Читать книгу Ludwig van Beethoven: Ich lebe nur in meinen Noten - Людвиг ван Бетховен - Страница 16
An Wegeler.
ОглавлениеWien am 16. November 1800.
Mein guter Wegeler! ich danke Dir für den neuen Beweis Deiner Sorgfalt um mich, umso mehr, da ich es so wenig um Dich verdiene. – Du willst wissen, wie es mir geht, was ich brauche; so ungern ich mich von dem Gegenstand überhaupt unterhalte, so thue ich es doch noch am liebsten mit Dir.
Vering läßt mich nun schon seit einigen Monaten immer Vesicatorien auf beide Arme legen, welche aus einer gewissen Rinde, wie Du wissen wirst, bestehen. – Das ist nun eine höchst unangenehme Cur, indem ich immer ein Paar Tage des freien Gebrauchs (ehe die Rinde genug gezogen hat,) meiner Arme beraubt bin, ohne der Schmerzen zu gedenken; es ist nun wahr, ich kann es nicht leugnen, das Sausen und Brausen ist etwas schwächer, als sonst, besonders am linken Ohre, mit welchem eigentlich meine Gehörkrankheit angefangen hat, aber mein Gehör ist gewiß um nichts noch gebessert; ich wage es nicht zu bestimmen, ob es nicht eher schlechter geworden. – Mit meinem Unterleibe geht’s besser; besonders wenn ich einige Tage das lauwarme Bad gebrauche, befinde ich mich 8 auch 10 Tage ziemlich wohl; sehr selten einmal etwas Stärkendes für den Magen; mit den Kräutern auf den Bauch fange ich jetzt auch nach Deinem Rathe an. – Von Sturzbädern will Vering nichts wissen; überhaupt aber bin ich mit ihm sehr unzufrieden; er hat gar zu wenig Sorge und Nachsicht für so eine Krankheit; käme ich nicht einmal zu ihm, und das geschieht auch mit viel Mühe, so würde ich ihn nie sehen. – Was hältst Du von Schmidt? Ich wechsele zwar nicht gern, doch scheint mir, Vering ist zu sehr Praktiker, als daß er sich viel neue Ideen durchs Lesen verschaffte. – Schmidt scheint mir hierin ein ganz anderer Mensch zu sein und würde vielleicht auch nicht gar so nachlässig sein. – Man spricht Wunder vom Galvanism; was sagst Du dazu? Ein Mediziner sagte mir, er habe ein taubstummes Kind sehen sein Gehör wieder erlangen (in Berlin) und einen Mann, der ebenfalls sieben Jahre taub gewesen und sein Gehör wieder erlangt habe. – Ich höre eben, Dein Schmidt macht hierin Versuche.
Etwas angenehmer lebe ich jetzt wieder, indem ich mich mehr unter Menschen gemacht. Du kannst es kaum glauben, wie öde, wie traurig ich mein Leben seit 2 Jahren zugebracht; wie ein Gespenst ist mir mein schwaches Gehör überall erschienen, und ich floh die Menschen, mußte Misanthrop scheinen und bin’s doch so wenig. – Diese Veränderung hat ein liebes, zauberisches Mädchen hervorgebracht, das mich liebt und das ich liebe; es sind seit 2 Jahren wieder einige selige Augenblicke, und es ist das erste Mal, daß ich fühle, daß Heirathen glücklich machen könnte; leider ist sie nicht von meinem Stande, – und jetzt – könnte ich nun freilich nicht heirathen: ich muß mich nur noch wacker herumtummeln. Wäre mein Gehör nicht, ich wäre nun schon längst die halbe Welt durchgereiset und das muß ich. – Für mich giebt es kein größeres Vergnügen, als meine Kunst zu treiben und zu zeigen. – Glaub nicht, daß ich bei euch glücklich sein würde. Was sollte mich auch glücklicher machen? Selbst eure Sorgfalt würde mir wehe thun, ich würde jeden Augenblick das Mitleiden auf euren Gesichtern lesen und würde mich nur noch unglücklicher finden. – Jene schönen vaterländischen Gegenden, was war mir in ihnen beschieden? Nichts als die Hoffnung auf einen bessern Zustand; er wäre mir nun geworden – ohne dieses . Übel! O die Welt wollte ich umspannen von diesem frei! Meine Jugend, ja ich fühle es, sie fängt erst jetzt an; war ich nicht immer ein siecher Mensch? Meine körperliche Kraft nimmt seit einiger Zeit mehr als jemals zu und so meine Geisteskräfte. Jeden Tag gelange ich mehr zu dem Ziel, was ich fühle, aber nicht beschreiben kann. Nur hierin kann Dein Beethoven leben. Nichts von Ruhe! – ich weiß von keiner andern als dem Schlaf, und wehe genug thut mir’s, daß ich ihm jetzt mehr schenken muß, als sonst. Nur halbe Befreiung von meinem Übel, und dann – als vollendeter, reifer Mann, komme ich zu euch, erneuere die alten Freundschaftsgefühle.
So glücklich als es mir hienieden beschieden ist, sollt ihr mich sehen, nicht unglücklich. – Nein, das könnte ich nicht ertragen, ich will dem Schicksal in den Rachen greifen; ganz niederbeugen soll es mich gewiß nicht. – O es ist so schön, das Leben tausendmal leben! – Für ein stilles Leben, nein, ich fühl’s, ich bin nicht mehr dafür gemacht.
Du schreibst mir doch so bald, als möglich. – Sorget daß der Steffen sich bestimmt sich irgendwo im deutschen Orden anstellen zu lassen. Das Leben hier ist für seine Gesundheit mit zu viel Strapazen verbunden. Noch obendrein führt er ein so isolirtes Leben, daß ich gar nicht sehe wie er so weiter kommen will. Du weißt wie das hier ist; ich will nicht einmal sagen, daß Gesellschaft seine Abspannung vermindern würde; man kann ihn auch nirgends hinzugehen überreden. – Ich habe einmal bei mir vor einiger Zeit Musik gehabt; unser Freund Steffen blieb doch aus. – Empfehle ihm doch mehr Ruhe und Gelassenheit, ich habe schon auch Alles angewendet; ohne diese kann er nie weder glücklich noch gesund sein. – Schreib mir nun im nächsten Briefe ob’s nichts macht, wenn’s recht viel ist, was ich Dir von meiner Musik schicke; Du kannst zwar das, was Du nicht brauchst, verkaufen, und so hast Du Dein Postgeld – mein Portrait auch. Alles Schöne und Verbindliche an die Lorchen – auch die Mama – auch Christoph. – Du liebst mich doch ein wenig? sei sowohl von dieser (meiner Liebe), als auch von der Freundschaft überzeugt Deines Beethoven.