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b) König und Kirche

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Die herausgehobenen Positionen der Kirche, Bistümer und Reichsabteien, konnten ebenfalls zum Objekt adeliger Familieninteressen werden oder als Träger eigener Ansprüche und Erwartungen dem König gegenübertreten. Weil Bistümer und bedeutende Klöster seit karolingischer Zeit vom Königtum mit reichem Besitz ausgestattet worden waren und herrschaftliche Rechte wahrnahmen, mussten die Reichskirchen dem Herrscher im Gegenzug das servitium regis leisten. Zudem beanspruchte der König die grundsätzliche Verfügungsgewalt über die Ämter des Bischofs oder Abtes. In der Rechtstradition der Kirche war diese Kompetenz des Herrschers nicht vorgesehen, sie hatte sich vielmehr in der frühmittelalterlichen Praxis ergeben, analog zum Institut der Eigenkirche. Die Mehrzahl der Bistümer östlich des Rheins war seit der frühen Karolingerzeit von fränkischen Königen gegründet worden, weshalb die Könige wie adelige Eigenkirchenherren Herrschaftsrechte über die Bischofskirchen beanspruchten. Bis ins frühe 11. Jahrhundert nahm niemand daran Anstoß, die Bischöfe sahen vielmehr ihre besondere Würde und Stellung in der Herrschaftsordnung gerade dadurch garantiert, dass sie, wie es Thietmar von Merseburg formulierte, allein vom König eingesetzt werden konnten, der „durch den Glanz seiner Krone alle Sterblichen überragte“. Das hinderte die führenden Gruppen der Bischofskirchen allerdings nicht daran, im Einzelfall das Recht, den Bischof zu wählen, auch gegen den König zu verteidigen; dabei berief man sich allerdings in der Regel nicht auf das allgemeine Recht der Kirche, sondern auf spezielle Privilegien, die der König selbst erteilt hatte.

Servitium regis ist im strengeren Sinn die Beherbergung und Beköstigung des Königs und seines Gefolges (Gastung), die von den Königsgütern und seit Heinrich II. vor allem von den Reichskirchen geleistet wurde. Im weiteren Sinn konnten andere Pflichten im Königsdienst, z.B. die Heerfolge oder die Übernahme von Gesandtschaften durch Bischöfe, darunter verstanden werden. Nicht den unwichtigsten Aspekt des kirchlichen Königsdienstes bildete das Gebet für König und Reich, das den Herrschaftserfolg des Königs, aber auch sein religiöses Heil einschloss.

Früher hat man gelegentlich angenommen, dass Otto der Große diese Voraussetzungen genützt habe, um die Reichskirche, die Gesamtheit der unmittelbar dem König unterstellten Bistümer und Abteien, zu einem exklusiven Instrument königlicher Macht und zum Gegenpol des weltlichen Adels auszubauen. In diesem Zusammenhang ist zuerst vom „ottonisch-salischen Reichskirchensystem“ gesprochen worden. Demgegenüber hat die neuere Forschung festgestellt, dass auch die Reichskirche in das grundlegende Miteinander von Adel und Königtum einbezogen war. Die vielfachen politischsozialen Integrationsleistungen der Kirchen lassen sich allerdings auch als „System“ beschreiben, das sich aber nicht aufgrund herrscherlicher Planung, sondern im komplexen Zusammenspiel von König, Adel und Kirche ausgebildet hat.

Seit Ottos Bruder Brun als Erzbischof von Köln und Erzkanzler die Hofkapelle leitete, wurden immer öfter ehemalige Kapelläne zu Bischöfen erhoben. Diese stammten aber zumeist aus dem hohen Adel und wirkten nach ihrer Erhebung oft zusammen mit ihren Familien und in deren Herrschaftsbereich. In dieser Perspektive erscheinen Reichskirche und Adelsherrschaft nicht als Gegensatz, vielmehr dürfte die Ausbildung von Adelssöhnen verschiedener regionaler Herkunft in der Hofkapelle zur Integration des Reichs beigetragen haben. Bischöfe, die nicht über familiäre Beziehungen und Rückhalt in ihren Diözesen verfügten, sondern aus anderen Regionen stammten, hatten es trotz der Unterstützung des Königs zumeist schwer, sich durchzusetzen. Erst Heinrich II. erhob häufiger solche ortsfremden Bischöfe; zu seiner Zeit stellten die ehemaligen Hofkapläne etwa ein Drittel der Bischöfe, also eine zahlenmäßig bedeutende Gruppe innerhalb des Episkopats. Ohnehin war der König bei der Vergabe von kirchlichen Positionen mit den gleichen Ansprüchen und Erwartungen konfrontiert wie bei der Vergabe von Herzogtümern und Grafschaften. Sogar der erste Erzbischof von Magdeburg, Adalbert, war wohl nicht der Kandidat des kaiserlichen Bistumsgründers, sondern des regionalen Adels. Auch die Privilegierung von Klöstern, denen Immunität (s.S. 52) und das Recht der freien Abtswahl verliehen wurde, lässt sich nicht als Ergebnis umfassender königlicher Planung verstehen, sondern muss in vielen Fällen wohl als Antwort auf Bitten und Ansprüche der einzelnen Institutionen verstanden werden.

Bischöfe und Äbte wurden durch die Ausstattung mit Besitz und Herrschaftsrechten zu wichtigen Herrschaftsträgern im Reich. Für den König waren besonders die militärischen Kontingente wichtig, die von Bischöfen und Reichsäbten gestellt wurden. Dazu wurden die Kirchen durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Grundherrschaften befähigt, die etwa Ausbildung und Unterhalt spezialisierter Panzerreiter ermöglichte. Die Traditionen der Schriftkultur, die in der Kirche nicht vollständig abgerissen waren und seit Mitte des 10. Jahrhunderts mit neuer Intensität gepflegt wurden, kamen auch der Verwaltung der Kirchen und ihres Besitzes zugute, weshalb die kirchlichen Grundherrschaften zumeist intensiver genutzt wurden als die weltlichen.

Die Wirtschaftskraft zumindest der größeren Diözesen führte zum Aufblühen der Bischofsstädte. Um die Jahrtausendwende wetteiferten Bischöfe wie Willigis von Mainz oder Bernward von Hildesheim nicht nur beim mehrfachen Neubau der Domkirchen miteinander; durch die Gründung von Klöstern oder Stiften, häufig auf Eigenbesitz der Bischöfe, entstanden ganze Sakrallandschaften, die das Stadtbild vieler Bischofsstädte prägten. Einträgliche Markt-, Münz- und Zollrechte förderten den wirtschaftlichen Aufschwung der Bischofsstädte, die häufig von Marktsiedlungen umgeben waren.

Das herrschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Engagement der Bischöfe stand nicht im Gegensatz zu ihren liturgischen und pastoralen Aufgaben; die möglichst prachtvolle Ausstattung einer Kirche und das Bestehen im Wettbewerb mit anderen Bischofskirchen wurde als eine Aufgabe verstanden, die man den Traditionen und besonders den Heiligen der Kirche schuldig war. Auch wenn viele Bischöfe daneben als Gründer von Klöstern oder Stiften gewissermaßen im eigenen Namen tätig wurden und sich dadurch ebenso wie der König und vermögende Adelige besonderen himmlischen Lohn sichern wollten, traten ihre pastoralen und liturgischen Aufgaben nicht in den Hintergrund. Die Lebensbeschreibungen einzelner Bischöfe der Zeit vergessen diese Felder nicht, wenn sie die ideale Lebensführung des Bischofs darstellen; besonders eindrucksvoll wird etwa in der Vita Ulrichs von Augsburg geschildert, wie rastlos der Bischof durch seine Diözese reiste, um Sakramente zu spenden und die Kirchen zu visitieren.

Kritik am weltlichen Dienst der geistlichen Herren und an ihrer häufigen Abwesenheit aufgrund der Reisen im Gefolge oder im Auftrag des Königs finden wir nur selten; allerdings sah sich ein Angehöriger des vom Kölner Erzbischof Brun gegründeten Klosters St. Pantaleon veranlasst, die einzigartige Stellung Bruns als Bischof und Herzog von Lothringen zu verteidigen. Darin kommt aber vermutlich keine grundsätzliche Kritik am „Reichskirchensystem“ zum Ausdruck, vielmehr gab es wohl lokale Vorbehalte gegenüber dieser übermächtigen, als Erzbischof und Königsbruder singulären Gestalt.

Ottonen und Salier

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