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b) Herrschaftspräsentation und Reichsstruktur
ОглавлениеWeil die Kommunikation in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens durch das persönliche Gegenüber und durch demonstrative Handlungen, Zeichen, Gesten und Rituale bestimmt war, hatte die Darstellung des königlichen Rangs zentrale Bedeutung für die Herrschaftsordnung des 10. Jahrhunderts. In der aktuellen Diskussion wird häufig der sich anbietende Begriff der „Repräsentation“ vermieden, weil damit zumeist Phänomene verbunden werden, die ihre charakteristische Ausprägung im antiken Kaisertum, am absolutistischen Fürstenhof und im Rahmen neuzeitlicher Staatlichkeit erfahren haben. Offener erscheint demgegenüber der Begriff der „Präsentation“, der den Akzent auf die öffentliche Darstellung und den demonstrativen Ausdruck des herrscherlichen Rangs und Anspruchs legt, ohne einen Fürstenhof nach spätmittelalterlichem und neuzeitlichem Vorbild oder eine größere politische Öffentlichkeit modernen Zuschnitts als Foren solcher Darstellung vorauszusetzen.
Die Herrschaftspräsentation der Ottonen fand einen Schwerpunkt in den liturgischen Festen der Kirche. Seit Heinrich I. wurde das Osterfest in Quedlinburg gefeiert, seit der Errichtung des Magdeburger Bistums folgte dort zumeist die Feier des Pfingstfestes; erst Heinrich II. ließ Quedlinburg zurücktreten zu Gunsten Merseburgs oder seiner Bistumsgründung Bamberg. Die feierliche Präsentation bei Hoftagen und kirchlichen Festen war keine bloße „Außendarstellung“. Sich mit königlichem Glanz zu präsentieren, die Huldigung der Großen entgegenzunehmen, in königlicher Freigebigkeit Gunst und Huld zu erweisen, das entsprach den Erwartungen, die an den König gerichtet wurden, und machte einen großen Teil von Wesen und Wirkung des Königtums aus. Deshalb war es ein wichtiges Anliegen des Königs, seiner Herrschaftspräsentation überhaupt Raum zu verschaffen; umgekehrt lässt die räumliche Verteilung königlicher Präsenz Schwerpunkte der Grundlagen sowie der Wirkung und Akzeptanz königlicher Herrschaft erkennen.
Die Veränderungen im Itinerar des Königs zeigen einen allmählichen Wandel der Herrschaftsstruktur an: Ostsachsen war ein Zentralraum der ersten drei ottonischen Könige, die sich daneben vor allem auf dem Reichsgut am Niederrhein und im Rhein-Main-Gebiet bewegten. Erst Otto III. bezog auch Schwaben stärker in sein Itinerar ein, seit Heinrich II. verteilen sich die Stationen des Herrschers über das ganze Reich.
Reisekönigtum und Itinerar Der König des 10. und 11. Jahrhunderts hatte keine feste Residenz, sondern zog im Reich umher. Die Itinerarforschung untersucht die Stationen des Reiseweges, die sich aus den Ortsangaben von Urkunden sowie historiographischen Angaben ermitteln lassen, und versucht, mithilfe von weiteren Überlegungen, etwa zur Reisegeschwindigkeit, die Aufenthaltsdauer für bestimmte Orte und Räume festzustellen. Daraus lassen sich Schwerpunkte der herrscherlichen Präsenz ermitteln. Aufschlussreich ist ferner, welche Räume der Herrscher nicht aufsuchte und wohin Adelige aus diesen Gegenden reisen mussten, um etwa königliche Urkunden entgegenzunehmen.