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Wirrus erste Nacht

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Ruhe aber gab es noch nicht. Die Leitstute führte die Herde zwischen struppigem Buschholz hindurch über die Hügel in ein schmales Trockental. Dieser Seitenarm eines Flusses füllte sich nur zur Zeit des Hochwassers im Sommer.

Im Abendlicht schimmerten lediglich einzelne Tümpel, glichen rötlichen Spiegeln, umgeben von dürrem Schilf. Das Wasser war klar und kaum salzig. Die Stuten tranken sich satt.

Der Hengst sicherte von einem Hügel herab seine Herde. Erst dann ging auch er zur Tränke.

Nur Wirru interessierte sich noch nicht für Wasser. Nachdem er seine Milch bekommen hatte, beschäftigte er sich mit dem Dung seiner Mutter. Auf diese Weise nahm er die lebenswichtigen Darmsymbiontena auf, schnaubte kurz und beschnupperte dann das raschelnde Schilf.

Plötzlich hoppelte ein Hase an ihm vorbei. Wirru stutzte, machte ein paar zögernde Schritte hinter ihm her. Dabei traf er auf die kleine Stute Senja, die auch dem Hasen nachgelaufen war, gefolgt von ihrer Mutter. Wirru galoppierte ein paarmal spielerisch um die beiden herum.

Doch das schien Wirrus Mutter nicht zu gefallen. Wütend preschte sie heran und drohte mit entblößten Zähnen, und die fremde Stute verschwand mit ihrem Fohlen.

Wirru verstand das nicht. Er wollte doch nur spielen. Aber seine Mutter wußte instinktiv, was sie tat. Sie wollte verhindern, daß er sich der fremden Stute anschloß. Denn noch sah Wirru in jedem fremden größeren Tier seine Mutter, noch war seine Prägung nicht abgeschlossen. Und das würde auch noch eine Weile dauern.

Verdutzt blickte er den beiden nach. Doch als seine Mutter ihn liebevoll beknabberte, vergaß er alles. Folgsam lief er mit ihr zurück zur Herde.

In der Ferne versank die Sonne hinter den westlichen Berggipfeln. Nach der Wärme des Tages wurde es empfindlich kühl. Die Leitstute verließ mit der Herde die Wasserstelle. In der Dämmerung kamen auch andere Tiere zur Tränke. Und das bedeutete Gefahr, vor allem für die Fohlen. Der Hengst lief sichernd am Ende.

Wirru schwankte leicht vor Müdigkeit. Ab und zu stolperte er, stieß gegen Steine und Grasbüschel. Doch seine Mutter achtete darauf, daß er nicht zurückblieb. Sie hielt ihren Platz in der Rangordnung, direkt hinter der Leitstute. Wirru mußte wohl oder übel mitlaufen.

Inzwischen war es fast dunkel geworden. Nur undeutlich hoben sich die Silhouetten einiger Pappeln vom Horizont ab. Es raschelte im Gras zwischen den Büschen. Die Nachttiere, die während der Tageshitze in ihren Erdbauen schliefen, gingen auf Nahrungssuche.

Wirru sah nur ihre flüchtigen Schatten, wenn sie den Hufen der Wildpferde auswichen. Und manchmal scheute er erschrocken. Doch seine Mutter beruhigte ihn.

So näherten sie sich allmählich der Pappelgruppe. Hier stand das Gras dichter. Die Leitstute blieb stehen, wartete, bis auch die letzten der zwölf Tiere herangekommen waren. Der Leithengst blieb abseits, übernahm von einer Bodenwelle aus die erste Wache.

Auch die Leitstute legte sich nicht. Sie ruhte im Stand mit gesenktem Kopf, halbgeschlossenen Augen und zur Seite gedrehten Ohren; hin und wieder schlug sie leicht mit dem Schwanz. Die anderen schliefen flach in Seitenlage, die Beine weit von sich gestreckt.

Nur Wirrus Mutter lag seitlich auf dem Bauch mit untergeschlagenen Beinen. So konnte sie sofort aufspringen, wenn Gefahr drohte. Und sie beobachtete ihr Junges.

Wirru zögerte noch. Doch die Müdigkeit zwang ihn nieder. Langsam knickte er mit den Hinterbeinen ein, ging zu Boden, spürte das feuchte Gras an seinen Flanken. Aber den Kopf behielt er oben, lauschte auf die Stimmen der Nacht. Angst stieg in ihm auf, die Angst vor dem Dunkel. Er schnaubte leise.

Am nachtklaren Himmel sah er das kalte Flimmern der Sterne, hörte das Rauschen des Windes in den Pappelzweigen, das Geräusch ferner kleinfüßiger Schritte. Erst als seine Mutter sich halb aufrichtete und ihren Kopf auf seine schmalen Schultern legte, streckte auch er sich aus. Im beruhigenden Geruch ihres warmen Leibes schlief er ein.

Wirru, das Wildpferd

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