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An Dr. Schade in Augsburg.

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Den 15ten Herbstmonat, Bonn 1787.

Hochedelgeborner

insonders werther Freund!

Was Sie von mir denken, kann ich leicht schließen; daß Sie gegründete Ursachen haben nicht vortheilhaft von mir zu denken, kann ich Ihnen nicht widersprechen; doch will ich mich nicht eher entschuldigen, bis ich die Ursachen angezeigt habe, wodurch ich hoffen darf, daß meine Entschuldigungen angenommen werden. Ich muß Ihnen bekennen: daß, seitdem ich von Augsburg hin weg bin, meine Freude, und mit ihr meine Gesundheit begann aufzuhören; je näher ich meiner Vaterstadt kam, je mehr Briefe erhielt ich von meinem Vater geschwinder zu reisen als gewöhnlich, da meine Mutter nicht in günstigen Gesundheitsumständen wäre; ich eilte also so sehr ich vermochte, da ich doch selbst unpäßlich wurde: das Verlangen, meine kranke Mutter noch einmal sehen zu können, setzte alle Hindernisse bei mir hinweg und half mir die größten Beschwernisse überwinden. Ich traf meine Mutter noch an, aber in den elendesten Gesundheitsumständen; sie hatte die Schwindsucht, und starb endlich, ungefähr vor sieben Wochen, nach vielen überstandenen Schmerzen und Leiden. Sie war mir eine so gute, liebenswürdige Mutter, meine beste Freundin; o! wer war glücklicher als ich, da ich noch den süßen Namen Mutter aussprechen konnte, und er wurde gehört, und wem kann ich ihn jetzt sagen? Den stummen ihr ähnlichen Bildern, die mir meine Einbildungskraft zusammensetzt? So lange ich hier bin, habe ich noch wenige vergnügte Stunden genossen; die ganze Zeit hindurch bin ich mit der Engbrüstigkeit behaftet gewesen, und ich muß fürchten, daß gar eine Schwindsucht daraus entstehet; dazu kommt noch Melancholie, welche für mich ein fast ebenso großes Übel als meine Krankheit selbst ist. – Denken Sie sich jetzt in meine Lage, und ich hoffe Vergebung für mein langes Stillschweigen von Ihnen zu erhalten. Die außerordentliche Güte und Freundschaft, die Sie hatten, mir in Augsburg drei Carolin zu leihen, muß ich Sie bitten, noch einige Zeit Nachsicht mit mir zu haben; meine Reise hat mich viel gekostet, und ich habe hier keinen Ersatz, auch den geringsten zu hoffen; das Schicksal hier in Bonn ist mir nicht günstig. Sie werden verzeihen, daß ich Sie so lange mit meinem Geplauder aufgehalten; alles war nöthig zu meiner Entschuldigung.

Ich bitte Sie, mir Ihre verehrungswürdige Freundschaft weiter nicht zu versagen, da ich nichts so sehr wünsche, als mich Ihrer Freundschaft nur in etwas würdig zu machen.

Ich bin mit aller Hochachtung

Ihr gehorsamster Diener und Freund

L. v. Beethoven, kurf kölnischer Hoforganist.

Ludwig van Beethoven: Ich lebe nur in meinen Noten

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