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a) Die sog. Andeutungstheorie
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Nach ständiger Rechtsprechung findet die Auslegung darin ihre Grenze, dass der Wille des Erblassers im Testament selbst eine hinreichende Stütze gefunden haben muss (sog. Andeutungstheorie).[7]
In der Literatur stößt die Andeutungstheorie allerdings teilweise auf Kritik.[8] Ihr wird entgegengehalten, dass sie die gesetzlichen Formvorschriften überspanne.[9] Der Schutz vor Übereilung werde schon dadurch erreicht, dass der Erblasser das Testament niedergeschrieben und in dem Sinne verstanden hat, den er ihm beilegen wollte.[10] Die Andeutungstheorie führe außerdem zu Zufälligkeiten und Rechtsunsicherheit, weil sie von der unkalkulierbaren Entscheidungen des Richters abhängt, ob die geforderte Andeutung im Testament zu finden ist.[11] Der weitschweifende Erblasser wird daher zu Unrecht gegenüber dem knapp formulierenden bevorzugt.[12]
Trotz dieser Kritik ist im Grundsatz an der Andeutungstheorie festzuhalten. Nur der erklärte Wille ist hinreichend verfestigt und so aus dem Stadium der Willensbildung herausgetreten, dass er Rechtsfolgen herbeizuführen vermag. Außerdem würde eine Auslegung, die den Erblasserwillen zum alleinigen Maßstab nehmen würde, die gesetzlichen Formerfordernisse für Testamente außer Acht lassen. Die Form soll insb. den Erblasser dazu veranlassen, sich selbst darüber klar zu werden, welchen Inhalt seine Verfügung von Todes wegen haben soll.[13] Für die angeblichen Rechtsunsicherheiten und Wortklaubereien haben die Kritiker keine wirklich treffenden Beispiele aus der Rechtspraxis vorweisen können. Zudem lassen sich auch die Fälle der sog. falsa demonstratio mit der Andeutungstheorie angemessen lösen (→ Rn. 329 f.).
Schließlich besteht auch kein wirklicher Widerspruch zwischen der Andeutungstheorie und der Zulässigkeit der sog. ergänzenden Auslegung (→ Rn. 335 ff.): Bei der ergänzenden Auslegung muss eben gerade nicht das Ergebnis der Lückenschließung selbst in der Urkunde enthalten sein, sondern die Anknüpfungspunkte für die vorzunehmende Auslegung in Bezug auf den „hypothetischen Willen“ der Erblassers.[14]
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In der Praxis spielt die Andeutungstheorie eine wichtige Rolle.[15] Ohne sie müsste über jede Parteibehauptung bezüglich eines angeblichen Erblasserwillens Beweis erhoben werden. Da die Beweiswürdigung nicht in jedem Fall verfälschende Behauptungen als solche entlarven wird, bietet nur die Andeutungstheorie einen ausreichenden Schutz des erklärten Erblasserwillens. Für sie sprechen außerdem prozessökonomische Gründe: Der Richter muss nicht zunächst umfänglich bezüglich des Erblasserwillens Beweis erheben und sodann prüfen, ob dieser formgültig erklärt wurde.