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Viertes Kapitel

Ein Heer von Menschen lagert im heißen Steingrund auf Decken, unter Zelten und auf zusammengerafftem Schilf. Aller Augen strahlen im brennenden Verlangen nach der Gestalt, die unter einer Kermeseiche steht, umringt von hin und her wogenden Leibern, deren Arme hilfesuchend, braunen Flammen gleich, in die Luft flackern. Unartikulierte Schreie gellen manchmal aus zusammengeballten Körpern, jagen über die Menge hin, die, in weitem Umkreis in Gruppen über dem Wüstengestein verstreut, nach einem Wort des Mannes lechzt, der wie erstarrt im Schatten des Baumes steht und seine glühenden Blicke in die Himmelsleere richtet.

Seinen hageren, ausgemergelten Leib bedeckt von den Schultern bis zu den Knien ein Kamelfell, aus dem der dünne Hals geierartig herauszuwachsen scheint, gekrönt von dem länglich gestreckten fleischarmen Kopf, aus dessen hohlen Wangen die Knochen hervorbuckeln. Das dünne schwarze Haar legt sich in Strähnen über die Asketenstirn, während es am Hinterkopf sich igelstachlig sträubt. Die dunklen Feueraugen glühen wie die Leuchten eines Wüstenluchses, und keiner der Sündenbeschwerten, die hier zusammengeströmt sind, vermag ihre Blicke lange zu ertragen, denn sie stechen unerbittlich ins hinterhältige Gewissen. Die Arme des Täufers, dürren Holzknüppeln gleich, sind mit den Händen am Ledergurt verkrampft, der sich eng um die Lenden spannt.

Zu seinen Füßen liegt, den Kopf nach ihm erhoben, der schlanke galiläische Fischer Andreas Jona, neben ihm ein paar andere Jünger des Täufers, darunter auch des Andreas Bruder Simon von Bethsaida am See Genezareth. Sie haben eine Art lebendiger Ringmauer um den Bußprediger gebildet, an der sich die Wucht der heranprallenden Sünder brechen soll. Denn heute ist der Andrang der Heilsuchenden besonders stark. Auch junge, geputzte Frauen und Mädchen sind unter den lagernden zu sehen, die meist aus Neugier gekommen sind, den sonderbaren Mann zu schauen, dessen Bußrufe schauerlich klingend bis nach Jerusalem in die Stuben der Weiber hallen.

Auch römische Kriegsknechte und Zöllner, viele Handwerker und Händler, Viehtreiber und allerlei Müßiggänger haben sich zusammengefunden und zu Gruppen geordnet.

Neben der Eiche, die einsam aus dem Steinboden ragt, murmelt etwas tiefer ein Wässerlein, das Johannes für seine seelenreinigende Handlung mit priesterlicher Gebärde geweiht hat. Niemand darf sich darin waschen, bevor er nicht Buße getan und seine Sünden zum Himmel geschrien. Das Wasser hat in der Nähe der Eiche einen Tümpel gebildet, der als Bad dient. Dort liegen ebenfalls hütende Jünger des Johannes, die den Taufakt überwachen. Unter ihnen hebt sich der stattliche Philippus heraus, ebenfalls ein Fischer aus Bethsaida, wo Simon und Andreas Jona zu Hause sind. Philippus hat Weib und Kind zurückgelassen, um das Wunder am Jordan zu erleben. Er ist lebhaften Gemüts, dabei ein Mann von nüchternen Erwägungen, gesprächig und leicht erregbar. Die Galiläer, schlichte, herzenshungrige Menschen mit halb heidnischem Gemüt, sind zahlreicher vertreten denn Samariter und Judäer, die rauer und erdverbundener sind und deren klügelnder, sondierender Verstand mit den aufrüttelnden Feuerworten des Täufers nichts anzufangen weiß.

Von der nahen Höhe steigt der Pilgerhaufen von Jerusalem und Bethlehem herab. Er wird mit neugierigen Augen empfangen, Philippus springt auf und führt die Erschöpften nach einer Raststelle, wo sie sich in Staub und Sand ihr Deckenlager bereiten und die Zelte aufstellen, wie es schon einst das Mosesvolk in der Wüste getan.

Der Schlauchhändler Amos liegt reglos am Bach, Seine Augen sind durch die Erscheinung des Täufers gebannt, der jetzt leise mit Andreas Jona spricht. Dieser reicht Johannes eine Holzschale, in der goldener Honig stockt, während ein anderer Jünger ihm einen Brotfladen hinreicht. Johannes bricht das Brot, taucht einen Bissen in den Honig und führt ihn beinahe andächtig an die Lippen. Jede seiner Bewegungen verfolgt das lagernde Volk mit gestielten Neugiersaugen.

Endlich rafft sich Amos auf und fasst den Arm des Gewandmachers „Du – Jonael – sieh ihn dir an –.“

„Ich bringe mein Auge nicht von ihm los.“ Dem frommen Judäer fröstelt es in der Sonne. „Wir wollen doch diesen Mann da – Philippus rufen sie ihn – wir wollen ihn fragen, was es denn eigentlich mit dem Täufer für eine Bewandtnis hat. Mir ist – ach, Amos, mir ist, als dränge sein Blick bis auf den Urgrund der Seele, und dann schmerzt das Herz wie eine einzige offene Wunde.“

„Es ist das Neue an ihm, das uns bedrückt“, sagt der nüchterne Tempelmann, der sich heranschiebt. „Ich meine, nach drei, vier Tagen ist der Zauber dahin.“

Jonael aber kann sich nicht beruhigen. „Ich werde diese Augen nie vergessen, nie – heda! Ihr – Mann! Ihr seid Philippus?“

„Woher kennst du mich?“, wendet sich der stattliche Jünger des Johannes um und schreitet vom Bach weg nach der Gruppe.

„Ich kenne dich nicht, hörte dich nur Philippus nennen. Du scheinst den Täufer länger zu kennen. Wir sind von Jerusalem gekommen, ihn zu hören. Sage ihm, dass er zu uns sprechen soll.“

„Er hat eben zu allen gesprochen, er spricht tagaus, tagein, bis in die Nacht, du wirst ihn schon zu hören bekommen.“

„Erzähl uns von ihm!“, fleht der Gewandmacher mit inbrünstig erhobenen Händen. Die Gefährten strömen herbei, scharen sich um den Jünger.

„Ja, was soll ich euch sagen? Dieser Johannes –.“ Philippus holt tief Atem, „dieser Johannes ist das Gewissen der Juden. Es klopft unruhig und mahnt zur Besinnlichkeit. Aber er ist auch der Prophet Gottes, Seine Verkündigung, Sein Wille.“

„Also wirklich Prophet?“, staunt der Sandalenmacher vom Bethesdateich.

„Sagte nicht Moses, dass der Herr aus dem Volk Israel einen Propheten erwecken wird? Er ist’s.“

„Und was müssen wir tun, um der Gnade teilhaftig zu werden, von ihm gewürdigt zu werden?“

„Vergessen musst du – viel vergessen.“

„Was vergessen?“, flüstert die Fischersfrau sehnsüchtig.

„Brandopfer, Speise- und Sündopfer, Zehnten und eurer Hand Hebe, euer Gelübde, die Erstgeburt eurer Rinder und Schafe, alles was Moses angeordnet, der Opfer Hochzahl, es ist alles umsonst und gilt vor Jahve nicht, solange dein Herz sündenbeschwert und schmutzig ist.“

„Alles umsonst?“ Des Jonael Augen verstarren sich im Sand.

„Still!“, wendet sich Philippus weg. „Der Täufer spricht.“

Alles drängt zur Eiche. Hunderte und aber Hunderte laufen wie Küchlein zusammen, denen man das Futter zuwirft.

Unter dem Baum streckt sich die Gestalt des Johannes, wird zum überhageren Riesen, dessen Haupt an die Zweige der Eiche stößt. Sein Leib, von den Gluten der Wüste ausgedörrt, kaum genährt von Wildbienenhonig und getrockneten Heuschrecken, gehorcht augenblicklich dem befehlenden Geist und strafft sich unter dem inneren Anruf Gottes. Ein unerklärbarer Schauer weht von seiner Körperlichkeit über die Massen hin. Die meisten empfinden ihn als die Weihe des Nasiräers, des Gottgeopferten, dessen Haupt noch nie das Schurmesser berührt hat. Die verwilderte Bartfahne weht kaum merkbar im einsetzenden Glutenwind, die Haut des Gesichtes ist gegerbt von Wetter und Wind, das aus der Innenglut genährte Feuer der unheimlich schönen Augen erstrahlt wie ein Fanal, unter dessen Schein die Hässlichkeit mit einem Mal ihre Kraft verliert. Und nun beginnt die etwas heisere, aber weittönende Stimme zu beben. Der Wüste schrecklicher Hauch erstarrt. „Hört, hört, Israels Kinder! Aus mir spricht Gottes Geheiß. Es ist mancherlei Gericht niedergegangen über dies Volk in der Wüstennot, als es Moses nicht gehorchte. Da schlug die Zuchtrute des Herrn auf ausgemergelte Hungerleiber los, vierzig Jahre schmachtete das Volk im babylonischen Elend, Salomos Tempel fiel unter den Axthieben des Assyrers, und die Zeit der Richter und Könige sank in Vergessenheit. Das Volk tat Buße, aber es fiel bald wieder in Welttaumel und spie Gott ins Antlitz. Der Herr sandte Propheten, um das Volk zur Rückkehr zu Gott zu bewegen, sie warnten es vor der Geißel, die kommen würde, wenn es sich nicht bessern sollte. Doch der Ruf der Propheten verhallte ungehört, und der Tempel begann durch seine Diener über Gott frevlerisch Gericht zu halten. Da sandte Jahve die Zuchtrute Roms, unter der ihr nun brüllt wie die vom Beil getroffenen Farren. Aber Israel besinnt sich nicht. Die Liebe Gottes floh seine Seele. Was habt ihr, Männer und Frauen von Israel, von Gottes Urquell gefühlt? Dumpf und klamm liegt’s über euern Herzen. O ihr Zagen, ihr Wankelmütigen, ihr könnt und wollt nicht erwachen aus dem Schlaf der luziferischen Trägheit, und wenn ihr erwacht, so erwacht ihr wie Simson im Schoß der Dirne Delila. Was ihr denkt und tut, ist Stein, aus dem kein Holz wächst. Was wimmert ihr, was flennt ihr? Ererbtes Sündengut von euern Vätern her lastet auf euern Seelen. Wollt ihr euch von der Haftpflicht freimachen, weil eure Väter Sünder waren? Ihr seid siebenundsiebzigmal größere Sünder denn sie!“ Mit hocherhobenen Armen fegt er die Verdammung über das Volk.

Die von den Worten Geschlagenen werfen sich auf die Erde und heulen nach altem Brauch auf.

Johannes dröhnt unerbittlich weiter: „Ihr sagt, die Zeit ist krank – nein, ihr seid es! Ihr siecht an einem halben Glauben, an einem halben Können dahin. In Sack und Asche müsst ihr sinken, und Buße, Buße, Buße muss eures Lebens Inhalt werden.“

Wie Sturmwogen wirft es sich um ihre Köpfe. Die Leiber winden sich im Wüstensand und die Reumütigen raufen sich das Haar. Und einer schreit für die andern laut auf: „Erbarme dich unserer Sünden!“

Johannes überhört den Schrei der Zerknirschtheit. „Euer Gesetz durchhallt das Gebot: Du sollst! Aber antwortet auch euer Herz darauf: Ich will? Mit schalen Lippenworten wollt ihr ein Feuer anzünden, anstatt mit Taten eure Brust zu durchbrennen. Mit dem Sang eurer Sabbatlieder wollt ihr die Wand durchdringen, die ihr zwischen euch und Gott aufgerichtet? Gott freut sich seines Adams nicht, denn eure Laster brennen euch das Gesicht wie die Säure aus.“

Da rekelt sich ein Jude aus dem Haufen. „Du, Mann Gottes – in Jerusalem spricht es sich durch die Gassen, du wüsstest vom Messias, den wir erwarten.“

Die großen Wimpern fallen über des Täufers Augen. Und ohne den Frager anzusehen, sagt er: „Wie stellst du dir die Ankunft des Messias vor?“

Der Jude, weißbärtig, verkrüppelt, vertränt, aber hitzigen Geistes, beginnt zu schwärmen: „Es ist uns überliefert von altersgrauen Zeiten her, dass der Messias, der Gesalbte des Herrn, kommen soll. Elias soll wiederkommen, ihn zu salben. Und als Gesalbter wird er die Tage der Not enden, mit seinen gleichgesinnten Streitern wird er über die Mächtigen dieser Erde losziehen, gottkräftig gestaltet wird er Rom überwinden. Ein Hauch aus seinem Munde überflammt die Heiden mit tötendem Brand. Im Lande Kanaan und in Jerusalem wird sein Herrscherreich errichtet werden, vor dem die anderen Reiche zusammenbrechen. Und was im heiligen Lande wohnt, wird selbst geheiligt sein. Gerechtigkeit wird sein Wappen sein, Weisheit seine Fahne, Gotteskraft sein Schwert. Vereinigt werden unter ihm Israels Stämme sein, und ihnen wird das Gebiet der Erde untertan sein. Der letzte Herrscher Roms wird vor ihm hingeführt werden und wird zuschanden werden vor ihm und in den Tod geworfen werden für seine Freveltaten an unserem Volk.“

Aus dem Verlangen nach Erlösung aus Knechtschaft und Elend ringen sich die Worte aus des Juden Brust. Und das Volk ringsum sieht mit dem Sprecher das Reich in Glanz und Reichtum aufdämmern. Überall weben diese gleichen Gedanken, auf den Gassen und Plätzen der Zionstadt, in den Dörfern und Weilern. In den Herbergen und auf den Karawanenwegen geht der träge Pulsschlag der Not, und die Sehnsucht nach Befreiung davon flammt da und dort einmal auf, und die hoffnungsarme Seele gebiert dann neuen Mut.

In Johannes’ Antlitz verrät keine Fiber eine innere Erregung. Er öffnet nun die vom Wüstensand verbrannten, geröteten Lider. „Und ich will dir deinen Messiastraum nach deinem Wähnen vollenden. Des Gesalbten Reich soll sein voll aufgeworfener Ernte an Korn und Weizen, voll Freude an geringer Arbeit, und eure Weiber werden ohne Schmerzen gesegneten Leibes gehen, Kinderreichtum wird keine Not bedeuten, der Feierabend wird nicht erfüllt sein von der Sorge um den nächsten Morgen. Auf den Feldern wird die Frucht stehen, stattlich wie die Zedern des Libanon, und die Schnitter werden sich froh mühen, den Acker zu ernten. Gottes Sturm wird das Korn dreschen und das Mahlgut in den offenen Trog fegen. Und die Trauben werden den Wein aus ihren Schalen rinnen lassen, und die Menschen werden ihn in silbernen Bechern auffangen, es wird keine Hungrigen mehr geben, und die Durstigen wird man mit der Lampe suchen müssen. Aufs Neue wird Manna vom Himmel fallen, und der Messias wird sein Volk mit heiterem Antlitz durch die Wüste des Lebens führen. Regen wird reichlich und doch nicht verderblich fallen, die Sonne wird milde sein, die Wüste wird sich mit Laub schmücken, und froher Vogelsang wird darin erschallen. Die Trinkwasser werden allerorten quellen, und die Krankheiten der Menschen werden vergehen wie Haselstaub im Frühjahrswind. Kleider werdet ihr in Fülle haben, und der Weiber Zierrat wird sich fertig aus dem Gold der Bäche bereiten. Meinst du nicht, Kind Israels, dass sich so dein Messiasreich vollenden wird? Ohne Hilfe deiner eigenen Seele?“

Der Jude sieht betroffen drein. „So ähnlich klang es in meiner Jugend an mein Ohr, und so wird es wohl sein.“

Da durchfährt es den Leib des Täufers wie ein Blitzstrahl. Brandhell lodert er auf. „Weg mit deinem erzgewappneten, schwertschwingenden, siegesmächtigen König David! Der da kommen wird als Tröster und Erlöser, wird euer Wunsch und Wähnen in den Staub werfen. Herrschen wollt ihr durch den Messias über alle Völker? Ich sage euch, nimmer werdet ihr herrschen über andere, bevor ihr nicht euch selbst beherrscht. Das ist die einzige Herrschaft, die Gott segnet. Beschwatzt euch nicht mit solchen Widergedanken. Moses hat euch erkannt, als ihr einzogt ins Land der Enakiter: „Ihr seid ein halsstarriges Volk!“, so sprach er zu euch. So wie ihr in der Wüste mit Moses um Wasser gehadert habt, so hadert ihr heute noch mit Gott um dieses oder jenes willen.“

Alles wehklagt und schreit in den gluterfüllten Sand. Der Gewandschneider ringt Amos die Hände entgegen: „Er ist wahrhaftig der, von dem gesagt ist: Es ist eine Stimme des Predigers in der Wüste, bereitet dem Herrn den Weg und macht seine Steige richtig.“

Johannes hebt seinen Oberleib aus den Hüften und scheint nun noch einmal so groß, als er jetzt den Taubherzigen sein flammendes „Tut Buße!“ in die verkrusteten Brüste schreit. Und wieder und wieder: „Tut Buße!“ Und dann mit Macht: „Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ Seine drohenden Augen greifen aus der Menge ein paar Pharisäergesichter heraus und stellen sie vor Gottes Gericht: „Meint ihr, ihr werdet dem künftigen Zorn entrinnen? Weil ihr Abraham zum Vater habt? Ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Schon ist die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Welcher Baum nicht rechte Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“

Schuldbewusste bergen ihre Gesichter in den Händen und rücken vor dem grimmen Mahner in die rückwärtigen Reihen zurück, denn sie fürchten, dass er nun jeden einzelnen vor sich aufpflanzen und ihm die Sünden aus der Brust reißen könnte.

Und nun wächst Johannes über sich selbst hinaus, und die Augen in dem bleichen, gegerbten Gesicht starren wie in einer Vision in die Wüstenweite. „Ich taufe euch mit Wasser zur Buße. Aber es kommt einer nach mir, der stärker ist als ich und dem ich nicht genugsam bin, seinen Schuhriemen zu lösen. Und dieser wird euch taufen mit dem Feuer des Geistes.“

Die Leiber reißen sich erschreckt vom Sande los. Während sich Johannes, betäubt von der Wucht des Gesichtes, in düsterem Schweigen veratmet, springt das Gehörte zerstückelt von Mund zu Mund: Einer kommt nach ihm? Wer ist das? Auch ein Prophet? Von Schuhen sprach er! Was soll das wieder? Wer uns da sehen ließe. Sein Wort ist dunkel wie die Nacht.

Einer aus der verkeilten Menge ruft verzweifelt über die Köpfe hinweg: „Ja, was sollen wir denn tun?“

Johannes überflammt ihn: „Wer zwei Röcke hat, gebe dem, der keinen hat. Und die Speise teile mit dem, der nicht hat.“

Da zieht sich der Frager fröstelnd, wie eine Schnecke in ihr Haus, zurück.

Zwei habgierige Zöllner in Roms Sold bekommen Mut und schreien:

„Prophet, was sollen wir tun?“

„Fordert nicht mehr als gesetzt ist“, wirft er wuchtig in ihre Herzen.

„Er hat uns erkannt!“, schämt sich einer vor dem andern, und sie kriechen in den Menschenhaufen zurück.

Wildbärtige römische Legionssoldaten ,schieben einen der Ihren nach vorn, und der wirft seine breite Brust dem Täufer entgegen. „Und wir, die wir Roms Schwert tragen? Was sollen wir tun?“

Da überweht sie Johannes mit seinem Feueratem: „Lasst Gewalt und Recht und begnügt euch mit dem Solde.“

Da wird ihnen grimm zumute, denn das Schwert der Gewalt aus den Händen werfen, das können sie nicht, ohne sich selbst aufzugeben. Sie tappen schwerschrittig nach der steinigen Wand, die im Sonnenbrand glüht.

Johannes verfolgt ihr Gehen mit vernichtenden Blicken. „So wird ihnen kein Heil. Sie gehören zur Spreu, die verbrannt werden wird, nachdem der, der nach mir kommt, sie vom Weizen gesondert haben wird auf seiner Tenne. Des Wassers Berührung in der Taufe greift noch nicht völlig an, es muss sein Feuer kommen, das den Menschen inwendig ergreift.“ Und sein Ton wird nun milder, da er die verzagten Gesichter der Aufhorchenden erblickt: „Ihr wisst doch, wie das Korn gesiebt wird nach dreierlei Maß? So wird der, der da kommen wird, die Menschen sieben, messen und sondern. Das rechte Korn wird in die Scheune seines Reiches kommen, der Abfall in ein Feuer, das nie erlöschen wird. Dieses Feuer wird ärger sein als jenes, das Sodom und Gomorra in Gluten warf.“ Seine Hand deutet in der Richtung nach dem Salzmeer, wo der bräunliche Sonnendunst über den versunkenen Sündenstätten braut.

Ein Jünger reicht dem Bußprediger wieder eine Schale mit Baumsaft zur Labung des ausgetrockneten Gaumens. Da verlässt Johannes den Eichenschatten und geht zum Bachtümpel. Hastig drängt die Menge nach. Die Bekehrten, von seinem Wort im Innersten Getroffenen, gehen zu ihm, der sich auf einen Stein niedergelassen, und bekennen ihm, dass sie gesündigt haben und nun bereuen.

„Wandlung!“, fordert er gebieterisch.

„Ich werde mich wandeln“, verspricht jeder angstdurchbebt.

Dann legen sie die Kleider ab und steigen einzeln in das trübe Wasser, tauchen unter; während Johannes die segnende Hand über jedes Haupt hält, um dadurch den Willen des Büßers zur Bekehrung zu kräftigen. Einer nach dem andern tritt den Bußgang an. Allen ist, als schwemme das Wasser den Schmutz ihrer Seele fort, in den Jordan hinab, und sie atmen befreit auf, wenn sie wieder ans felsige Ufer steigen und die Sonne sie gnadenvoll überglüht. Sie halten vor Freude den Atem an, der nun nicht mehr von Gott verflucht ist. Dahin ist der laute Jammer, der verhaltene Gram. Sie getrauen sich kaum, ihre Schuhe anzuziehen, denn diese Stätte ist in ihren Augen ebenso heilig wie die, wo Josua stand, als der Engel Gottes ihn segnete.

Die Sonne beginnt sich zu neigen, und immer noch tauchen Leiber in das reinigende Nass.

Erschöpft sinkt des Täufers Leib auf den nachglühenden Stein, und die Leiber der ebenfalls ermatteten Büßer schlüpfen unter die Zelte oder hüllen sich in Decken ein. Kaum tasten Gespräche von Herz zu Herz, als fürchtete jedes, mit einem Sündenwort die erlangte Reinheit wieder zu beschmutzen.

Aber es sind auch manche darunter, die bald wieder ihre Sicherheit und Sattheit des früheren Geistes gewinnen und an denen das Wasser innerlich wirkungslos herabgelaufen ist. Sie strecken sich fast behaglich, von keiner Reue mehr durchrüttelt, auf ihre Decken hin und fallen bald in Schlaf, froh, dem lauten Donner und dem zuckenden Blitz entronnen zu sein.

Die nachglühende Luft der nahen Wüste schickt ihren letzten Anhauch aus Bethaniens Steinöden herüber. Die Sonne erstirbt hinter den Bergen Samariens, und plötzlich fegt eine kalte Luftströmung über die verglühenden Steine. Aus Peräas zerklüfteten Höhen schwebt der Vollmond in den seidenhaften Himmel, und sein fahles Licht umschimmert die mattgebeteten Büßer am Tor der Wüste, denen das Sternenzelt zur Decke, der Stein zum Polster wird.

Das hohe Leuchten

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