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Der Sommer vergeht und der Herbst bricht an. Die Linden werden gelb. Die Ebereschen lodern rot wie Feuer.

Dann kommt die Stille des Winters, in dem der Fluss fast zufriert und nur der Fall noch offen ist. In der Kälte schweben weiße Nebel über dem Wasser wie Elfen oder Geisterspuk.

Doch nach dem Winter kommen Frühling und Sommer, Jahr für Jahr.

Ulv wächst.

An einem Frühlingstag sitzt er vor dem Stall auf dem Hof und knetet kleine Vögel aus Lehm, den Bengt vom Flussufer geholt hat. Er formt sie so, dass sie den Schwalben gleichen, die unter dem Stalldach ihre Lehmnester bauen.

»Hier habt ihr!«, ruft er und streckt ihnen eine Hand voll Lehm entgegen.

Im Sturzflug schießen die Schwalben herab und schnappen zu.

Die Vögel sind seine Freunde.

An einem Sommerabend sieht er, wie die Katze hinaufklettert und die Äste der Eberesche entlangschleicht. Sie will ihre Krallen in die Jungen des Buchfinks schlagen. Ulv schreit auf und jagt sie herunter. Dann bittet er Anneli um Hilfe. Gemeinsam flechten sie einen Korb aus Reisig um den Stamm, so dass die Katze nicht mehr hinaufgelangen kann.

Ein Tag folgt auf den anderen. Noch ist Ulvs Zeit meist mit Spielen ausgefüllt. Doch Anneli hält ihn zur Arbeit an. Der Junge muss lernen, sich nützlich zu machen. Sie will keinen Faulenzer.

Bald ist er ganz allein verantwortlich, dass der Korb mit dem Brennholz in der Küche niemals leer wird. Bengt hackt das Holz, doch Ulv trägt es hinein.

Dann muss der Wassereimer gefüllt werden. Jetzt ist Ulv groß genug, um ihn in den Brunnen hinabzulassen und dann wieder heraufzuwinden. Anfangs ist es schwer und oft verschüttet er einen Teil des Wassers. Doch schon bald gelingt es ihm, den vollen Eimer ins Haus zu tragen.

Dann kommt der Sommer, in dem Ulv schließlich die Kühe hüten darf. Ville ist ihm behilflich, kläfft wütend und schnappt nach Beinen und Schwänzen. Gnade der Kuh oder dem Kalb, die sich zu weit von den anderen entfernt haben.

Es ist ein Glück für Ulv, dass Ville da ist. Er selbst vergisst alles andere, wenn er die Drossel singen hört oder ein Rehkitz auf dem Moos entdeckt.

Ulv begreift nicht, warum seine Mutter schimpft. So viel lockt ihn im Wald und bei den Tieren.

Manchmal kann er stundenlang dasitzen und Männchen aus einem Zweig oder einer knorrigen Wurzel schnitzen. Die Figuren spannt er an biegsamen Weidenruten fest, so dass sie zu Hampelmännern werden.

Doch am allermeisten liebt Ulv das Singen. Sogar die Kühe lauschen. Sie heben ihre Mäuler aus dem Gras und hören auf zu kauen.

Meist singt er die Melodien, die Bengt auf seiner Geige spielt. Doch die Worte erfindet er selbst. Er singt von den hohen, blauen Bergen, vom wilden Wasserfall und von den Sternen, die am schwarzen Himmel funkeln und locken.

Nicht nur im Wald singt Ulv gern, obgleich der Gesang dort besonders schön von den Felsen und Baumstämmen widerhallt.

Am lautesten singt er, wenn er vor Bengt auf dem Pferd sitzen darf. Dem braunen Pferd mit der langen Mähne.

Der Gesang ist Glück und der starke Körper des Pferdes ist Glück. Und der Wind, der ihm um die Ohren pfeift, wenn Bengt das Tier im Galopp über Felder und Wiesen treibt.

Auch Bengts starke Arme sind Sicherheit und Glück.

Obwohl Anneli zuweilen ein wenig barsch ist, ist sie doch von Herzen froh über den Jungen.

Niemals soll er Hunger leiden oder frieren, denkt sie. Niemals soll ihm Böses widerfahren wie mir und meinen Geschwistern.

Anneli spürt, dass ihr zum Weinen zumute ist, wenn sie an das kleine magere Mädchen von einst denkt. Der beißende Hunger und der wilde Schrecken.

Der Schrecken ...

Mitten in ihrer neuen Sicherheit erinnert sie sich, wie schwer es war, gejagt zu werden. Erinnert sich an das Gefühl, Hexentochter genannt zu werden. Und noch immer hat sie Angst. Die Salben und Arzneien, die sie aus den Kräutern in ihrem Garten bereitet, verbirgt sie daher sorgfältig auf dem Dachboden.

Dort liegt auch Ylvas altes Zauberbuch. Sie denkt an die Abende, als die Greisin am Feuer saß und sie lehrte, die sonderbaren Zeichen zu deuten.

Eines Abends setzt sie sich mit Ulv ans Feuer. Jetzt wird sie ihm das Lesen beibringen, wie Ylva es getan hat. Doch nicht in dem Zauberbuch buchstabiert er herum, sondern im Gesangbuch, das Anneli von Bengt zur Hochzeit bekam.

Es geht nur mühsam voran und sie lesen diesen Winter Abend für Abend. Bengt schneidet Deichselbolzen und schnitzt Löffel, während er zuhört. Er selbst kann nicht lesen, doch ist er stolz, dass Anneli und der Bub es können.

Sogar Gertrud hört zu, während sie aus Ziegenhaar Strümpfe strickt, die Bengt in den Stiefeln tragen wird. Wenn sie Gottes Wort lesen, besteht da ja kaum die Gefahr der Zauberei, denkt sie. Obwohl es besser gewesen wäre, der Junge lernte etwas Nützliches.

Hexenjunge

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