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Ruscha und Silm

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Als Ruscha einige Tage später zum erstenmal die Augenlider hob, sah sie zunächst nicht viel mehr als einen fahlen Schimmer, der durch die Öffnung des Luftschachts zwischen den Erlenwurzeln hereinfiel. Das war ein seltsames Erlebnis, denn bisher kannte sie nur das Dunkel. Allmählich aber gewöhnten ihre Augen sich an das schwache Dämmerlicht. Und sie wurde neugierig.

Unbeholfen hob sie ihr Köpfchen. Vor ihr lag ein großes, warmes, pelziges Etwas. Und das duftete sehr angenehm. Diesen Geruch kannte Ruscha: Das war ihre Mutter, wo sie Milch fand, Wärme und Zärtlichkeit. Und daneben lag noch ein kleineres Pelzwesen: das duftete ein wenig anders. Und das war es auch, das sie mitunter stupste, wenn sie bei ihrer Mutter trinken wollte. Ruscha schnupperte aufgeregt. Und ihre kleinen Pfoten tapsten dabei gegen das weiche Fell.

Mit einemmal rührte sich das kleinere Wesen. Ihr Bruder Silm fühlte sich im Schlaf gestört. Unruhig wälzte er sich hin und her. Dann hob auch er den Kopf. Ruscha sah seine kleinen runden Augen, die sie aufmerksam anblickten. Und sie erschrak, als er seine winzige Schnauze aufriß.

Aber Silm gähnte nur. Er hatte schon einen Tag vor Ruscha die Augen geöffnet. Er kannte sich bereits aus. Und jetzt wollte er eigentlich nur schlafen. Mit einem leisen Fieplaut wälzte er sich auf die andere Seite.

In diesem Augenblick erwachte die Fähe. Die Unruhe im Bau hatte sie geweckt. Und sie musterte aufmerksam ihre Jungen. Dabei verdeckte sie mit ihrem großen Körper den Schimmer aus dem Luftschacht. Nun war es wieder fast so dunkel wie zuvor. Und Ruscha verkroch sich am Bauch ihrer Mutter.

Eine Weile lag sie so. Doch sie schlief nicht. Immer wieder hob sie ihr Köpfchen und suchte nach dem hellen Schimmer. Doch der blieb verschwunden. Schließlich bekam sie Hunger und stupste ihre Mutter Milch fordernd gegen den Bauch.

Ruscha schmatzte genießerisch. Das Geräusch machte auch ihren Bruder munter. Noch etwas verschlafen stieß Silm ihr seine Nase ziemlich unsanft in den Magen. Ruscha piepste erschrocken und ließ einen Augenblick die Zitze los. Dabei lief ihr die Milch in den Schnurrbart. Und sie leckte danach.

Inzwischen hatte Silm gemerkt, daß er an der falschen Stelle suchte. Unwirsch wälzte er sich herum. Und Ruscha bekam einen Tritt von seinen Hinterpfoten vor die Schwanzwurzel. Sie fiepte empört. Doch Silm kümmerte sich nicht um sie. Er wollte nur seine Milch. Erst als er eine Zitze gefunden hatte, konnte auch Ruscha weitertrinken.

Endlich hatte sie genug Milch im Bauch. Satt und zufrieden schloß sie die Augen. Ihre Mutter jedoch zog prüfend Luft durch die Nüstern. Im Kessel roch es nicht sehr gut. Da die Kleinen den Bau noch nicht verlassen konnten, mußte sie hier selbst für Sauberkeit sorgen. Und die war jetzt dringend nötig.

Plötzlich fühlte Ruscha sich von zwei großen Pfoten vorsichtig gepackt und von oben bis unten abgeschleckt, immer wieder, von der Nasenspitze bis zum Schwanz und vor allem am Bauch. Das war wie ein Spiel, sehr angenehm und kitzelte ein bißchen und tat sehr gut. Und Ruscha hielt ganz still.

Dann kam ihr Bruder dran. Doch Silm war dagegen. Er war noch immer nicht satt, hatte nur auf das Ende von Ruschas Putzerei gewartet. Ungebärdig versuchte er, sich den Pfoten seiner Mutter zu entwinden und nach einer Zitze zu schnappen.

Die Fähe zuckte zusammen. Die spitzen Milchzähne des Kleinen taten ihr weh. Und als Silm weiter so ungestüm drängelte, stieß sie ihn weg. Das mochte Silm gar nicht. Er strampelte wütend. Aber es half alles nichts. Erst mal wurde geputzt. Und Silm knurrte unwirsch.

Ruscha hatte sich vorsichtshalber in eine Ecke des Wohnkessels verzogen. Hier war sie einigermaßen sicher vor Silms strampelnden Pfoten. Aber sie vermißte die Wärme ihrer Mutter. Sie fiepte leise. Und als ihre Mutter mit Silm fertig war, kam sie zu Ruscha und tröstete sie liebevoll. Doch sie blieb nicht.

Enttäuscht starrte Ruscha in das Dunkel der Höhle. Kein Schimmer mehr fiel durch die Öffnung des Luftschachts. Die Dämmerung hatte eingesetzt. Von irgendwo oben hörte sie einen leisen Pfiff. Und ihre Mutter wurde unruhig.

Mit einemmal vernahmen die beiden Kleinen ein seltsames Geräusch. Es klang wie das schwache Plätschern von Wasser. Die Fähe hatte den Kessel durch den Ausgang zum See verlassen. Doch das wußten die beiden nicht.

Sie spürten nur, daß sie allein waren. Langsam kroch Ruscha zu Silm hinüber, um sich an seinem kleinen Körper zu wärmen. Jetzt war Silm ganz friedlich. Er mochte die Wärme seiner Schwester und ihre vertraute Nähe. Auch er wollte nicht allein sein. Und so trösteten sie sich beide gegenseitig in ihrer Einsamkeit.

Ruscha, der Fischotter

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