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f) Christianisierung und Kirchenorganisation
ОглавлениеDie Christianisierung der Slawen wurde im Wesentlichen als eine organisatorische Frage verstanden: An den zentralen Burgorten der Heveller und Redarier, Brandenburg und Havelberg, gründete Otto I. im Jahr 948 elbslawische Bistümer. 968 oder 972 kam das Bistum Oldenburg im Gebiet der Abodriten dazu, im südöstlichen Bereich fungierten Merseburg, Zeitz und Meißen als Suffragane der neuen Kirchenprovinz Magdeburg. Die größte Aufmerksamkeit galt offensichtlich der Errichtung christlicher Kirchen und kirchlicher Strukturen sowie der Eintreibung der entsprechenden Abgaben. In diesem Rahmen behielt die slawische Bevölkerung offenbar die Möglichkeit, ihren paganen religiösen Kult weiterzuführen. Davon zeugen nicht nur spätere Berichte Bischof Thietmars von Merseburg über die slawischen Angehörigen seines Bistums, sondern auch archäologische Befunde, die auf ein Nebeneinander von Kirchen und heidnischen Kultstätten hinweisen.
Auch bei den slawischen Fürstentümern im Osten des Reichs wurde die Christianisierung als Angelegenheit der Herrscher verstanden. Wohl im Zusammenhang einer kurzen Zeit der Verbindung mit den přemyslidischen Nachbarn, die in der Heirat mit der böhmischen Fürstentochter Dobrawa († 977) gipfelte, leitete Mieszko I. mit seiner Taufe die Christianisierung seines Herrschaftsbereichs ein. Die wichtigsten böhmischen Fürsten hatten noch unter karolingischem Einfluß in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts das Christentum angenommen; der Prager Fürst Wenzel I. wurde sogar als Märtyrer verehrt, obwohl er nicht im Zusammenhang religiöser Auseinandersetzungen, sondern aufgrund familiärer Rivalitäten getötet worden war.
Aus neuzeitlicher Perspektive hat man Mission und Christianisierung der Slawen häufig als integrierende Faktoren im Rahmen einer mehr oder weniger planmäßig betriebenen Expansion des ottonischen Reichs nach Osten gewertet. Solche raumgreifenden Expansionsabsichten lassen sich aber ebensowenig belegen wie die politische Instrumentalisierung der Christianisierungsbemühungen. Bei der Ausbreitung und Organisation des kirchlichen Lebens in ihren Herrschaftsbereichen rekrutierten die slawischen Fürsten vor allem das kirchliche Personal in der ottonischen Nachbarschaft. Eine wichtige Rolle spielte dabei zunächst das Bistum Regensburg, dem vielleicht auch Jordanus (968–984) entstammte, der erste, wohl mit der böhmischen Fürstentochter Dobrawa gekommene Bischof im Herrschaftsbereich Mieszkos. Vor allem nach der Gründung des Magdeburger Erzbistums beteiligten sich auch Kleriker aus Sachsen am Aufbau der neuen Kirchen, darunter Unger, der als Bischof spätestens um die Jahrtausendwende in Posen residierte. Es läßt sich nicht voraussetzen, dass die slawischen Fürsten von Beginn an darauf hätten abzielen müssen, eine eigene Kirchenorganisation in der Form selbständiger Bistümer oder gar einer „landeskirchlich“ fungierenden Kirchenprovinz zu schaffen. Vor allem gibt es keine Belege dafür, dass solche organisatorischen und kirchenrechtlichen Bemühungen mit Absichten der ottonischen Herrscher hätten konkurrieren müssen, die gesamte kirchliche Organisation des Ostens in der Kontrolle der Reichskirche zu halten.
Nicht die ottonischen Herrscher, sondern die Bischöfe zeigten sich wohl bei der Christianisierung und der Errichtung neuer kirchlicher Strukturen besonders darum bemüht, die eigenen Zuständigkeiten zu wahren. Als im Zusammenwirken von böhmischem Fürsten, Kaiser, Papst und Bischöfen zwischen 968 und 976 die ersten böhmischen Bistümer in Prag und einem nicht mehr feststellbaren Ort in Mähren gegründet wurden, bedeutete das weder eine Schmälerung der Reichskirche noch einen Affront gegen die ottonische Oberherrschaft über das böhmische Fürstentum. Geschädigt sah sich vielmehr der zuvor für Böhmen zuständige Regensburger Bischof, während der Mainzer Erzbischof zwei neue Bistümer für seine Kirchenprovinz gewann, wodurch er wohl nicht zuletzt für die Einbußen entschädigt wurde, die er durch die Gründung einer neuen Kirchenprovinz in Magdeburg erlitten hatte.