Читать книгу Ludwig van Beethoven: Ich lebe nur in meinen Noten - Людвиг ван Бетховен - Страница 13

An Wegeler.

Оглавление

Wien den 29. Juni 1800.

Mein guter, lieber Wegeler!

Wie sehr danke ich Dir für Dein Andenken an mich; ich habe es so wenig verdient und um Dich zu verdienen gesucht, und doch bist Du so sehr gut, und läßt Dich durch nichts, selbst durch meine unverzeihliche Nachlässigkeit nicht abhalten, bleibst immer der treue gute biedere Freund. – Daß ich Dich und überhaupt euch, die ihr mir einst alle so lieb und theuer waret, vergessen könnte, nein das glaubt nicht; es giebt Augenblicke, wo ich mich selbst nach euch sehne, ja bei euch einige Zeit zu verweilen wünsche. – Mein Vaterland, die schöne Gegend, in der ich das Licht der Welt erblickte, ist mir noch immer so schön und deutlich vor Augen, als da ich euch verließ; kurz ich werde diese Zeit als eine der glücklichsten Begebenheiten meines Lebens betrachten, wo ich euch wiedersehen und unsern Vater Rhein begrüßen kann. Wann dies sein wird, kann ich Dir noch nicht bestimmen. – So viel will ich euch sagen, daß ihr mich nur recht groß wiedersehen werdet; nicht als Künstler sollt ihr mich größer, sondern auch als Mensch sollt ihr mich besser, vollkommener finden, und ist dann der Wohlstand etwas besser in unserem Vaterlande, dann soll meine Kunst sich nur zum Besten der Armen zeigen. O glückseliger Augenblick, wie glücklich halte ich mich, daß ich dich herbeischaffen, dich selbst schaffen kann!

Von meiner Lage willst Du was wissen; nun, sie wäre eben so schlecht nicht. Seit vorigem Jahr hat mir Lichnowsky, der, so unglaublich es Dir auch ist, wenn ich Dir es sage, immer mein wärmster Freund war und geblieben ist, (kleine Mißhelligkeiten gab es ja auch unter uns, und haben eben diese unsere Freundschaft nicht befestigt?) eine sichere Summe von 600 Gulden ausgeworfen, die ich, so lange ich keine für mich passende Anstellung finde, ziehen kann; meine Compositionen tragen mir viel ein, und ich kann sagen, daß ich mehr Bestellungen habe, als fast möglich ist, daß ich befriedigen kann. Auch habe ich auf jede Sache 6, 7 Verleger und noch mehr, wenn ich mir’s angelegen sein lassen will: man accordirt nicht mehr mit mir, ich fordere und man zahlt. Du siehst, daß es eine hübsche Sache ist, z. B. ich sehe einen Freund in Noth, und mein Beutel erlaubet eben nicht ihm gleich zu helfen, so darf ich mich nur hinsetzen und in kurzer Zeit ist ihm geholfen. Auch bin ich ökonomischer, als sonst; sollte ich immer hier bleiben, so bringe ich’s auch sicher dahin, daß ich jährlich immer einen Tag zur Akademie erhalte, deren ich einige gegeben. Nur hat der neidische Dämon, meine schlimme Gesundheit, mir einen Stein ins Brett geworfen, nämlich mein Gehör ist seit drei Jahren immer schwächer geworden und zu diesem Gebrechen soll mein Unterleib, der schon damals, wie Du weißt, elend war, hier aber sich verschlimmert hat, indem ich beständig mit einem Durchfall behaftet war und mit einer dadurch außer ordentlichen Schwäche, die erste Veranlassung gegeben haben. Frank wollte meinem Leibe den Ton wieder geben durch stärkende Medizinen, und meinem Gehör durch Mandelöl, aber prosit! daraus ward nichts, mein Gehör ward immer schlechter und mein Unterleib blieb immer in seiner vorigen Verfassung; das dauerte bis voriges Jahr im Herbst, wo ich manchmal in Verzweiflung war. Da rieth mir ein medizinischer Asinus das kalte Bad für meinen Zustand, ein Gescheidterer das gewöhnliche lauwarme Donaubad; das that Wunder; mein Bauch ward besser, mein Gehör blieb oder ward noch schlechter. Diesen Winter ging’s mir wirklich elend; da hatte ich wirklich schreckliche Koliken und ich sank wieder ganz in meinen vorigen Zustand zurück, und so blieb’s bis vor ungefähr vier Wochen, wo ich zu Vering ging, indem ich dachte, daß dieser Zustand zugleich auch einen Wundarzt erfordere, und ohnedem hatte ich immer Vertrauen zu ihm. Ihm gelang es nun fast gänzlich diesen heftigen Durchfall zu hemmen; er verordnete mir das laue Donaubad, wo ich jedes Mal noch ein Fläschchen stärkender Sachen hineingießen mußte, gab mir gar keine Medizin, bis vor ungefähr vier Tagen Pillen für den Magen und einen Thee fürs Ohr, und darauf kann ich sagen befinde ich mich stärker und besser; nur meine Ohren die sausen und brausen Tag und Nacht fort. Ich kann sagen ich bringe mein Leben elend zu; seit zwei Jahren fast meide ich alle Gesellschaften, weil’s mir nicht möglich ist den Leuten zu sagen: ich bin taub. Hätte ich irgend ein anderes Fach, so ging’s noch eher, aber in meinem Fache ist das ein schrecklicher Zustand; dabei meine Feinde, deren Zahl nicht geringe ist, was würden diese hiezu sagen!

Um Dir einen Begriff von dieser wunderbaren Taubheit zu geben, so sage ich Dir, daß ich mich im Theater ganz dicht am Orchester anlehnen muß, um den Schauspieler zu verstehen. Die hohen Töne von Instrumenten, Singstimmen, wenn ich etwas weit weg bin, höre ich nicht; im Sprechen ist es zu verwundern, daß es Leute giebt, die es niemals merkten; da ich meistens Zerstreuungen hatte, so hält man es dafür. Manchmal auch hör ich den Redenden, der leise spricht, kaum, ja die Töne wohl, aber die Worte nicht; und doch sobald Jemand schreit ist es mir unausstehlich. Was es nun werden wird, das weiß der liebe Himmel. Vering sagt, daß es gewiß besser werden wird, wenn auch nicht ganz. Ich habe schon oft – mein Dasein verflucht; Plutarch hat mich zu der Resignation geführt. Ich will, wenn’s anders möglich ist, meinem Schicksale trotzen, obschon es Augenblicke meines Lebens geben wird, wo ich das unglücklichste Geschöpf Gottes sein werde. Ich bitte Dich, von diesem meinem Zustande niemanden, auch nicht einmal der Lorchen etwas zu sagen, nur als Geheimniß vertrau ich Dir’s an; lieb wäre mir’s, wenn Du einmal mit Vering darüber briefwechseltest. Sollte mein Zustand fortdauern, so komme ich künftiges Frühjahr zu Dir; Du miethest mir irgend in einer schönen Gegend ein Haus auf dem Lande, und dann will ich ein halbes Jahr ein Bauer werden. Vielleicht wird’s dadurch geändert. Resignation! welches elende Zufluchtsmittel, und mir bleibt es doch das einzig übrige! Du verzeihst mir doch, daß ich Dir in Deiner ohnedies trüben Lage noch auch diese freundschaftliche Sorge aufbinde. Steffen Breuning ist nun hier und wir sind fast täglich zusammen; es thut mir so wohl die alten Gefühle wieder hervorzurufen. Er ist wirklich ein guter herrlicher Junge geworden, der was weiß, und das Herz, wie wir alle mehr oder weniger auf dem rechten Fleck hat.

Ich habe eine sehr schöne Wohnung jetzt, welche auf die Bastey geht und für meine Gesundheit einen doppelten Werth hat. Ich glaube wohl, daß ich es werde möglich machen können, daß Breuning zu mir komme. Deinen Antiochum sollst Du haben, und auch noch recht viele Musikalien von mir, wenn Du anders nicht glaubst, daß es Dich zu viel kostet. Aufrichtig, deine Kunstliebe freut mich doch noch sehr. Schreibe mir nur, wie es zu machen ist, so will ich Dir alle meine Werke schicken, das nun freilich eine hübsche Zahl ist, und die sich täglich vermehrt. – Statt des Portraits meines Großvaters, welches ich Dich bitte, mir sobald als möglich mit dem Postwagen zu schicken, schicke ich Dir das seines Enkels, Deines Dir immer guten und herzlichen Beethoven, welches hier bei Artaria, die mich darum oft ersuchten, so wie viele andere, auch Kunsthandlungen, herauskommt. Stoffeln will ich nächstens schreiben und ihm ein wenig den Text lesen über seine störrige Laune. – Ich will ihm die alte Freundschaft recht ins Ohr schreien, er soll mir heilig versprechen, euch in euren ohnedies trüben Umständen nicht noch mehr zu kränken. Auch der guten Lorchen will ich schreiben. Nie habe ich einen unter euch lieben Guten vergessen, wenn ich auch gar nichts von mir hören ließ: aber Schreiben, das weißt Du, war nie meine Sache; auch die besten Freunde haben jahrelang keine Briefe von mir erhalten. Ich lebe nur in meinen Noten, und ist das eine kaum da, so ist das andere schon angefangen. So wie ich jetzt schreibe, mache ich oft drei, vier Sachen zugleich. – Schreibe mir jetzt öfter; ich will schon Sorge tragen, daß ich Zeit finde, Dir zuweilen zu schreiben. Grüße mir alle, auch die gute Frau Hofräthin und sag ihr, daß ich noch zuweilen einen »raptus han.« – Was K. angeht, so wundere ich mich gar nicht über deren Veränderung. Das Glück ist kugelrund und fällt daher natürlich nicht immer auf das Edelste, das Beste. – Wegen Ries, den mir herzlich grüße, ein Wort; was seinen Sohn anbelangt, will ich Dir näher schreiben, obschon ich glaube, daß, um sein Glück zu machen, Paris besser als Wien sei; Wien ist überschüttet mit Leuten, und selbst dem besten Verdienst fällt es dadurch hart, sich zu halten. Bis den Herbst oder bis zum Winter werde ich sehen, was ich für ihn thun kann, weil dann alles wieder in die Stadt eilt. – Leb wohl guter, treuer Wegeler! Sei versichert von der Liebe und Freundschaft

Deines

Beethoven.

Ludwig van Beethoven: Ich lebe nur in meinen Noten

Подняться наверх