Читать книгу Die Antiquitätenhändlerin - Madeleine Giese - Страница 9

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Wenn man diese verdammte Karre nur fünf Minuten in der Sonne stehen ließ, war sie schon der reinste Backofen. Ihm ein schwarzes Auto anzudrehen! Diesem Weber würde er was erzählen.

Ungeduldig drehte Dolb den Zündschlüssel. Kühle Luft strömte aus der Klimaanlage. Genüsslich lehnte er sich in den weichen Ledersitz. Kein schlechter Wagen. Mit sanftem Schnurren startete der BMW und rollte durch die vor Hitze flirrenden Straßen.

Interessant, dass Philipp die Weller nicht für vertrauenswürdig hielt. Immerhin kannte er ihre Konten. Gut zu wissen. Wer weiß, wann man diese Information brauchen konnte.

Trotzdem kam es überhaupt nicht in Frage, dass dieser aufgeblasene Eiselein Theos Posten übernahm. Er tat doch jetzt schon so, als wäre er der Chef von Le Chêne. Wie er sich bei dieser Journalistin aufgeführt hatte ...

Die Presseerklärung musste raus. Vielleicht sollte er einen Nachruf schreiben, schließlich waren sie beide im Vorstand. Vereinsbrüder, sozusagen. Gab es da nicht noch ein Foto? Er und Theo bei der Schlossbegehung. Medienpräsenz, das war das Zauberwort.

Mit Schwung drehte er das Steuer und bog in die kleine Seitenstraße. Sogar eine Parklücke vor Eiseleins Haus. War das überhaupt die Paukerhütte? Diese verdammten Reihenhäuser waren ja nicht auseinander zu halten.

Erst nach dem dritten Klingeln wurde die Haustür vorsichtig geöffnet, und Irma Eiselein blinzelte ins Freie. Als sie den Bürgermeister erkannte, riss sie die Tür weit auf.

«Jürgen. Das ist aber nett.»

Irrte er sich oder klang sie vernuschelt? Wahrscheinlich hatte sie wieder ein Glas zu viel.

«Meine liebe Irma.» Gott, ihre Hände fühlten sich an wie trockenes Laub. War sie noch dürrer geworden? Wie ein Skelett sah sie aus.

«Hat dir Heinz nicht erzählt, dass ich vorbeikomme?»

Wollte sie ihn vor der Tür stehen lassen? Sie machte keine Anstalten, ihn hereinzubitten. Nur ein leerer Blick aus Kuhaugen.

«Wir haben telefoniert», erklärte er und schob sich entschlossen an ihr vorbei.

Endlich erwachte sie zum Leben. «Er erzählt mir nie etwas. Heute hat er den ganzen Tag noch kein Wort mit mir geredet.»

«Na, na. Jetzt übertreibst du aber.»

Mit einem Ruck zog sie die Tür hinter sich zu. «Kein einziges Wort.»

Erleichtert hörte er Schritte auf der Treppe. Heinz Eiselein, in obligatorisch schmuddeliger Strickjacke, kam vorsichtig die engen Stufen herunter.

«Ich habe Jürgen erzählt, dass du kein Wort mit mir geredet hast», rief seine Frau ihm entgegen. Ohne sie zu beachten, nickte Eiselein ihm zu. «Gehen wir in mein Arbeitszimmer?»

Der Bürgermeister lächelte Irma an. «Deine Frau sollte auch dabei sein.»

«Siehst du, deine Frau soll auch dabei sein», wiederholte sie triumphierend.

Völlig ausdruckslos sah der Oberstudienrat sie an. Einen kurzen Moment fühlte Dolb Mitleid mit der grobknochigen, hageren Frau.

Im Wohnzimmer waren die Fensterläden gegen die Hitze geschlossen.

«Schön kühl habt ihr es», erklärte Dolb und stieß im Halbdunkel gegen einen Sessel.

Lächelnd öffnete Heinz Eiselein einen der Läden. Ein heller Klecks Sonnenlicht eroberte den Raum. Mit einer lässigen Handbewegung wies der Oberstudienrat auf das braune Sofa.

«Trinkst du ein Gläschen mit mir? Er trinkt nie ein Gläschen mit mir», nuschelte Irma in seinen Rücken.

«Ich muss noch ein paar Besuche machen.»

«Komm. Ein Gläschen.»

«Also gut.» Umständlich zerrte Dolb unter sich eine zerknüllte Decke hervor, die auf dem Sofa lag.

Als der Bürgermeister sich endlich installiert hatte, kam Irma mit Gläsern und einer Flasche zurück und ließ sich neben ihm nieder.

«Könntest du dich bitte kurz fassen? Ich will gleich nach Le Chêne fahren und Theos Listen holen», forderte Eiselein ungnädig.

«Welche Listen?», fragte Dolb verblüfft.

«Möbellisten, Anschaffungen, Arbeitspläne, all das. Nach Theos Tod muss ja einer für Ordnung sorgen.»

«Das würde ich an deiner Stelle nicht tun», sagte Dolb freundlich.

«Es macht mir nichts aus, schließlich muss die Arbeit ja weitergehen.»

«Der arme Theo», schluckte Irma neben ihm. «Ich kann gar nicht glauben, dass er tot ist.» Mit schimmernden Augen füllte sie die beiden Rotweingläser und reichte ihm seins.

Er prostete ihr zu. «Ein schwerer Verlust. Für uns alle und für die Initiative.»

«Jeder ist ersetzbar», sagte Eiselein trocken.

Über den Rand seines Glases musterte Dolb den Mann am Fenster. Aufgeplustert saß er da. So verdammt sicher, dass er jetzt alle Fäden in die Hand bekam. Es war Zeit, ein bisschen Luft aus dem Ballon zu lassen.

Bedächtig stellte er sein Glas auf den braun gekachelten Couchtisch. «Deshalb bin ich hier. Der Ersatz für Theo, ich habe an Marie Weller gedacht.»

Befriedigt sah er, wie der Oberstudienrat verständnislos hinter seinen Brillengläsern blinzelte.

«An wen?»

«Marie Weller. Sie ist Händlerin, sie kennt sich mit alten Möbeln aus und weiß über unsere Arbeit Bescheid. Und vor allem: Sie kennt den Markt.»

Heinz Eiselein schnappte nach Luft.

Behaglich fuhr der Bürgermeister fort: «Von uns hat keiner die gleiche Qualifikation. Zeit hat sie auch. Dir könnte man diese Aufgabe doch gar nicht zumuten, neben der Schule. All dieses Herumfahren, das Aufspüren, die Verhandlungen. Abgesehen davon, dass es ja auch nicht dein Metier ist.»

«Nicht mein Metier?», kam es atemlos vom Fenster. «Ich bin doch derjenige, der Le Chêne am besten kennt. Ich habe mich am meisten damit beschäftigt ...»

«Das war Theo», unterbrach ihn der Bürgermeister. Ein lautes Aufschluchzen von Irma ließ ihn kurz zusammenzucken.

«Morgen Abend werde ich Marie Weller vorschlagen. Ich bin sicher, dass sie die Beste für diesen Job ist. Und wir wollen doch alle das Beste für Le Chêne, oder?»

Mit schmalen Lippen erhob sich Heinz Eiselein. «Sei nicht böse, Jürgen, aber ich möchte jetzt weiterarbeiten.»

Dolb spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Schmiss der Kerl ihn etwa raus? Lächelnd stand er auf und knöpfte sein Jackett zu. «Und denk bitte daran, Theos Papiere dort zu lassen, wo sie sind. Frau Weller wird sie brauchen.» Ein kurzes Nicken, und er stapfte hinaus.

«Ich frage mich nur, wer Theo geschubst hat», murmelte Irma Eiselein in ihr Glas.

Langsam wendete ihr Mann den Kopf. Er schien nur allmählich diese zusammengesunkene Gestalt auf dem Sofa, die ihr Glas umklammerte, wahrzunehmen.

Er holte Luft. «Es war ein Unfall. Theo ist aus dem Fenster gefallen.» Mit diesen Worten verließ er den Raum. Als sie seine Schritte die Treppe hochpoltern hörte, hob sie ihr Glas und flüsterte: «Sie haben ihn geschubst, auf Le Chêne. Wie damals Fritz.»

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