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Ausflug ins Freie

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Von nun ab brachte die Fähe von ihren Jagdzügen immer ein paar appetitliche Happen mit in den Bau. Meist spielten die Kleinen erst ein bißchen damit, bevor sie zu lutschen und vorsichtig zu knabbern begannen. Und manchmal blieb schon ein Stückchen zwischen ihren Zähnen, das sie gierig hinunterschlangen.

Die beiden hatten immer Hunger. Und mitunter wurden sie von der Milch schon nicht mehr richtig satt, obwohl ihre Mutter genau darauf achtete, daß jeder die gleiche Portion bekam. Dann waren sie froh, wenn sie zusätzlich noch etwas zu knabbern erhielten.

Ruscha lutschte besonders gern. Silm aber konnte schon ganz gut knabbern. Immer wieder versuchte er, ihr die besten Brocken wegzuschnappen. Dann balgten sie sich. Doch meist blieb Silm der Sieger.

An diesem Abend jedoch kam die Fähe ohne Beute. Und sie kam nicht durch die Röhre vom See, sondern durch den Luftschacht, den sie sorgfältig erweitert hatte. Dabei bekam Silm einen Erdbrocken auf die Nase.

Verdutzt blickte Ruscha ihrer Mutter entgegen. Und sie wunderte sich noch mehr, als die Fähe sich mit einemmal über sie beugte und sie mit den Zähnen vorsichtig am Nackenfell packte. Aber sie hielt still, hing wie ein lebloses Fellbündel zwischen den scharfen Zähnen. Sie hatte Vertrauen zu ihrer Mutter, die sie nun durch den Luftschacht nach oben trug. Dabei wurde es immer heller. Plötzlich setzten die Zähne sie behutsam ab. Und Ruscha saß zwischen knorrigen Wurzeln im Gras.

Wie gebannt blieb Ruscha sitzen. Sie merkte gar nicht, wie ihre Mutter verschwand und kurz darauf mit Silm wiederkam. Mit weit geöffneten Augen musterte sie die sonderbare Welt außerhalb der Höhle. Das alles sah so ganz anders aus als im Wohnkessel. Und es roch auch anders.

Zwar hatte die Dämmerung schon eingesetzt, aber noch war es hell genug. Der See schimmerte wie ein matter Spiegel durchs Gebüsch. Bäume und Sträucher am Ufer warfen riesige Schatten. Grashalme und Blütenkelche wippten im Abendwind. Und dicht vor Ruschas Nase krabbelte ein großer schwarzer Käfer.

Ruscha fiepte leise. Diese Welt war ihr unheimlich. Ängstlich drückte sie sich an den warmen Leib ihrer Mutter. Die Fähe jedoch richtete sich auf den Hinterbeinen auf und schnupperte sichernd in den Wind. Verblüfft starrte Ruscha zu ihr hoch. So hatte sie ihre Mutter noch nie gesehen.

Silm aber knurrte und zwickte seine Mutter ungeduldig in den Schwanz. Jetzt ließ sich die Fähe wieder auf die Vorderpfoten herab, doch sie legte sich nicht hin. Langsam ging sie weiter. Und die Jungen folgten ihr, zögernd und noch ein bißchen wackelig, denn sie waren das Laufen nicht gewohnt. So machten sie ihre ersten Schritte ins Unbekannte.

Ruscha hielt sich dicht bei ihrer Mutter, krabbelte unbeholfen über Wurzeln und bemooste Steine. Seltsame Gerüche drangen ihr in die Nase. Und die Geräusche fremder Tiere erschreckten sie. Aber sie folgte tapfer ihrer Mutter.

Verwundert blickte sie sich um. Mäuse rannten quietschend in ihre Löcher, als sie die drei Otter kommen hörten. Ein Igel tapste gemächlich durch raschelndes Laub; ihn interessierten die Otter nicht. Und aus der Tiefe des Waldes tönte der unheimlich klingende Ruf eines Waldkauzes.

Ein Geräusch jedoch übertönte alles andere: ein murmelndes Plätschern. Die Fähe hatte waldeinwärts einen kleinen Bogen geschlagen und näherte sich nun dem Bachufer. Von hier führte eine Otterspur zum Waldbach zwischen Sumpfgräsern und Schilf. Nur eine Stelle nahe einem von der Strömung abgeschliffenen großen Stein, hinter dem sich das Wasser in einer flachen Mulde sammelte, lag frei. Doch weiter ging die Fähe nicht.

Inzwischen war es fast dunkel geworden. Am wolkenlosen Himmel zeigten sich die ersten Sterne. Silm stupste seiner Mutter energisch gegen den Bauch. Auch Ruscha spürte Hunger. Und ihre kleinen Pfoten taten weh vom Laufen.

Die Fähe wußte, was ihren Kindern fehlte. Sie wandte sich zurück zum Bau. Und es war nicht nötig, die Kleinen in den Wohnkessel zu tragen. Sie fanden ihren Weg allein durch die Röhre: zuerst Silm, dann Ruscha. Und erst in der warmen Geborgenheit der Erdhöhle gab es Milch.

Ruscha, der Fischotter

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