Читать книгу Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12) - Madeleine Puljic - Страница 40

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9.

Kessaila, BARILS Adyton

Endlich verblasste das Hologramm. Der Boden unter Perry Rhodans Füßen gewann wieder an Substanz, die Schwerkraft kehrte zurück. Da erst fiel ihm auf, wie sehr seine Sinne während der Prüfungen durcheinandergeraten waren.

Wie viele Stunden hatte er in der Simulation verbracht? Er fühlte sich, als wäre er einen Marathon gelaufen, mit dem Gewicht einer Space-Jet im Schlepptau. Dabei hatte er sich keinen Zentimeter aus der Mitte des Raums entfernt. Jedenfalls nicht körperlich.

Mit unsicheren Schritten stolperte er zur Wand, schöpfte Wasser aus dem Springbrunnen und trank in gierigen Schlucken. Anschließend klatschte er sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht. Die kühle Nässe half ihm, in die Realität zurückzufinden.

Wie viele Lebewesen hatte er sterben sehen, seit er den Prüfungsraum betreten hatte? Welches sadistische Spiel sollten diese Tests darstellen?

Semmaru hatte richtiggelegen, als er von wachsend schwierigen moralischen Dilemmata gesprochen hatte.

Wie viel war ein Leben wert? Welches Leben verschonte Rhodan, und zu welchen Bedingungen? Rettete er eines, wenn dafür ein anderes erlosch, das ohne sein Eingreifen unangetastet geblieben wäre? Was, wenn zehn Leben gegen eins standen? Oder tausend? Wenn Kinder beteiligt waren oder die Letzten einer Art? Wo zog man die Grenze?

Ein leises Schaben riss Rhodan aus seinen Grübeleien. Die Tür des Prüfungsraums öffnete sich, und herein trat der Diplomat.

Fast wäre es Rhodan lieber gewesen, wenn stattdessen A-Kuatond erschienen wäre. Immerhin hatte sie ihm diesen Mist eingebrockt. Semmaru dagegen konnte er seine Situation nicht vorwerfen. Der Diplomat hatte zumindest versucht, Rhodan auf die Prüfungen vorzubereiten.

Auch diesmal gab er sich ungebrochen guter Laune. »Du hast dich gut geschlagen«, sirrte er.

»Schön.« Rhodan ließ die Hände sinken und wischte sie an seinen Hosenbeinen trocken. »Hattet ihr Spaß beim Zusehen?«

»Es geht doch nicht um unsere Unterhaltung«, protestierte der Ritter. »Es geht allein darum, deine Absichten zu verstehen.«

»Und, ist euch das wenigstens gelungen?« Rhodan konnte die Bitterkeit in seiner Stimme nicht völlig verbergen, aber das war ihm gleichgültig. Die Ritter hatten ihn beobachtet, sie hatten gesehen, dass ihm keine der Entscheidungen leichtgefallen war.

Semmaru neigte den Kopf zur Seite. »Wir beginnen zu verstehen. Aber wie ich bereits sagte, die Tests werden mehrere Tage in Anspruch nehmen.«

»Ja, das sagtest du.« Weitere Tage, in denen er sich Szenarien stellen musste, für die es keine befriedigende Lösung gab. Jedenfalls nicht für ihn. Er wollte keinen Ausgleich, er war niemand, der wegsah. Aber egal auf welche Weise er es versucht hatte – mit Taten, mit Worten, mit Taktik oder Empathie ... Für jedes Mal, da es ihm gelang, Leben zu retten, endete ein anderes im Desaster. Ganz gleich, wie lange diese Prüfung noch andauerte – Rhodan glaubte nicht länger daran, dass er sie zu BARILS Zufriedenheit bestehen konnte.

Was bedeutete, dass er die Besatzung der SOL zum Tod verdammte, sobald das Urteil fiel. Aber wenn er sich den Tests verweigerte, würde er sie diesem Schicksal nur umso schneller ausliefern.

So weit durfte er es nicht kommen lassen. Er musste einen Weg finden, um sich aus dieser Zwickmühle zu befreien.

Und seine beste Option dafür war Semmaru.

Rhodan graute vor dem, worum er nun bitten musste, doch er setzte ein freundliches Lächeln auf. »Dann würde ich gern etwas essen, um mich auf die nächsten Tests vorzubereiten.«

Die Facettenaugen des Diplomaten zitterten erfreut. »Ausgezeichnet! Ich begleite dich.« Mit einem leisen Sirren drängte er an Rhodan vorbei, so nah, dass der Terraner die Kühle der Chitinschuppen am Handrücken spürte.

Genau darauf hatte Rhodan gewartet. Er reagierte blitzschnell.

Semmarus Sensorik war nicht sonderlich ausgeprägt, das hatte Rhodan bereits bei ihrem ersten gemeinsamen Essen registriert. Andernfalls hätte Semmaru die Fliege, die ihm in den Kragen gekrabbelt war, bestimmt gestört. Also handelte Rhodan. Ein kurzer Griff, und das Permit des Diplomaten lag in seiner Hand. Hastig schob er es in seinen Ärmel.

Das Insektenwesen hatte von all dem offensichtlich nichts mitbekommen. Es stakste mit erwartungsvoll zuckenden Klauen in Richtung Kantine davon.

Die Aussicht, ein weiteres Mal dem Geruch von fauligem Fleisch ausgesetzt zu sein, war nicht gerade appetitanregend, aber nach Essen stand Rhodan ohnehin nicht der Sinn. Ihm ging es nur darum, den Diplomaten abzulenken.

Der eilte schnurstracks auf den Versorgungsapparat zu. Halb erwartete Rhodan, dass spätestens nun ein Alarm losgellte, weil der Versorgungsapparat kein Identitätssignet fand, das er scannen konnte. Dann hätte Rhodan immer noch behaupten können, Semmaru hätte das Gerät bloß verloren. Doch die Maschine spuckte bereitwillig ein stinkendes Etwas aus, das roch wie ein ausgewachsener Komposthaufen.

Rhodan seufzte stumm. Er hatte schon schlimmere Opfer für die Menschheit gebracht. Aber selten hatten sie so übel gerochen.

Während er auf seine eigene Mahlzeit wartete, löste er sein eigenes Permit unauffällig vom Kragen.

Dann nahm er sein Tablett und setzte sich dem Ritter gegenüber. Rhodan warf einen bedauernden Blick auf das saftige Steak, das auf seinem Teller lag. Es war verdammt schade drum. Aber genauso gut hätte da eine gepfefferte Schuhsohle liegen können. Er säbelte lustlos einen Bissen nach dem anderen ab und kaute mechanisch darauf herum, wobei er versuchte, das Schmatzen zu ignorieren, mit dem Semmaru in seiner Schüssel wühlte.

Die ganze Zeit wartete Rhodan darauf, dass endlich das letzte Faulfleischstück im Maul seines Gegenübers verschwand. Als Semmaru genüsslich schmatzend die Schüssel von sich schob, ließ auch Rhodan das Besteck sinken.

Jetzt!

In einer viel zu intimen Geste legte er dem Ritter die Hände auf beide Schultern, danach die Rechte an die Brust. »Ich möchte dir für deine Hilfe danken. Dafür, dass du an mich glaubst.«

Der Insektoide wirkte keinen Augenblick lang irritiert. Ganz seiner Diplomatenrolle entsprechend, akzeptierte er Rhodans Geste als fremdartigen Brauch und störte sich nicht daran. Er sirrte nur leise.

Rhodan erhob sich, als wäre nichts Ungewöhnliches an seinem Tun gewesen. Als hätte er dem Diplomaten nicht gerade ein überzähliges Permit an den Kragen gesteckt. »Entschuldige mich bitte. Ich möchte die Zeit bis zur nächsten Prüfung nutzen, um mich eingehender mit BARILS Botschaft auseinanderzusetzen.«

»Ja, tu das.« Semmaru sah aus ausdruckslosen Facettenaugen zu ihm hoch. Vermutlich fragte er sich gerade, welche Antworten Rhodan noch in diesen hanebüchenen Aufzeichnungen finden wollte.

Oder er verdaute einfach nur seine Proteinmahlzeit.

Rhodan kippte die Reste seines Steaks in den Verwerter und machte sich auf den Weg in sein Quartier.

Mit jedem Schritt, den er zwischen sich und die Kantine brachte, wuchs seine Anspannung. Was, wenn Semmaru bereits an der ersten Tür bemerkte, dass mit seinem Permit etwas nicht stimmte – und wenn er daraus die richtigen Schlüsse zog? Wenn er wutentbrannt hinter Rhodan herstürmte, mit Wachrobotern im Schlepptau?

Aber alles blieb still. Auch in seinem Quartier wartete niemand auf Rhodan. Er war allein.

Langsam atmete er aus. Er zog das Permit des Diplomaten aus dem Ärmel und drehte es eine Weile zwischen den Fingern.

Er war ein gewaltiges Risiko eingegangen. Aber es war notwendig gewesen. Er hatte keineswegs vor, das Schicksal der SOL – oder sein eigenes – davon abhängig zu machen, dass er einen Test bestand, dessen Regeln er nicht verstand. Wenn Semmaru die Wahrheit gesagt hatte und sich Rhodan in der Zitadelle relativ frei bewegen konnte, würde der Permittausch nicht sofort auffallen.

Sobald er bemerkt wurde, würde es allerdings ein Leichtes sein, Rhodan die Tat mit Kameraaufzeichnungen nachzuweisen. Aber er hatte nicht vor, dann noch im Adyton zu sein. Eroin Blitzer und die Kosmokraten wollten, dass er BARILS Orden ausspionierte. Das würde er mit Semmarus Zugangsberechtigungen schneller schaffen als allein. Und dann gab es nichts mehr, was ihn in Yahouna hielt.

Er kannte den Weg zum Raumhafen, und nun hatte er auch, was er benötigte, um ihn zu erreichen.

BARILS Ritter und deren Urteil konnten ihm gestohlen bleiben. Entschlossen befestigte Rhodan das neue Permit an seinem Kragen. Er würde warten, bis es Nacht war. Dann würde er verschwinden. Und bis dahin würde er tun, was er angekündigt hatte.

Mit einer knappen Handbewegung aktivierte Perry Rhodan ein weiteres Mal BARILS Botschaft.

Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12)

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