdeckt, war zurückgelaufen und hatte ihn mit der Nase fürsorglich vors Hinterteil gestoßen. Säumige Fohlen duldete er nicht. Energisch trieb er ihn vor sich her zur Herde.

Folgsam galoppierte Wirru los und reihte sich hinter seiner Mutter ein. Unter ihrem wedelnden Schwanz fühlte er sich wohler. Und ihre langen Schweifhaare kitzelten angenehm seine Ohren.

Wirru, das Wildpferd

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