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ОглавлениеDie Heilstat des Nazareners
Erstes Kapitel
Aus den Zederngemächern des Herodespalastes in Tiberias am See Genezareth wogen Rosendüfte Arabiens in die laue Mondnacht. Auf dem Prunklager zwischen den mit erzenem Gitterwerk gezierten Holzsäulen liegt, vom Schein gedämpfter Ampeln umspielt, der Leib der Herodias. Zwei syrische Sklavinnen schwenken das Rauchfass zu ihren Häuptern und scheuchen die lästig werdenden Kätzchen, die sich an die Brust der Hasmonäerin schmeicheln, immer wieder fort.
Mit verschränkten Armen schreitet zu ihren Füßen Herodes Antipas, der Tetrarch von Galiläa und Peräa, sinnend auf und ab.
Er tastet, ohne die Schönheit auf dem Lektus aus dem Auge zu verlieren, in den Wust von Nachrichten hinein, die der Tag mit seinen Geschäften gebracht.
Herodias zieht die Schleier fester um ihre Brust Ihre schwarzen, zuweilen schillernden Augen suchen die Gedankengänge ihres Mannes zu durchglühen. Vermag er es wirklich, in ihrer Gegenwart Tagessorgen zu durchhecheln? Hat ihr wildjagendes Blut schon nach drei Wochen die Bannkraft über das seine verloren? Soll sie bereuen, dass sie ihren früheren Herrn, den Stiefbruder des Antipas, den zahmblütigen, schwerflüssigen Philippus, Vierfürsten von Batanäa, Trachonitis und Gaulanitis, zornmütig für immer verlassen und den berühmteren, prunkliebenderen Tetrarchen von Galiläa an ihr liebebedürftiges Herz gezogen? War ihr darob nicht Feindschaft genug unter den Herodianern erwachsen? Schlug nicht das jüdische Gesetz nach ihrem strafbaren Tun und hatte sie nicht Mühe gehabt, die mahnenden Stimmen der Templer von Jerusalem zu beschwichtigen? Musste sie nicht Goldschätze in den Tempel tragen lassen, um Sadduzäer und Pharisäer zum Schweigen zu bringen? Und für all diese Opfer sollte sie nun den Männertausch bereuen? War des Antipas herzenswarme Werbung um sie nur eine vorübergehende Episode in seinem Liebesleben, nur ein Aufwallen seines Beduinenblutes beim Anblick ihrer Reize? Hatte er in der ersten Liebesnacht schon die Vorboten des Welkens ihrer Fraulichkeit tastend gespürt? Die Lohe der Eifersucht überflammt die spürende Seele der Hasmonäerin. Sie jagt mit gestreckten Armen die beiden Sklavinnen hinaus.
Herodes fährt aus seinem Sinnen auf. „Die Wachen schlagen Mitternacht an. Zur Ruhe!“
Herodias streckt sich noch einmal in den Gliedern, und die brennenden Augen senken sich auf den Grund seiner Seele. Mit einem Fingergriff lässt sie die schwarzen Haare wie einen Wasserfall über die weißen Schultern stürzen, löst die Goldspange über dem kostbaren Brustschleier, so dass ihre Haut unter dem mondblassen Schein der Ampeln zu schimmern beginnt. Über die leise zuckenden Lippen springt der Klang der Eifersucht.
„Du denkst an Kora.“
Der Name rauscht wie glühender Wein durch sein Geblüt. „Ja – einen Augenblick lang dachte ich an sie. Kora war ein Weib, das man nicht über Nacht vergessen kann. Auch wenn man sie über Nacht entfernt hat.“
Herodias’ Augen sprühen Funken. „Ich kann ihr Gespenst nicht zwischen dir und mir herumgeistern Jassen. Ich bin nur halb dein Weib, wenn diese arabische Gauklerin noch länger ihre Liebesfäden in dein Gemüt spinnt. Zerreiße diese Faden!“ Ihr Atem faucht. Sie gleitet mit den Füßen in die roten Seidenschuhe, setzt sich an den Rand des niedrigen Bettes und schiebt die Kissen übers Knie. „Hast du Nachricht aus Machärus erhalten?“, spannt sich die Eifersucht wieder nach ihm.
„Die Burg ist von kappadozischen Wachen besetzt, sie haben strengen Auftrag, sie, die von mir geflohen, nicht mehr ins Land zu lassen.“
Herodias’ Lachen schrillt auf. „Sie floh von dir, ich zu dir! Wie war das nur? In jener Nacht, da sie auf und davon ging?“
„Es war knapp vor Mitternacht, als mir der gallische Hauptmann der Leibwache meldete, dass Kora mit fünf Reitern aus dem Libanontor des Palastes ausgebrochen sei. Es war jene Nacht, da wir beide an dem Wasserrosenteich die schwarzen Bälle warfen.“
Herodias erglüht im Nacherleben des einstigen Schauers. „Und da du mich in deine Arme rissest – wie ein Skythe – mich küsstest –.“
„Und diese Küsse hat Koras Lieblingssklavin erlauscht und ihr gemeldet. Sie hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich nach Machärus zu retten, denn sie fürchtete –.“ Antipas stockt.
„Was – fürchtete sie?“, stammelt Herodias mit lauerndem Auge.
„Dass ihr das Schicksal der Mariamne, des großen Herodes Lieblingsfrau, beschieden sein könnte, wenn sie noch länger säumte.“
„Das heißt – der Tod.“ Das Wort fällt wie ein schweres Gewicht.
Antipas zerbricht die Wortschwere mit den Gewalttritten seines Auf und Ab. „Mir zürnt Aretas, des Ostjordanlandes Herr –.“
„Koras Vater? Lache seines Zorns. Er wird es nie verschmerzen, dass seine Tochter vor deinem drohenden Dolch in die Väterburg flüchten musste, und immer werden seine braunen Wüstenreiter vor Machärus ihre schlanken Pferde tummeln und ihre Lanzen in der Sonne blinken lassen. Aber ein starker Fürst belächelt die Drohung. Ein einziger Ausfall deiner kappadozischen Reiter aus Machärus wirft die arabischen Horden in den Sand.“ Die Fürstin schreitet, sich in den Hüften wiegend, dicht an ihn heran. „Aretas fürchte ich nicht. Nur seiner Tochter Reiz wirft mir Angst ins Blut. Auch aus der Feme könnte er durch die Macht der Erinnerung seine Zauber auf dich üben, er könnte dich mir rauben, dich, den kaum Gewonnenen. Drum versprich mir, Antipas –.“ Ihr Körper schmeichelt sich an den seinen heran und ihre Blicke durchglühen ihn.
„Was soll ich dir versprechen?“, fragt er zaghaft.
„Dass du nur mich lieben wirst, bis zum letzten Atemzug nur mich und was mit mir versippt ist.“
„Ich liebe nur dich!“, stammelt er heiß. „Nur dich!“, wiederholt er dann leiser und zärtlich.
Herodias stürmt in das Gelöbnis des Augenblicks hinein: „Bekräftige das Versprechen dieser Stunde, indem du mir schwörst, jeden erfüllbaren Wunsch von mir zu erfüllen.“ Wieder lauert ihn ihr Blick an.
Er küsst sie beruhigend auf die Lippen. „Das Siegel des Versprechens.“
Da reißt sie sich unmutig los. „Ich kenne dein unstetes Blut – o weich mir nicht aus –, die Skythin, mit der du scherztest, während ich im Bade saß, wird nicht das einzige Weib gewesen sein, an dessen Altar du der Liebe opfertest. Aber wehe, wenn diese Verirrungen am Hofe laut werden.“
„Du bist gnadenvoll, Herodias“, lächelt er sein Weib dankbar an. Er greift nach dem Becher aus korinthischem Erz, der auf dem Zederntischchen steht, und drängt den Rand an die Lippen der Hasmonäerin. Sie schlürft das goldne Nass, lässt jeden Tropfen kostend auf der Zunge zergehen, greift nach den mit Goldschaum überzogenen Datteln, steckt eine davon in den Mund, saugt daran, zieht schmeichelnd ihren Herzensfürsten zum Lager hin und lässt ihre weißen Glieder lässig aufgelöst In die weichen Polster fallen. „Liebster – Livia beherrschte Augustus – und so – beherrsche – ich – dich –.“
Schwüler Duft von Damaszener Rosen umwirbelt die Sinne des Tetrarchen.
Hinter den geschlossenen schweren Vorhängen, die zwischen den Säulen niederhängen, steht ein blühjunges Mädchen mit geschlossenen Lidern und lauscht. Salome, der Hasmonäerin wildschöne Tochter, die ihren Vater Herodes Philippus verlassen, um mit der schönen Mutter die Freuden am neuen Hof kennenzulernen. Ihr Arm stützt sich auf das Haupt eines neben ihr knienden galatischen Sklavenmädchens, ihre Mundwinkel zucken, ihre Knie zittern, ihr Haar glänzt wie Rabenflügel in der Sonne. „Reich mir kyprischen Wein!“, lispelt sie dem Mädchen zu.