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c) Kaiser, Bistumsgründer, Familienpatriarch

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Der liturgische Rahmen der Kaiserkrönung findet in der aktuellen Forschungsdiskussion besondere Beachtung. Der übliche Lesungstext des Festtages verweist auf den „Gesalbten des Herrn“ als das „Licht, das die Heiden erleuchtet“: Hatte man also bewusst diesen Tag ausgesucht, um Otto als Christus domini und Heidenbekehrer zu inszenieren (Ernst-Dieter Hehl)? Solche Überlegungen bleiben spekulativ; konkretere Anhaltspunkte für die Perspektiven, die Papst und Kaiser mit der Krönung verbanden, bieten die im Umfeld ausgestellten Urkunden. Schon in den folgenden Tagen wurde das Zusammenwirken beider auf einer Synode demonstriert, deren Ergebnis in einer Papsturkunde vom 12. Februar formuliert wurde (s. Quelle). Unter Hinweis auf Ottos Verdienste im Kampf gegen die Heiden erlaubte der Papst die Gründung einer neuen Kirchenprovinz im Osten des ottonischen Reichs mit dem Erzbistum Magdeburg als Metropole und Merseburg als zugeordnetem Bistum (Suffragan). Vor allem auf diese konkrete Weise wollte Otto die mit dem Kaisertum, aber auch schon mit dem christlich verstandenen Königtum verbundene Aufgabe der Glaubensverbreitung erfüllen. Die Verbindung mit dem Papst bot ihm jetzt die ideale Voraussetzung, seinem schon länger verfolgten Ziel näher zu kommen; der Einspruch der betroffenen Bischöfe verzögerte freilich weiterhin die Umsetzung des im Jahr 967 erneuerten und präzisierten päpstlichen Privilegs.

Die päpstliche Erlaubnis zur Gründung des Erzbistums Magdeburg Johannes XII., Rom, 12. Februar 962, hrsg. von H. Zimmermann, Papsturkunden 896–1046, Wien 21988–1989, S. 282f.

Nun aber ist mit Gottes Fügung unser teuerster und christlichster Sohn König Otto, nachdem er Barbarenvölker, nämlich die Avaren und zahlreiche andere, besiegt hat, zum höchsten und universalen Stuhl (der Kirche) gekommen, dem wir mit Gottes Hilfe vorstehen … Diesen haben wir mit väterlichem Gefühl aufgenommen und zur Verteidigung der heiligen Kirche Gottes mit dem Segen des heiligen Apostels Petrus zum Kaiser gesalbt … der genannte allerfrömmste Kaiser Otto hat uns, nachdem er jüngst bei den Slaven, die er selbst besiegt hat, den katholischen Glauben begründet hat, beschworen und eindringlich gefordert, dass die Schafe, die er selbst für Christus gesammelt hat, nicht wegen des Fehlens eines Hirten durch die Hinterlist der alten Schlange zu Schaden kommen sollten.

Der Papst war vor allem daran interessiert, dass der Kaiser die seit dem Bündnis zwischen dem Karolinger Pippin († 768) und Papst Stephan II. († 757) traditionelle Schutzfunktion für die römische Kirche und das Papsttum wahrnahm, ohne die Herrschaftsrechte des Papsttums in Rom und Italien zu beschränken. Dazu hatte man dem heranziehenden König die Privilegien vorgelegt, die seine karolingischen Vorgänger für den Papst ausgestellt hatten. Im so genannten Pactum Ottonianum vom 13. Februar, das noch heute im vatikanischen Archiv aufbewahrt wird, bestätigte der neue Kaiser die entsprechenden Vereinbarungen: Neben dem Dukat von Rom wurden der ehemals byzantinische Exarchat von Ravenna und die so genannte Pentapolis im Nordosten, die langobardischen Herzogtümer Spoleto und Benevent in Mittelitalien und verschiedene weitere Gebiete bis zu Sizilien und Korsika als päpstlicher Herrschaftsbereich anerkannt. Wie schon zu karolingischen Zeiten handelte es sich dabei allerdings größtenteils um Gebiete, die weder Kaiser noch Papst jemals besessen oder aktuell in Besitz hatten; die kaiserlichen Zugeständnisse waren also mehr oder weniger unverbindliche Absichtserklärungen für eine ungewisse zukünftige Entwicklung, angeregt wohl auch durch eine eigens im Umkreis des Papstes angefertigte und Otto wohl als Original vorgelegte Prachtausfertigung der so genannten Konstantinischen Schenkung.

Konstantinische Schenkung (constitutum Constantini) Im 8. oder frühen 9. Jahrhundert in Rom entstandene Fälschung, nach der Konstantin der Große († 337) dem Papst Sylvester I. († 335), der ihn nach älteren Legenden vom Aussatz geheilt hatte, aus Dankbarkeit die ganze westliche Hälfte des römischen Reichs übertragen hätte. Im Vorfeld der Kaiserkrönung Ottos I. wurde im Umkreis des Papstes das vermeintliche Original der Urkunde angefertigt und dem künftigen Kaiser vorgelegt. Davon unterrichtete man später Kaiser Otto III., der das Dokument daraufhin beanstandete. In der Folgezeit beriefen sich die Päpste ohne weiteren Widerspruch auf die Konstantinische Schenkung; erst den Humanisten gelang der philologische Fälschungsnachweis.

Im Gegenzug zu den Versprechungen des Kaisers wurde auch sein zukünftiger Einfluss in Rom im Ottonianum fixiert: Der nach kirchlichem Recht von Klerus und Volk gewählte Papst sollte fortan vor der Weihe jeweils einen Treueid auf den Kaiser ablegen. Dass die beiderseitigen Verpflichtungen nicht nur Einvernehmen ausdrücken, sondern auch berechtigtes Misstrauen und Unsicherheit beider Seiten, davon zeugt eine Jahrzehnte später vom Merseburger Bischof Thietmar (1009–1018) überlieferte Anekdote: Während der Krönungszeremonie habe Ottos Schwertträger Ansfried sein Schwert schützend über das Haupt des Kaisers gehalten, aus Angst vor der „Untreue“ der Römer.

Wie berechtigt solche Vorbehalte waren, erfuhr Otto, als er den Kampf gegen Berengar und seinen Sohn Adalbert († 966) wieder aufnahm: Schon im Frühjahr 963 verbündete sich Johannes XII. mit diesem und nahm mit Byzantinern und vielleicht sogar Ungarn Kontakt auf. Zusammen mit Adalbert musste der Papst aber schon bald vor dem ottonischen Heer aus Rom fliehen, wo eine Synode im Beisein des Kaisers über ihn zu Gericht saß. Erhoben wurde ein neuer Papst, Leo VIII. (963–965), der aber nach dem Abzug des Kaisers aus Rom vertrieben wurde. Der von den Römern 964 erhobene Gegenpapst Benedikt V. wurde im selben Jahr nach Ottos erneutem militärischen Eingreifen wiederum auf einer Synode seines Amtes entkleidet, zum Diakon degradiert und nach Hamburg ins Exil gebracht. Ein solches Verfahren war allerdings kirchenrechtlich problematisch, und noch Thietmar von Merseburg überliefert uns entsprechende Vorbehalte, zumal Benedikt persönlich untadelig erschien und im Ruf der Heiligkeit im Exil starb.

Dass der Kaiser trotz der weiterhin problematischen Situation in Italien – der kaiserfreundliche Papst Johannes XIII. (965–972) wurde in Kampanien gefangen gesetzt, Adalbert kämpfte weiter um die Königskrone – Ende 965 ins nordalpine Reich zurückkehrte, hatte wohl nicht zuletzt das Ziel, sich im Glanz der neuen Würde zu präsentieren. Das geschah etwa bei einem Hoftag in Köln im selben Jahr, wo ein „internationales Großfamilientreffen“ (Stefan Weinfurter) die Mitglieder der Königsfamilie vereinte: Neben dem Kaiserpaar, dem jungen König Otto II. und der Kaisermutter Mathilde noch Ottos Bruder Brun, den mit herzoglicher Vollmacht über Lothringen ausgestatteten Erzbischof von Köln, sowie Ottos Schwester Gerberga, Witwe des Karolingers Ludwig IV., mit ihren Söhnen, dem westfränkischen König Lothar (954–986) und seinem Bruder Karl († nach 991). Vor allem die Konflikte der karolingischen Brüder waren zu regeln; dabei kam weniger eine politisch zu definierende Hegemonie Ottos gegenüber dem Westfrankenreich als die überragende Autorität des Kaisers und „Familienpatriarchen“ (Odilo Engels) zur Geltung (s. Quelle).

Das Kölner „Großfamilientreffen“ Vita Mathildis antiquior c. 11, hrsg. v. B. Schütte, MGH SS rer. Germ. 66, 1994, S. 133.

Nach dem Sieg über Latium kehrte der Kaiser in die Heimat zurück und wandte sich nach Köln, wo sein Bruder Brun Erzbischof war; dorthin ließ er die Mutter mit seinem Sohn, dem König, und der schönen Jungfrau (Ottos Tochter Mathilde) kommen. Auch die Königin Gerburg, seine Schwester, und die ganze königliche Nachkommenschaft beiderlei Geschlechts kamen dort zusammen, um einander in Liebe zu begegnen. Das geschah, wie wir annehmen, auf göttlichen Ratschluss, denn danach sahen sie sich nicht mehr im irdischen Leben.

Noch dringender war aber wohl Ottos Anliegen, die Magdeburger Bistumspläne voranzutreiben, denen der betroffene Bischof Bernhard von Halberstadt offensichtlich erbitterten Widerstand entgegensetzte. Der war noch nicht überwunden, als Otto auf einen Hilferuf Johannes’ XIII. hin erneut und jetzt für insgesamt 6 Jahre nach Italien ging. Die Gegner des Papstes wurden hart bestraft; anschließend wandte sich der Kaiser nach Süden und nahm die Huldigungen der langobardischen Fürsten von Benevent und Capua entgegen. Das führte zu harschen Reaktionen des byzantinischen Kaisers, der seinerseits die Hoheit über diese Gebiete beanspruchte. Zwischen beiderseitigen Drohungen und kleineren militärischen Operationen wurden Gesandtschaften ausgetauscht, darunter die erfolglose, aber kulturgeschichtlich bedeutsame des hochgebildeten italienischen Historiographen und Bischofs von Cremona, Liudprand († ca. 970). Dessen ausführlicher Gesandtschaftsbericht spart nicht mit abwertenden und ironischen Urteilen über Kultur und Gebräuche des byzantinischen Hofes, vermittelt aber gleichwohl wertvolle Detailinformationen.

Eine Entspannung des Verhältnisses ergab sich aus der Ermordung des Basileus Nikephoros Phokas im Jahr 969. Sein Nachfolger, Johannes Tzimiskes (969–976), ging jetzt auf die Brautwerbung des Westkaisers ein und sandte seine Nichte Theophanu († 991) nach Italien, die allerdings nicht als Prinzessin im Purpursaal des Kaiserpalastes von Konstantinopel geboren worden war. In Vorbereitung einer solchen, jetzt als allein standesgemäß empfundenen byzantinischen Heirat war der junge König Otto II. schon am Weihnachtstag 967 in Rom zum Mitkaiser erhoben worden. Bei der Heirat im Jahr 972 wurde seine Gemahlin Theophanu vom Papst zur Kaiserin gekrönt: fortan konnte sie als consors imperii oder coimperatrix bezeichnet werden. Stellung und Ausstattung waren ihr in einer im Vorfeld ausgehandelten Urkunde garantiert worden, deren prachtvolle Ausführung den imperialen, am byzantinischen Vorbild orientierten Repräsentationsanspruch des ottonischen Kaisertums ebenso bezeugt wie die Fähigkeit herausragender ottonischer Schreiber und Buchmaler, byzantinische Anregungen mit spätantiken und karolingischen Traditionen zu verschmelzen.

Von Italien aus hatte Otto I. in der Zwischenzeit auch die Magdeburger Pläne realisieren können, allerdings erst, als zu Beginn des Jahres 968 mit Wilhelm von Mainz und Bernhard von Halberstadt die entschiedensten Gegner des Projektes verstorben waren. Mit dem Abt von Fulda, Hatto, konnte Otto einen engen Vertrauten zum Erzbischof von Mainz erheben (968–970); der erwählte Nachfolger Bernhards in Halberstadt, Hildiward (968–995), musste die Unterstützung der Magdeburger Gründung versprechen, bevor er in Rom den Bischofsstab aus den Händen des Kaisers empfangen konnte. Beide Bischöfe nahmen an einer Synode in Ravenna teil, auf der die endgültige Regelung der Metropolitan- und Diözesangrenzen zur Kenntnis genommen wurde. Zum ersten Erzbischof von Magdeburg wurde der gescheiterte Russenmissionar Adalbert (968–981) erhoben, wohl nicht der Kandidat des Kaisers, sondern sächsischer Kreise.

Die neue Metropolitankirche sah einen letzten Höhepunkt der Herrschaft Ottos, der dort den Palmsonntag des Jahres 973 feierte und damit wohl auf eine Provokation des sächsischen Herzogs Hermann Billung reagierte. Der hatte sich im Jahr zuvor wie ein König vom Erzbischof empfangen lassen, vielleicht, um den Kaiser an die Notwendigkeit herrscherlicher Präsenz in Sachsen zu erinnern. Das Osterfest in Quedlinburg, das von zahlreichen Gesandten naher und ferner Reiche aufgesucht wurde, demonstrierte nochmals die wiederhergestellte Eintracht, aber auch den Rangunterschied zwischen dem Kaiser und seinem sächsischen Gefolgsmann der ersten Stunde, bevor beide als Letzte ihrer Generation starben: der Herzog noch in Quedlinburg, der Kaiser am 7. Mai in Memleben. Bestattet wurde Otto an der Seite seiner ersten Gemahlin Edgitha im Dom von Magdeburg, dessen Klerus fortan für das liturgische Gedenken des Bistumsgründers zuständig war.

Ottonen und Salier

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