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Die Langzeitreaktion aus Perspektive der Zwei-Personen-Psychologie
ОглавлениеErlebnisse, die geeignet sind, traumatische Prozesse in Gang zu setzen, führen häufig zu nur vorübergehenden Erschütterungen im Sinne von Anpassungsleistungen ( Kap. 3). Bei einem Teil der Betroffenen persistieren oder entwickeln sich jedoch überdauernde Verschiebungen im psychischen Gleichgewicht. Die zentrale Frage ist also, welcher Aspekt verhindert ein nachträgliches Durcharbeiten, eine nachträgliche Integration der traumatischen Erfahrung? Horowitz (1976) nimmt an, dass dem Bedürfnis nach Integration der neuen Information die Vermeidung extremer belastender Emotionen entgegensteht, so dass es zu einem Oszillieren zwischen dem Wiedererleben und der Vermeidung traumatischer Erinnerungen kommt. Ganz ähnlich spricht Lorenzer (1965, S. 698) davon, »[…] daß in der traumatischen Situation »ein unerträgliches Erlebnis Wirklichkeit wird«, das Ich also in seiner Wahrnehmung genau in jene Lage gerät, die es aus Gründen der Beziehung zu den anderen intrapsychischen Instanzen unbedingt vermeiden muß«. Dies ist weitgehend intrapsychisch oder aus der Perspektive einer Ein-Personen-Psychologie argumentiert. Dies deckt sich mit der Auskunft eines Patienten, der seine Erzählungen, wenn sie sich einem katastrophalen Unfallereignis annäherten, jedes Mal mit Tränen in den Augen abbrach und auf Nachfrage erklärte, dass er nicht weiter auf seine Erfahrung eintreten wolle, da dies nicht gut für ihn sei. Hier darf aber nicht vergessen werden, dass sich unsere psychischen Strukturen in der Interaktion mit unserer sozialen Umwelt entwickeln. Denkt man diesen Ansatz zu Ende und legt der posttraumatischen Vermeidung eine konsequente Zwei-Personen-Psychologie (Gill, 1982) zu Grunde, dann ist die Vermeidung des Durcharbeitens und Integrierens der traumatischen Erfahrung im realen oder verinnerlichten Gegenüber und assoziierten Selbstzuständen begründet. Dabei ist die Wahrnehmung des realen Gegenübers natürlich immer von den verinnerlichten und verallgemeinerten Erfahrungen mit früheren wichtigen Bezugspersonen vermittelt. Als zentraler Mechanismus, welcher der Chronifizierung posttraumatischer Zustände zugrunde liegt, sei an dieser Stelle also die aus früheren sozialen Erfahrungen resultierende Notwendigkeit, das Erleben und Kommunizieren eines spezifischen kognitiv-emotionalen Zustands zu vermeiden, postuliert. Der interpersonelle Ursprung der Kriterien, anhand derer über den Vermeidungsbedarf entschieden wird, ist sicherlich oft nicht erinnerbar oder bewusstseinsfähig. So individuell wie die der Persönlichkeitsstruktur zugrundeliegenden Objektbeziehungsrepräsentanzen, so ideosynkratisch muss auch das Vorgehen bei der Rekonstruktion dieses Vermeidungsbedarfs ausfallen. Dieses Konzept hat weitreichende behandlungstechnische Implikationen ( Kap. 5).