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»Was wissen Software-Entwickler schon über die Welt!«

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Meiner eigenen Erfahrung nach, und bestätigt durch akademische Forschung6, sind viele Software-Entwickler introvertierte Menschen, die sich – aufgrund einer eher eng gefassten Ausbildung und aufgrund erster Berufserfahrungen – schwer damit tun, die Welt aus der Perspektive anderer zu sehen. Sie sehen selten die unbeabsichtigten Folgen und Nebenwirkungen der digitalen Technologie für die Gesellschaft. Eine Studie mit dem Titel »Personality Types in Software Engineering«7 von der University of Western Ontario kam zu dem Schluss:

»Wenn Software-Entwickler darüber diskutieren, wie eine Aufgabe erfüllt werden muss, hat die Mehrheit oft Schwierigkeiten damit zu verbalisieren, wie sich die Aufgabe auf die beteiligten Personen auswirkt. Der größte Unterschied zwischen Software-Entwicklern und der allgemeinen Bevölkerung ist tatsächlich der, dass Entwickler prozentual gesehen häufiger Maßnahmen auf Grundlage ihrer Gedanken und nicht auf Grundlage der Gefühle anderer ergreifen. Das trägt nicht wirklich dazu bei, die Software-Entwickler dem Anwender näherzubringen.«

Ingenieure in den USA haben normalerweise einen ähnlichen Hintergrund, sagt Professor Walker aus Berkeley. »Die sorgfältig behüteten, technisch gut vorbereiteten, aber sozial ungebildeten Ingenieure haben eine lange Geschichte. Als ich in Stanford studierte, wollte ich Ingenieur werden, bis mir klar wurde, dass 80-90 Prozent aller meiner Kurse festgelegt waren. De facto heißt das, dass man eigentlich nichts über gesellschaftliche Themen lernt, sondern sich völlig darauf fokussiert, gute Brücken oder Maschinen für den Produktionsapparat zu bauen und das Ganze nie in Frage stellt. Viele dieser Jungs sind also einfach sozial unzureichend auf das Leben vorbereitet.«

Ja, das mag übertrieben klingen, aber es dient der Verdeutlichung eines sehr ernsten Aspekts: Wir sollten uns nicht wundern, wenn Entwickler Programme schreiben mit wenig intuitivem Verständnis dafür, welche Folgen sie in der realen Welt haben könnten. Erst lernen sie wenig bis nichts über Themen der Geisteswissenschaften. Anschließend finden sie sich in einer Burschenschafts-ähnlichen Atmosphäre wachstumsstarker Start-up-Unternehmen wieder. Diese größtenteils in einer Ecke von Kalifornien oder Seattle angesiedelten Firmen bilden dann wiederum selbst Blasen.


Abb. 2.1: Die Herausforderung der Tech-Giganten: Diversität von ethnischer Zugehörigkeit und Geschlecht

Das Ganze wird noch durch die Tatsache verstärkt, dass das Valley trotz seiner »aufgeschlossenen« Weltanschauung und seiner Selbstdarstellung als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit immer schon überwiegend männlich, weiß oder asiatisch war und immer noch ist (siehe Abbildung 2.1).

Was den Mangel an Frauen betrifft, so verstecken sich Führungskräfte der Tech-Branche gerne hinter der Ausrede, dass sich nicht genügend Frauen in den entsprechenden naturwissenschaftlichen, technischen, ingenieurwissenschaftlichen und mathematischen MINT-Fächern an der Universität einschreiben. Tatsächlich brechen viele Frauen diese Studiengänge ab oder gehen anschließend in andere Berufe, weil die »Bro-Culture« allzu oft von Belästigung, Frauenfeindlichkeit oder offener Ausgrenzung geprägt ist. Laut einer eigenen Studie über eingeschriebene Studentinnen an der MIT »fühlen sich Frauen oft ausgegrenzt, besonders im Rahmen von Praktika, anderer Semesterferienjobs oder teambasierter Bildungsaktivitäten. Die Geschlechterdynamik in diesem Umfeld bietet Männern offenbar häufiger anspruchsvollere Arbeitsmöglichkeiten, während Frauen eher gefragt sind für Routineaufgaben oder einfache Führungsaufgaben.«8

Frauen machen etwa 13 Prozent der Beschäftigten in der Tech-Branche aus. Man stelle sich vor, wie anders Software-Entwicklung aussehen könnte, wenn diese Zahlen anders aussähen – und wie viel höher der Empathie-Quotient wäre. Beim Thema Führungspositionen (Management) verschlechtert sich das Bild noch weiter:9 Bei Facebook waren nur 3 Prozent der Führungskräfte People of Colour, bei Uber, Microsoft und Google waren es 2,8 Prozent, 2,2 Prozent und 2 Prozent. Ähnlich sieht es bei Facebook aus: Nur 3 Prozent der Führungspositionen waren von Menschen mit Latino-Hintergrund besetzt. Bei Twitter, Google und Uber waren es 2,3 Prozent, 2 Prozent bzw. 1,4 Prozent. Bei Twitter (33 Prozent), Apple (29 Prozent), Facebook (28 Prozent), Amazon (25 Prozent), Google (25 Prozent), Uber (21 Prozent), Microsoft, Intel und Pinterest (19 Prozent) hatten Frauen nur ein Drittel oder deutlich weniger Führungspositionen inne.

Die Situation wird zumindest in einigen Bereichen langsam besser und in einigen Gegenden werden verstärkt Anstrengungen unternommen. Dennoch wird sich dieser seit langem bestehende Mangel an ethnischer und geschlechtsspezifischer Vielfalt wahrscheinlich so lange fortsetzen, bis sich die Zahl der Informatikabsolventen in der Zusammensetzung der Bevölkerung besser widerspiegelt. Jüngste Statistiken zeigen zum Beispiel, dass sich in den USA der Frauenanteil bei den Bachelor-Abschlüssen in Informatik von einem Höchststand von etwa 37 Prozent im Jahr 1984 langsam auf einem Niveau von etwa 18 Prozent zwischen 2007 und 2016 einpendelt.10 Der Anteil in den Informatik-Studiengängen nach Rasse/Ethnizität lag zwischen 2015 und 2016 bei etwa 10 Prozent für People of Colour, 12 Prozent für Latinos und 7 Prozent für Asiaten.11

Es überrascht nicht, dass diese tief verankerte Unterrepräsentation von Minderheiten oft zu einseitigen Denkmustern und einem Mangel an unterschiedlichen Perspektiven führt. Dies löste im Laufe der Jahre einige Katastrophen aus, wie beispielsweise bei der Bilderkennungs-Software von Google, die schwarze Personen notorisch als Gorillas kennzeichnete (wie sich später herausstellte, war die einzige Lösung, die den Google-Entwicklern damals dazu einfiel, Gorillas aus ihren Bildbeschriftungsalgorithmen zu entfernen).12 Obendrein wurden in der Google-Autovervollständigung unter anderem die Leugnung des Holocaust, die Überlegenheit der Weißen (»White Supremacy«), Islamophobie sowie eine Vielzahl von Verschwörungstheorien bevorzugt angezeigt. Mittlerweile wurde dies behoben.13

Niedergetrampelt von Einhörnern

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