Читать книгу Rosa startet gegen den Wind - Maja Christ - Страница 9

5

Оглавление

Moni und Leni fixierten mich. Die Spannung war ihnen regelrecht ins Gesicht geschrieben.

»Kaffee?«, fragte ich in die Runde und hielt die Kanne hoch. Meine Freundinnen nickten. Ich goss ihnen in aller Ruhe eine Tasse ein und hielt dann Leni die Milch hin. Moni nahm keine Milch zu ihrem Kaffee, wegen ihrer Laktoseintoleranz oder was auch immer.

»Jetzt spann uns doch nicht so auf die Folter!«, forderte Leni. »Du grinst schon den ganzen Vormittag. Was hast du dir am Wochenende gegönnt?«

Ich sah erst zu Leni, dann zu Moni und dann sagte ich fröhlich: »Einen Rundflug.«

»Wie bitte? Einen Rundflug?« Moni verschluckte sich fast an ihrem Kaffee und stellte schnell die Tasse ab, damit sie nichts auf ihre Bluse verschüttete. Heute war sie hellbraun und vermutlich hätte man den Fleck gar nicht gesehen.

»Ja«, gluckste ich. »Das hätte ich schon viel früher machen sollen.«

Während Moni nur den Kopf schüttelte, rückte Leni, die neben mir auf dem Sofa saß, neugierig näher.

»Und, wie war es? Erzähl«, wollte Leni wissen. Sie trug heute ein hellgrünes Oberteil und das Knallrot ihrer Hose bildete einen deutlichen Kon­trast dazu. Rot waren auch ihre Ballerinas. Wo hatte sie die denn schon wieder aufgetrieben?

»Fantastisch. Wir sind über Erlangen geflogen und bis nach Kirchehrenbach. Hier über der Siedlung war ich auch.« Ich deutete mit der Hand nach oben.

»Aha«, machte Moni. Sie schüttelte sich. »Aber hattest du keine Angst?« Moni hatte Flugangst.

»Und ob ich Angst hatte«, gab ich offen zu. »Ich hätte fast gekniffen. Aber der Rudi war ganz lieb und hat mich beruhigt und dann dachte ich, wenn ich jetzt kneife, dann ärgere ich mich hinterher nur.«

»Der Rudi?«, hakte Leni nach und sah mich dabei ganz seltsam an.

»Ja, der Rudi«, entgegnete ich. »Da musst du mich gar nicht so komisch angucken, Leni. Der ist Pilot und Fluglehrer und dem gehört die Flugschule, zusammen mit seiner Tochter.«

»Und er ist ein ganz Lieber, was?« Leni zwinkerte mir zu.

»Unsinn«, meckerte ich. Doch Leni konnte ich nichts vormachen. Sie sah mir sicher an der Nasenspitze an, dass ich ihn sympathisch fand. »Ach, was weiß ich«, sagte ich daher, nippte schnell an meinem Kaffee und widmete mich meinem Strickzeug. Heute hatte ich viele Reihen aufzuarbeiten. Mehr würde ich erst einmal nicht erzählen. Man musste ja keine schlafenden Hunde wecken, nicht wahr?

Nach einigen Kurven über meiner Heimatstadt hatte ich mich nämlich an das Gefühl in dem kleinen Flugzeug gewöhnt gehabt. Ich fand es gar nicht mehr so beängstigend wie am Anfang und konnte den weiteren Flug nicht nur richtig genießen, sondern fand auch, dass die Stunde viel zu schnell vorbei war. Rudi setzte das Flugzeug ganz sanft auf der Landebahn auf und startete gleich noch einmal, weil ich so gerne noch eine Runde um den Flugplatz drehen wollte. Nach dem Flug lud er mich auf einen weiteren Kaffee in seine Flugschule ein.

»Und, Rosa, wie hat es Ihnen gefallen?«, fragte er, während er mich aufmerksam musterte.

Ich strahlte bestimmt wie ein Honigkuchenpferd. »Es war so schön! Das muss ich unbedingt wiederholen. Wieso habe ich mich damals nur darauf eingelassen, auf den Flug zu verzichten?«

Rudi zuckte mit den Schultern und strich sich mit der Hand durch seinen grauen Bart, wie ich es an dem Tag schon mehrmals bei ihm gesehen hatte. »Das kann ich Ihnen nicht beantworten«, sagte er.

Ich lachte und sah mir wieder die Luftaufnahmen an den Wänden an. Viele zeigten Sehenswürdigkeiten der Fränkischen Schweiz oder den Flugplatz von oben. Bei anderen hatte der Fotografierende aus dem Flugzeug heraus ein weiteres Flugzeug abgelichtet. Ein quietschgelber Doppeldecker stach mir in die Augen. »Das sind sehr schöne Aufnahmen«, sagte ich. »Sind die von Ihnen?«

»Die meisten hat meine Tochter gemacht. Sie ist auch Fluglehrerin. Einige sind von einem unserer weiteren Fluglehrer.«

»Haben Sie viele Flugschüler?«, wollte ich nun wissen. »Ich meine, es gibt doch sicher nicht so viele Menschen, die fliegen lernen wollen. Kann man von so einer Flugschule überhaupt leben?«

»Ach, es kommen immer wieder welche. Aber wir geben ja nicht nur Flugstunden, sondern machen auch Gastflüge, Fotoflüge, Werbebanner-Schlepps und so weiter. Und man kann unsere Flugzeuge leihen, wenn man eine entsprechende Lizenz hat«, erklärte Rudi.

»Und so eine Lizenz zu machen – ist das kompliziert?«, fragte ich neugierig. »Also, nicht, dass ich eine machen will. Ich könnte mir so etwas gar nicht vorstellen. Ich frage nur rein interessehalber.«

Rudi schmunzelte. »So schwer ist das gar nicht. Wie Autofahren. Haben Sie einen Führerschein, Rosa?«

Ich nickte.

»Dann können Sie auch Fliegen lernen«, erklärte Rudi.

Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin ja auch viel zu alt.«

Rudi sah mich mit gespieltem Entsetzen an. »Was? Aber natürlich nicht, Rosa!«

Ich senkte die Augen. Bestimmt war ich auch rot geworden. »Ich bin 60!«

»Ah, ja und? Ich war bis vor Kurzem auch 60. Das ist doch kein Alter.«

Amüsiert musterte ich den Fluglehrer. »Aber hallo. Ich meine, natürlich gehöre ich noch nicht zum alten Eisen. Aber Fliegenlernen ist doch was für Jüngere«, erwiderte ich.

»Also, wenn Sie gesund sind und fit, können Sie auch Fliegen lernen. Wir haben hier einen Piloten, der auch schon bald im Rentenalter ist. Er hat sich nach einer Woche freigeflogen und schlägt sich genauso gut wie die anderen.«

»Freigeflogen?« Ich verstand nur Bahnhof.

»Wenn man das erste Mal allein fliegt – ohne Fluglehrer«, klärte Rudi den Fliegerjargon auf.

»Nach einer Woche? Sie veräppeln mich doch!«, rief ich empört.

»Warum sollte ich?«, erwiderte er. Dann sah er mich ganz seltsam an. »Ich würde wetten, Sie könnten sich auch nach wenigen Flugstunden freifliegen«, sagte er.

Netter Witz. Lachend winkte ich ab. »Ganz sicher nicht.«

»Warum? Ich habe mehrere Jahrzehnte Erfahrung als Fluglehrer. In der Regel kann ich nach dem ersten Flug sehen, wer das Zeug hat und wer eher auf dem Boden bleiben sollte – oder zumindest auf dem Gästesitz.« Er grinste mich erneut frech an und schaffte es damit, dass ich schon wieder rot wurde. Nervös spielte ich mit meinen Händen und sah ihn dann schief an.

»Sie meinen das tatsächlich ernst?« Ich wusste nicht, was in mich fuhr, aber als er nickte, fragte ich ihn tatsächlich, was ich tun musste, um eine Pilotenlizenz zu machen. Und er erklärte es mir in aller Ruhe und Ausführlichkeit bei einem weiteren Kaffee. Und noch vor Ort fasste ich einen verrückten Entschluss: Wenn der Fliegerarzt, der die Flugtauglichkeit bestätigen musste, mich nicht ausmusterte, würde ich ein paar Flugstunden nehmen. Dass ich jemals allein fliegen würde, glaubte ich nicht. Doch ein paar Flüge mit Fluglehrer zu machen und zu lernen, wie man so ein Flugzeug steuerte – das klang einfach zu verlockend. Ich musste mich nur endlich von Helmut auszahlen lassen. Er hatte das immer vor sich hergeschoben – angeblich, weil ich noch unser Haus bewohnte und doch alles gut wäre wie es war. Doch wenn er in der Weltgeschichte herumfliegen konnte, durfte ich schließlich auch meinen Spaß haben. Warum nicht selbst fliegen?

Und dann hatte Rudi mir das »Du« angeboten, weil es unter Piloten üblich wäre, sich zu duzen. Ja, dieser Pilot war wirklich ein ganz lieber Kerl – oder ein guter Geschäftsmann.

Rosa startet gegen den Wind

Подняться наверх