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Zum Verhältnis von innerer Imitation nach Lipps und einer gestörten kognitiven Empathie

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Nun mag es sein, dass für die Fähigkeit der kognitiven Empathie in der Tat – so wie es Lipps schon vor über 100 Jahren gedacht hat – eine innere Imitation von kritischer Bedeutung ist. So sind etwa die sensorischen Grunderfahrungen autistischer Menschen oft deutlich anders geprägt als die nicht-autistischer Menschen (Tebartz van Elst 2018). Bei vielen schizophrenen Menschen sieht es sehr ähnlich aus, so lange sie sich in der psychotischen Phase befinden.

Und so könnte es sein, dass die unterschiedlichen sensorischen Grunderfahrungen bei psychischen Störungen von viel weitreichenderer Bedeutung für die darauf basierende Fähigkeit zur kognitiven Empathie sind als gedacht. Dies könnte die Beobachtung erklären, dass etwa autistische Menschen sich untereinander deutlich besser verstehen als mit nicht-autistischen Menschen. So ziehen sich autistische Menschen etwa bei Stress typischerweise zurück und wollen allein gelassen werden, während nicht-autistische Menschen Trost und die Nähe anderer suchen. Ein autistischer Mensch würde typischerweise den Versuch, ihn nach einem Streit durch Körperkontakt zu trösten, schroff ablehnen, was dann von nicht-autistischen Menschen oft als feindliche Ablehnung fehlinterpretiert wird. Als Reaktion darauf kommt es nicht selten zu Vorhaltungen, Unterstellungen und weiterem Streit. Autistische Menschen unter sich lassen sich dagegen bei Stress in Ruhe, ziehen sich in eine ruhige Ecke zurück und schaukeln, wenn sie es sich erlauben. Nicht-autistische Menschen unter sich nehmen sich in den Arm und streicheln sich, wenn sie es sich erlauben. Die Missverständnisse kommen vor allem zwischen den unterschiedlich strukturierten Menschen zustande, aufgrund ihrer jeweils unterschiedlichen Art und Weise, die Welt zu erleben. Viele Missverständnisse zwischen psychotischen und nicht-psychotischen Menschen könnten sehr ähnlich gelagert sein.

Wie bei autistischen Menschen stellt sich auch bei Menschen mit schizophrenen Symptomen die Frage, ob eine beeinträchtigte kognitive Empathie ganz im Sinne von Lipps Grundverständnis der inneren Imitation nicht wesentlich Folge von veränderten Wahrnehmungsfunktionen sein könnte (Tebartz van Elst 2018).

Vom Anfang und Ende der Schizophrenie

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