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Mein Telefon klingelte. Helmut? Was wollte der denn? Und wieso rief er über Threema an? Ach, wahrscheinlich war er noch auf seiner Insel. Ich nahm das Gespräch an.

»Helmut? Was kann ich für dich tun?«

»Rosa! Wie geht es dir?«, säuselte Helmut. Ich rollte mit den Augen.

»Gut, und dir?« Ich fragte eher aus Höflichkeit – es interessierte mich nicht so sehr. Auf seine Inselstorys konnte ich gut verzichten.

»Ach, uns geht es gut.«

Ah, es gab ihn nur noch im uns. Existierte er nicht mehr in der Einzahl? »Ja«, sagte ich.

»Wie, ja?«

»Ja. Du hast gefragt, wie es mir geht, ich habe gefragt, wie es dir geht. Mit den Höflichkeiten sind wir also durch. Aber deshalb hast du ja sicher nicht angerufen. Brauchst du einen Hammer? Oder einen Schraubenzieher?«

»Schraubendreher, Rosa. Das heißt Schraubendreher. Das habe ich dir doch schon so oft erklärt.«

Ich atmete einmal tief durch. »Ja, ist ja gut. Kreuz oder Schlitz?«

»Wie bitte?«

»Dein Schraubenzieher. Kreuz oder Schlitz?«, wiederholte ich. Langsam verlor ich die Nerven. Warum kam er nicht einfach vorbei und holte sich das Ding – so wie sonst auch?

»Rosa, ich verstehe nicht …«

»Nimm dir doch einfach mal den ganzen Werkzeugkasten mit, dann musst du nicht jeden Schraubenzieher einzeln holen.« Fast hätte ich ganz korrekt Dreher gesagt. Es kostete mich inzwischen Mühe, bei der falschen Bezeichnung zu bleiben, aber irgendwie machte das Gespräch so etwas mehr Spaß. Mir zumindest. Solch eine freche Antwort hätte ich Helmut früher nie gegeben. Ich spürte, dass ich ihn gerade auf die Palme brachte. Falls er noch auf seiner Insel war, standen sicherlich genügend am Strand.

»Ich brauche keinen verdammten Schraubenzieher. Äh … Dreher!«, schimpfte Helmut.

Ich atmete noch einmal tief ein. Und wieder aus. »Helmut, was willst du dann?«

»Ja. Ähm. Carsten hat mich gestern Abend angerufen. Und Tobias auch.«

Ich runzelte die Stirn. »Ja, schön. Haben sie von mir Grüße ausrichten lassen?«

»Wie bitte? Nein!«

»Hör zu, Helmut. Ich weiß, dass die beiden sich viel zu selten bei dir melden, seit du ausgezogen bist. Ist doch schön, wenn sie sich jetzt beide mal gemeldet haben, oder?« Natürlich meldeten sich meine Söhne nicht einfach so bei ihm. Sie hatten sich wahrscheinlich über mich beschwert. Weil ich nicht mehr nach ihrer Pfeife tanzte.

»Rosa! Jetzt hör mir mal zu!«, schimpfte Helmut. Er räusperte sich. »Entschuldige. Also, die beiden meinten, du wärst so seltsam und sie machen sich Sorgen. Es tut mir leid, dass es mir hier so gut geht und du dich verkriechst.«

»Oh, ich verkrieche mich gar nicht.« Jedenfalls nicht mehr.

»Und …« Helmut stockte, fuhr dann aber fort: »Ach, das ist doch gut. Also, ich wollte nur sagen, es wäre doch schön, wenn du ein bisschen was mit deinen Freundinnen unternimmst.«

»Ja, ich unternehme etwas, Helmut«, erwiderte ich. Die Idee mit meinen Freundinnen war gar nicht schlecht. Leni hätte bestimmt ihren Spaß, einen Rundflug mit Rudi zu machen. Und dann stellte ich mir vor, wie ich mit ihr zusammen über die Fränkische Schweiz flog. Ganz ohne Fluglehrer. Schnell schüttelte ich den Gedanken ab. Ich würde niemals ohne einen Fluglehrer fliegen. Aber träumen durfte ich ja ruhig davon.

»Also, aber …«, stammelte Helmut. »Übertreibe nicht, ja? Nächste Woche sind wir wieder in Erlangen, dann komme ich mal vorbei und dann reden wir ein bisschen.«

Ich verspürte nicht die geringste Lust, mit ihm zu reden und seufzte. »Ja, gerne. Gib Bescheid, wenn du Hilfe brauchst«, sagte ich und legte auf. Dann musste ich mich erst einmal setzen. Es war dringend an der Zeit, noch ein bisschen mehr zu ändern, fand ich. Ich sah mich um. Vielleicht sollte ich endlich aus diesem Haus ausziehen? Mir eine kleine schnuckelige Wohnung suchen. Mit einem Gästezimmer für die Enkel, aber ohne Helmuts Werkzeug im Keller.

Also rief ich Leni an. Die konnte mir bestimmt helfen. Moni hätte wahrscheinlich weniger Verständnis für meinen plötzlichen Drang nach Freiheit.

»Rosa! Schön, dass du anrufst. Wie geht es dir?«, rief Leni in den Hörer.

»Leni, grüß dich. Mir geht es gut. Und dir?«

»Ja, dass es dir besser geht, das habe ich schon bei unserem letzten Treffen gemerkt. Verrätst du mir dein Geheimrezept? Das war doch nicht nur dieser Rundflug, oder?«

Ich lächelte. »Sollen wir uns auf einen Kaffee treffen?«

»Ja, gerne. Bei dir?«

Nein, darauf hatte ich keine Lust. »Vielleicht in dem Café, in dem wir letzten Herbst mal mit Moni waren? Das im Zentrum in der Nähe vom Hugenottenplatz?«

»Ach, das war wirklich nett. In einer Stunde dort?«

»Ja, ich freue mich. Bis nachher.« Ich machte mich gleich fertig, denn dann konnte ich vorher noch in meiner Wollstube vorbeischauen. Sie lag auf dem Weg und ich hatte da eine Idee für die Pullover meiner Enkel.

Eine knappe Stunde später trafen Leni und ich fast zeitgleich im Café ein. Es gehörte einem türkischstämmigen Paar und sie machten ganz hervorragenden Kuchen. Heute war es ausgesprochen warm, daher setzten wir uns vor das Café in die Sonne.

»So, dann erzähl mal!«, forderte Leni mich auf, nachdem ich mich endlich für eine Sorte Kuchen entschieden hatte und wir nun jede einen Cappuccino und ein Stück Käsekuchen vor uns stehen hatten. Und ich erzählte von meinen Plänen, es mit dem Flugunterricht zu probieren und mir eine Wohnung zu suchen. Leni war ganz aus dem Häuschen. »Endlich passiert hier mal etwas!«, jauchzte sie und klatschte in die Hände. »Das finde ich ganz mutig von dir.«

Leni war schon lange alleinstehend. Ihr Mann war früh gestorben und ihr einziger Sohn noch während seines Studiums nach Kanada ausgewandert. Er kam nur selten nach Deutschland. Am Anfang war Leni oft nach Vancouver geflogen, um ihn zu besuchen, doch inzwischen waren ihre Reisen seltener geworden.

»Kommt Johannes eigentlich mal wieder nach Deutschland?«, fragte ich.

»Ja, im Herbst«, erwiderte Leni mit einem Strahlen in den Augen. »Ich freue mich schon auf ihn und seine Freundin.« Sie lächelte mich einen Augenblick verträumt an. Dann sagte sie: »Zurück zur Wohnung. Hast du schon eine in Aussicht?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich wollte nachher mal im Internet suchen.«

Nun war es Leni, die den Kopf schüttelte. »Da sind die Wohnungen viel zu teuer. Oder schnell weg. Wie viele Zimmer möchtest du denn haben?«

»Zwei bis drei, dachte ich. Ein Wohn- und Esszimmer und ein Schlafzimmer, das groß genug ist, dass ich meinen Handarbeitskram unterkriege. Ein Gästezimmer wäre natürlich schön – auch zum Spielen für Anna und Finni. Die werden ja weiter zu mir kommen.«

Leni nickte und aß genüsslich den letzten Bissen von ihrem Käsekuchen. Ich schaute von ihrem Teller zu meinem. Huch, ich hatte noch nicht einmal angefangen, so viel hatte ich erzählt. Also nahm ich ein Stückchen und schob es mir in den Mund.

»Da ist die Konkurrenz hier in der Stadt sicher groß. Und wenn du weiterhin in der Nähe des Kindergartens leben möchtest, scheiden die umliegenden Ortschaften natürlich aus. Ich könnte mal den Huber fragen. Was meinst du?«, meinte Leni. Der Huber war ein Bekannter von Leni und hatte, wenn ich mich richtig erinnerte, einen Hausmeisterservice.

»Stimmt, der hat vielleicht Kontakte. Danke, Leni.«

»Immer gerne.« Leni strahlte mich an. »Wie sieht es aus? Wenn ich eine passable Wohnung für dich finde, fliegst du dann eine Runde mit mir?«

Prompt verschluckte ich mich am Milchschaum meines Cappuccinos. »Also, ich weiß ja gar nicht, ob ich jemals ohne Fluglehrer fliegen werde und dich mitnehmen dürfte.« Leni zog die Mundwinkel nach unten. »Aber ich könnte den Rudi fragen. Der kann dich jetzt schon mitnehmen«, fügte ich schnell hinzu, woraufhin Leni wieder lächelte.

»Abgemacht!«, sagte sie und trank glücklich ihren Cappuccino aus.

Rosa startet gegen den Wind

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