Читать книгу Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12) - Madeleine Puljic - Страница 25
18.
ОглавлениеÜbellaunig musterte Perry Rhodan die dreidimensionale Darstellung der Neuankömmlinge im Außenbeobachtungsholo. Ihm standen wenige Informationen zur Verfügung, sodass seine Analyse der Lage lückenhaft bleiben musste.
A-Kuatonds Schiff allein, der fraktale Schwarm von Pyramiden, war keine Gefährdung für die SOL – zumindest nicht in dem hochgerüsteten Zustand, der ihr eine Chance im Kampf gegen die Kosmokrateneinheit NEUBEGINN hatte geben sollen. Nun aber lauerten vier Großeinheiten im System, jede von unterschiedlicher Bauart und jede sicher mit ihren ganz eigenen Stärken in der Hinterhand. Sie bekannten sich wie A-Kuatond zu BARIL, ihre Größenklasse war vergleichbar – Rhodan war überzeugt, dass sie es nun mit vier Rittern des Ordens zu tun hatten statt einem.
Das war die Stelle in seinen Überlegungen, an der sein Nichtwissen gefährlich wurde. Er hatte keine Ahnung, welche Ausstattung die Superintelligenz BARIL ihren Rittern spendiert hatte.
Verfügten die Raumschiffe beispielsweise über eine Waffe wie ein VRITRA-Geschütz, das die Fraktale Aufriss-Glocke der SOL zu durchdringen vermochte? Terraner und Arkoniden hatten es einst mühevoll und unter schweren Verlusten im Kampf gegen TRAITOR entwickelt.
Aber BARIL bewegte sich fraglos schon länger im Konfliktfeld zwischen Kosmokraten und Chaotarchen. Vielleicht hatte sie etwas im Arsenal, das den besten Schutz der SOL problemlos neutralisieren konnte. A-Kuatonds Schwarmschiffe waren zu klein für solche Kaliber, aber die anderen drei Einheiten?
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Tess Qumisha.
»Wir können fliehen«, sagte Rhodan. »Das wäre definitiv das Vernünftigste.« Er seufzte. »Nur sieht unser Freund Eroin Blitzer das anders, oder?«
Der Androide verzog keine Miene. »Ich rate davon ab. Wenn wir jetzt nicht in Verhandlungen treten, verlieren wir die wahrscheinlich letzte Chance, den Rittern Informationen zu entlocken.«
»Und das wäre nicht klug, oder was?« Qumisha sah aus, als würde sie dem ungebetenen Gast liebend gern den Kopf abreißen.
»Korrekt«, gab Blitzer unbeeindruckt zurück.
»Wie willst du uns eigentlich weiter erpressen?«, fragte Qumisha gereizt. »Die NEUBEGINN ist Millionen Lichtjahre weit entfernt! Sie kann uns hier überhaupt nicht mehr gefährlich werden!«
Verwundert öffnete Blitzer seine ohnehin schon großen Augen noch weiter. »Glaubst du ernsthaft, die Kosmokraten sind auf ein einziges Schiff angewiesen?«
Rhodan mahlte mit Zähnen. Bluffte der Androide? Möglicherweise.
Konnte Rhodan die SOL auf diese Vermutung hin riskieren? Definitiv nicht.
»Wir bleiben«, entschied er, »und versuchen, den Kontakt irgendwie in eine positive Richtung zu biegen. Wir müssen etwas über diese Ritter erfahren, und das tun wir nicht, wenn wir vor ihnen weglaufen.«
Qumisha öffnete den Mund.
»Wir bleiben fluchtbereit«, fuhr Rhodan fort. »Wenn es gefährlich wird, sind wir weg.«
Qumisha entspannte sich wieder. Ein wenig zumindest.
Glücklich war Rhodan nicht mit seiner Entscheidung. Sie erschien ihm aber die am wenigsten schlechte aus einem ganzen Strauß höchst unattraktiver Möglichkeiten. Konzentriert beobachtete er die Lage, um erforderlichenfalls schnell auf eine neue Strategie umschwenken zu können.
Die größte unter den drei neuen Einheiten sah aus wie ein platt gedrückter Kreisel, ein zur Mitte hin aufgewölbter Diskus, aus dessen oberem und unterem Pol zwei lange Dornen wuchsen. Der Diskus durchmaß knapp zweieinhalb Kilometer und war einen Kilometer hoch. Die Dornen, an der Basis kreisrund mit zweihundert Metern Durchmesser, an ihrem Ende nadelspitz, waren jeweils achthundert Meter lang.
Das Raumschiff war größtenteils schwarz, doch wenn das Licht der Sonne Diulu sich auf der Oberseite des Diskusses brach, wurden in zwei gegenüberliegenden Segmenten Farbverläufe durch alle Farben des Regenbogens sichtbar.
Dies war das Schiff, von dem der Befehl zum Einstellen des Feuers gekommen war. Es kümmerte sich jedoch nicht um die Kampfzone, sondern flog auf den Planeten Diulu zu.
Akuter Grund zur Sorge waren stattdessen die beiden anderen Einheiten. Eine davon war hell und schillerte im Licht der blauen Sonne. Das Raumfahrzeug hatte die Form eines Wassertropfens, aber von der Größe eines ganzen Ozeans. Fasziniert beobachtete Rhodan, dass bei einem Kurswechsel nicht etwa die ganze starre Gestalt in eine neue Richtung schwenkte. Vielmehr verformte sich das Schiff, nahm zwischendurch die Gestalt eines lang gezogenen Ovoiden an, bevor sich als neues Heck auf dem neuen Kurs wieder die Spitze eines Tropfens herausbildete. Er fragte sich, ob das Gebilde wirklich flüssig sein konnte. Sein Flugverhalten jedenfalls glich dem von Wasser, das in freiem Fall in einen anderen Schwerkraftvektor hineingeriet.
Das dritte Schiff wirkte im Vergleich dazu unspektakulär, für sich genommen war es aber ebenfalls eindrucksvoll: eine zwei Kilometer lange, violette Walze, deren Oberfläche über und über mit filigranen Aufbauten unklaren Zwecks bedeckt war. Von den Proportionen her erinnerte der Zylinder an den Mittelteil der SOL. Seine Farbe hingegen ließ Rhodan an das Kobaltblau der Kosmokratenschiffe denken – wie der LEUCHTKRAFT, auf der das ganze Yahouna-Desaster seinen Anfang genommen hatte. Wenn dieses Raumschiff auch nur über einen Bruchteil von deren Möglichkeiten besaß, musste die SOL sich vor ihm in Acht nehmen.
»Wir schicken eine Begrüßung«, ordnete Rhodan an. »Versuchen wir, einen guten Eindruck zu machen.«
Die freundliche Geste wirkte nicht. Es kam zwar wieder ein Kontakt zustande: Erneut erklang die gellende Stimme, dieses Mal begleitet von einem holografischen Symbol, das Rhodan an zwei stilisierte Waagschalen erinnerte. Der Hintergrund und sein Umfeld waren animiert, ein Orkan aus goldenem Staub. Trotz der wilden Umgebung schwankten die Schalen jedoch um keinen Millimeter.
Was der Fremde zu sagen hatte, war so ziemlich das Gegenteil von dem, was Rhodan hören wollte. »Die unbekannte Einheit hat einen Ritter BARILS behindert und angegriffen. Die unbekannte Einheit wird sich verantworten, sobald der Geschehensablauf analysiert wurde. Die unbekannte Einheit desaktiviert ihren Antrieb und Schutzschirm.«
»Von wegen«, murmelte Rhodan. Dann antwortete er: »Die unbekannte Einheit heißt SOL, und der Ablauf war folgendermaßen: Wir sind ...«
Viena Zakata unterbrach ihn kopfschüttelnd. »Sie empfangen dich nicht.«
A-Kuatond tauchte in einem weiteren Komholo auf. Sie würde mit Sicherheit gehört werden. »Die Einheit namens SOL ist im System erschienen, während ich BARILS Befehl folgend das verbrecherische Volk der Truvaud geerntet habe. Sie hat Forderungen gestellt und unprovoziert angegriffen, als ich nicht darauf eingegangen bin.«
»Ich brauche eine Verbindung!«, rief Rhodan.
Zakata zog die Oberlippe hoch, sodass seine vorstehenden Zähne voll zur Geltung kamen, und hob entschuldigend die Schultern. »Was soll ich denn tun?«
»Wir senden auf Normal- und Hyperfunk«, entschied Rhodan grimmig. »Dann halt ohne Empfangsbestätigung. Sie werden schon darauf achten, welche Signale ihr Gegner von sich gibt.«
Als Zakata ihm das Bereit-Zeichen gab, sprach Rhodan: »Wir sind mit euren Sitten und Gebräuchen nicht vertraut und haben gemäß der moralischen Werte meines Volkes gehandelt.«
»Euer Volk schützt Mörder vor der rechtmäßigen Strafe?«, fragte A-Kuatond gehässig.
Aha, dachte Rhodan. Sie hören also zu. Das war schon einmal die halbe Miete.
Wieder meldete sich die unangenehme, gesichtslose Stimme. »Die Besatzung der unbekannten Einheit hat möglicherweise ohne Kenntnis ihrer Schuld gehandelt. Sie wird zum Exil verurteilt. Nach Ende der Ernte wird sie ihr Schiff verlassen und auf der verwaisten Welt Diulu angesiedelt.«
Verblüfft nahm Rhodan das Verdikt zur Kenntnis. Er hatte mit einer Auseinandersetzung, einer Abwägung von Argumenten gerechnet – nicht mit einem sofortigen, standrechtlichen Urteil.
A-Kuatond hingegen hatte das Ergebnis wohl kommen sehen. Als hätten sie nur auf den Schuldspruch gewartet, setzten sich ihre Pyramidenraumer in Bewegung und kreisten die antriebslos driftende SOL ein.
»Nein!«, wollte Rhodan rufen, da fuhr hinter ihm ein Schott auf. Kurz sah er über die Schulter, um herauszufinden, wer ausgerechnet in diesem kritischen Moment in die Zentrale platzen musste.
Es war der Kuum, zu Rhodan kompletter Verblüffung. Der Anführer der Bescheidenen Diener Senns – jenes finsteren Ordens, der viele Jahrzehnte über die Nachfahren der Solaner auf Evolux geherrscht hatte. Der Ururenkel von Tess Qumisha und Benjameen da Jacinta, mit Qumishas schwarzem Haar und da Jacintas arkonidenroten Augen. Befehlsgewohnt gab er Zakata ein Zeichen, die Funksendung zu unterbrechen.
»Denke wie ein Ordensmann!«, sagte er zu Rhodan. »Du warst Ritter der Tiefe, du kannst nicht alles vergessen haben. Die Ritterin BARILS hat dir alles gesagt, was du brauchst.«
Damit drehte er um und verließ die Zentrale wieder.
Fragen kaskadierten durch Rhodans Kopf. Wieso öffnete sich das Zentraleschott für den Kuum? Woher wusste er überhaupt, was gerade geschah?
Vor allem aber: Wovon hat die düstere Gestalt da geredet?
Dann traf ihn die Erkenntnis. »Viena!«, rief er.
Zakata nickte. Der Funkkanal war wieder offen.
»Wir sind ins System gekommen«, setzte Rhodan nahtlos an der Stelle an, an der er unterbrochen worden war, »und haben einen ungleichen Kampf gesehen. Die Schiffe der Ritterin A-Kuatond haben ein Volk angegriffen, das sich in keiner Weise wehren konnte. Wir Terraner glauben an das Gleichgewicht im Universum. Deshalb haben wir eingegriffen, um das Übergewicht auszugleichen – zumindest so lange, bis wir uns von den Behauptungen der beiden Konfliktparteien selbst überzeugen konnten. Wenn ihr uns dafür verurteilen wollt, so werden wir das akzeptieren.«
Oder eben doch fliehen, setzte er den Satz in Gedanken fort. Das würde ihre eigentliche Aufgabe in dieser Galaxis aber sehr viel schwerer machen. Besser war es, die derzeitig verfahrene Situation so umzubiegen, dass man einen Kontakt zu den Rittern aufbauen konnte – idealerweise einen Kontakt auf Augenhöhe.
Nun kam es darauf an, wie sich der unsichtbare Sprecher der Ritter entschied. Rhodan hatte sich auf das Gleichgewicht berufen. Es war der zentrale Wert des Ordens, wenn man A-Kuatonds Worten Glauben schenken konnte. Das musste nach menschlichem Ermessen eine Auswirkung auf das Urteil haben. Allerdings war menschliches Ermessen nicht immer ein sinnvoller Maßstab, um das Verhalten von Außerirdischen zu prognostizieren.
In diesem Fall jedoch funktionierte es. »Der Fall ist komplizierter als zunächst vermutet«, verkündete die Stimme. »Der ganze Orden muss darüber urteilen. Die Entscheidung fällt auf Kessaila.«
Rhodan wartete auf weitere Erklärungen, doch zunächst kam nichts mehr. A-Kuatonds Schiffe verharrten.
Dann jedoch meldete sich Zakata. »Das Wassertropfenschiff hat uns einen Datensatz geschickt. Zielkoordinaten und Informationen. Kessaila ist die Ritterwelt, der Stammsitz des Ordens.«
Rhodan drehte sich langsam zu Eroin Blitzer um. »Wie hast du das gemacht?«, fragte er kühl.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, entgegnete der Androide.
»Wir tauchen auf und werden in einen Kampf hineingezogen, an dessen Ende wir genau dorthin gebracht werden, wo du uns von Anfang an haben wolltest«, sagte Rhodan eisig. »Fünfundzwanzig meiner Leute sind dafür gestorben. Wenn du das geplant hast, wirst du dafür bezahlen.«
»Ich trage keine Schuld«, behauptete der Androide. »Im Gegenteil habe ich versucht, dich von den Handlungen abzubringen, die zu diesem Ende geführt haben. Wenn ich den von dir unterstellten Plan verfolgt hätte, hätte ich dich zwischenzeitlich anders beraten.«
Außer, dachte Rhodan, du wusstest, dass ich nicht auf dich hören würde. Dann wäre es einfach nur sinnvoll gewesen, um dir ein Alibi zu verschaffen.
Das aber ließ sich nicht beweisen. Somit kam ein weiteres offenes Rätsel zu den vielen hinzu, die sich ihnen seit ihrer Ankunft in Yahouna bereits gestellt hatten.
»Wir sollen im Konvoi mit den Ritterschiffen fliegen«, zitierte Zakata die Botschaft weiter. »Jeder Fluchtversuch führt zu unserer Vernichtung. A-Kuatond schickt ihre Roboter an Bord, um sicherzustellen, dass wir den Anweisungen der Stimme von BARIL Folge leisten.«
»Meinetwegen«, sagte Rhodan. »Die Roboter werden wir notfalls schon irgendwie wieder los. Das wäre doch ein interessantes Forschungsprojekt für eine qualifizierte Hyperphysikerin.«
Er sah Qumisha an. Sie nickte.
»Start ist in einem Zeitintervall, das in unserer Zeitrechnung zwölf Minuten entspricht«, teilte Zakata mit. »Nein, warte ... A-Kuatond meldet, dass sie Zeit für Reparaturen braucht. Start des Konvois in gut drei Stunden.«
Rhodan lächelte kampflustig. »Sehr gut. Das lässt auch uns noch Zeit für ein paar Vorbereitungen. SENECA, tut es der Bordfunk eigentlich wieder?«
»Die bordinterne Kommunikation muss nach wie vor über Handfunkgeräte substituiert werden«, antwortete das Schiffsgehirn. An sich hatte Rhodan SENECAS Markenzeichen erwartet, das stets leicht beleidigt klingende »Das wüsste ich aber«. Es wurde Zeit, die Biokomponente der Hyperinpotronik mit der Positronik zu verbinden, damit die SOL sich wieder komplett anfühlte.
Rhodan nahm das Handgerät und meldete sich bei seinem Sohn. »Bist du immer noch bei den Beibooten?«
»Ja«, kam Roi Dantons knappe Antwort. »Die Letzten schleusen gerade wieder ein.«
»Zögere es hinaus«, sagte Rhodan. »Fingiere eine Störung, lass das Hangartor offen.«
»Darf ich fragen ...« Danton musste den Rest des Satzes gar nicht aussprechen.
»Du gehst in den Einsatz«, informierte ihn Rhodan. »Eine Taktik, die wir zu Hause oft erfolgreich angewendet haben, während ihr in der Proto-Chaotischen Zelle festgesteckt habt: die geheime Nachhut. Wir haben schließlich noch ein ganz besonderes Schmuckstück an Bord.« Er grinste.
»Varantirs Korvette.« Danton begriff sofort. Der Algorrian war eine Weile lang mit einem von der SOL stammenden Beiboot unterwegs gewesen, bevor er es im Verlauf der Ereignisse um Evolux wieder an Bord hatte zurücklassen müssen. Niemand wusste, welche Modifikationen er inzwischen an dem Kugelraumer vorgenommen hatte. Nur dass er über ein unübliches und hocheffizientes Tarnsystem verfügte, war bekannt. »Wen nehme ich mit?«
»Wen du willst«, antwortete Rhodan. »Wir wissen nicht, was uns bevorsteht, ob, und wenn ja, wofür wir deine Unterstützung brauchen. Du solltest also auf alles vorbereitet sein.«
»Wird gemacht.« Rhodan musste Danton nicht sehen. Er wusste auch so, dass sein Sohn sich gerade die Hände rieb. »Bis wann?«
»Angeblich haben wir drei Stunden. Sicherheitshalber solltest du in einer Stunde ausschleusen.«
»Kein Problem.« Danton klang zufrieden. »Das Tor bleibt wie zufällig offen, und die CALAMAR bricht in einer Stunde auf.«
Rhodan lächelte. »Will ich es wissen?«
»Kein großes Geheimnis«, kam Dantons Stimme aus dem Gerät. »Kalmare verfügen über hervorragende Tarnfähigkeiten, also ein passender Name für das Schiff. Und sie sind ausgesprochen lecker. Ich mag Calamari.«
»Überzeugend«, stimmte Rhodan zu. »Petri Heil!«
Roi Danton verabschiedete sich und beendete das Gespräch.
Es tat gut, ein paar zwanglose Worte in ernster Lage zu wechseln.
Dann blickte Perry Rhodan auf das taktische Holo, auf die riesigen und bedrohlichen Schiffe. Diese Giganten würden sie also zur Stammwelt der Ritter bringen – so weit, so gut.
Was ihnen dort bevorstand, war leider nicht vorauszusehen.