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2.3 Die Verläufe der Schizophrenie

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Ebenso vielgestaltig wie die Symptome der Schizophrenie sehen auch die Verläufe aus. Eine besondere Schwierigkeit ist es, den Beginn einer Symptomatik sicher zu bestimmen. Oft entwickeln sich Wochen, Monate oder auch Jahre vor dem Beginn einer offensichtlichen Positivsymptomatik mit klar erkennbarem Wahn, Halluzinationen oder einer Desorganisation im Verhalten, diskrete Auffälligkeiten mit einem zunehmenden psychosozialen Rückzug, einem Leistungsknick oder auch schwer zu fassenden Änderungen unterschiedlichster Persönlichkeitseigenschaften. Diese Vorphase vor dem Beginn klarer psychotischer Symptome wird in der Fachliteratur auch Prodromalphase genannt. Nach Häfner et al. beginnt nur bei 18 % der an einer Schizophrenie Erkrankten die Symptomatik akut innerhalb eines Zeitraums von einem Monat. Bei 15 % entwickelt sich die Symptomatik subakut über ein Jahr während sich in bis zu 80 % der Fälle ein schleichender oder primär chronischer Verlauf mit einer Prodomalphase von über einem Jahr entwickelt (Häfner 2005; Häfner et al. 2013, 2013a). Auch die initialen Symptome sind nur in einer Minderheit von 27 % auch durch die leichter erkennbaren Positivsymptome charakterisiert. Bei 73 % der Betroffenen fanden sich anfänglich depressive, negative oder unspezifische Symptome, nur bei 7 % reine positive psychotische Symptome und in immerhin 20 % der Fälle fanden sich sowohl negative bzw. kognitive als auch positive Symptome (Häfner 2005).

Auch der weitere Verlauf nach Beginn der ersten psychotischen Episode ist durch eine ausgeprägte Vielgestaltigkeit charakterisiert. Die folgende Abbildung ( Abb. 2.3) illustriert die verschiedenen Verlaufsformen und ihre Häufigkeiten nach Shepherd (1989). Demnach kommt es bei etwa einem Fünftel der Menschen nur einmalig zu einer akuten schizophrenen Episode, ohne dass sich nach Ausheilung weitere Defizite fänden bzw. dass es zu erneuten schizophrenen Episoden kommt.

Bei etwa einem Drittel der Betroffenen kommt es im weiteren Verlauf auch zu weiteren symptomatischen Episoden, wobei in dieser Gruppe nach Ausheilung keine relevante Restsymptomatik bestehen bleibt. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen kommt es dagegen zur Ausbildung von chronischen Beeinträchtigungen, die stabil sein können (bei ~ 8 %) oder auch im Verlauf zunehmen können (bei ~ 35 %). In diesem Zusammenhang ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Zahlen zur Prognose je nach Forschungshintergrund erheblich variieren können. Folgen entsprechende Studien etwa der amerikanischen DSM-5-Klassifikation, so sind die positiven Verläufe schon deshalb weitgehend ausgeschlossen, weil die Schizophrenie dort so definiert wurde, dass positive Verläufe aufgrund von Zeitkriterien von vorneherein ausgeschlossen wurden. In diesem Falle ist es klar, dass die Zahlen zur Prognose deutlich schlechter aussehen müssen.

Das Alter bei Ersterkrankung an schizophrenen Syndromen zeigt ein typisches Muster wie in der folgenden Abbildung ( Abb. 2.4) illustriert. Dabei sind in der zweiten und dritten Dekade Männer überrepräsentiert, während in der fünften Dekade, zur Zeit der Menopause, Frauen häufiger an einer schizophrenen Störung ersterkranken. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in einer Dopamin modulierenden Wirkung des weiblichen Hormons Östrogen, welches die Sensitivität der


Abb. 2.3: Verlaufstypen der Schizophrenie nach Shepherd et al. (1989).

Dopaminrezeptoren abschwächt. Damit wirkt Östrogen vergleichbar einem antidopaminergen Antipsychotikum. Aus dieser psychophamakologischen Perspektive kann der perimenopausale Östrogenabfall bei Frauen auch als Entzug einer antipsychotischen Substanz interpretiert werden. Unter Wegfall dieses »antipsychotischen Schutzes« und verbunden mit dem in dieser Phase häufigen psychosozialen Stress, kommt dann möglicherweise eine konstitutionell bedingte Veranlagung für psychotische Reaktionsweisen in diesem Alter stärker zum Tragen. Das könnte aus neurobiologischer Sicht den Ersterkrankungsgipfel bei Frauen in der fünften Lebensdekade erklären ( Kap. 7.4).

Abb. 2.4: Alter bei Ersterkrankung an einer Schizophrenie (aus Häfner et al. 2005) (*p<0.05).

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