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Am Oberen See

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Ein lauer Maiwind kräuselte die weite Wasserfläche, bewegte sacht das Laub der Bäume am Seeufer. Im Schilfdickicht quakte ein Teichfrosch. Ein Bleßhuhn stieg schwerfällig platschend auf. Und ein Graureiher zog mit ruhig schwingendem Flügelschlag am blaßgrauen Himmel seeabwärts. Sonst war es still. Nur der kleine Waldbach, der unweit einer zerzausten Erle in den See mündete, plätscherte murmelnd über herabgeschwemmtes Gestein.

Langsam wich die Nacht dem beginnenden Morgen. Der Horizont bekam einen lichten Schimmer, ließ schon die Sonne ahnen. Aber noch stand der Mond als bleiche Kugel über dem See, warf einen milchigen Schein über das Wellengekräusel, bis die Dämmerung ihn löschte.

Nun verstummte der Teichfrosch. Zwei langgestreckte elegante Schatten umspielten sich unter Wasser, immer wieder, dann trennten sie sich, ein wenig zögernd. Und ein stumpfschnauziger dunkler Kopf mit enganliegendem Haarkleid durchfurchte die Seeoberfläche und tauchte wenige Meter neben der Mündung des Rautenbachs in die Tiefe.

Geschickt wand sich die Otterfähe in den von Unterwasserpflanzen spärlich umsäumten Höhleneingang, spürte Grund unter den Pfoten und glitt schräg aufwärts in den trockenen, weich ausgepolsterten Wohnkessel. Sie war satt, hatte gemeinsam mit ihrem Gefährten ein Teichhuhn und zwei Schermäuse gefangen und später noch einige kleine Fische. Zufrieden leckte sie sich mit der Zunge über die Schnauze. Dann ringelte sie sich sorgsam um ihre beiden schlafenden Jungen.

Dunkel und warm war es in der Höhle. Das winzige Wesen, das neben einem anderen Jungen in der engen Erdkammer lag, sah die Dunkelheit nicht. Seine Lider waren noch geschlossen. Aber es spürte die Wärme, die vertraute Geborgenheit. Und es spürte die Nähe der zurückgekehrten Mutter.

Leise begann Ruscha zu fiepen. Ihr Bettelruf klang wie der Piepslaut eines Hühnerkükens. Die Otterfähe verstand sofort. Aber noch ehe sie bereitwillig ihre Zitzen bieten konnte, spürte sie eine winzige Pfote tastend an ihrem Bauch. Und auch das andere Junge schob ihr drängend seine kleine feuchte Schnauze entgegen.

Plötzlich bekam Ruscha einen tapsigen Schlag auf die Nase. Ihr Bruder Silm war kräftiger als sie. Ungestüm rangelte er an der mütterlichen Milchquelle. Ruscha piepste ängstlich und wehrte Silms Pfote ab. Jetzt war der Weg frei. Endlich konnte sie in Ruhe trinken.

Sie trank lange. Die Milch schmeckte ihr. Sie fühlte sich wohl und wurde müde. Erschöpft ließ sie das Köpfchen sinken. Ihr Bruder trank noch immer, unersättlich und gierig. Und Ruscha schlief ein.

Doch da spürte sie eine feuchte Zunge in ihrem Gesicht. Und eine sanfte, große Pfote wälzte sie herum, während die Zunge über ihren kleinen Körper leckte. Ruscha mochte diese Zunge. Es war ein warmes, zärtliches Gefühl. Und als die Zunge schließlich aufhörte, blieb das Gefühl von Zärtlichkeit.

Ihre Mutter schnurrte leise. Liebevoll umschloß sie die Kleinen ringförmig mit ihrem Körper und dem geschmeidigen Schwanz und legte ihren Kopf und die Vorderpfoten über sie. So waren sie geborgen für den Schlaf.

Gegen Abend hob die Fähe lauschend den Kopf. Oben vor dem Luftschacht ertönte ein leiser Pfiff. Diesen Pfiff kannte sie. Es war ihr Gefährte, der Vater der Kleinen. Er rief sie. Aber sie schätzte es nicht, wenn er der Kinderstube zu nahe kam, auch wenn er die Höhle sicherte und manchmal noch Futter brachte, wie er es kurz nach der Geburt getan hatte, als sie den Bau nur selten verließ. Nur als sie mit Schmerzen angstvoll in den Wehen lag, hatte sein Pfiff sie ein wenig getröstet. Jetzt aber störte sie seine Neugier.

Außerdem knurrte ihr Magen. Es war lange her, seit sie etwas zwischen die Zähne bekommen hatte: Tagsüber ließ sie ihre Kinder jetzt nie allein.

Mit geschmeidigen Bewegungen wand sie sich aus dem Bau. Der Rüde wartete oben neben der Erle, nahe beim Luftschacht. Weiter traute er sich nicht. Wütend fauchte sie ihn an. Und der Rüde zog sich zögernd zurück, glitt langsam ins Wasser. Doch seine Lockrufe verstummten nicht.

Die Fähe beruhigte sich wieder. Sie hatte ihn vom Bau vertrieben, das genügte. Dann folgte sie ihm in den See. Nur ein paar Luftbläschen verrieten ihre Spur.

Ruscha, der Fischotter

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