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Am Samstagvormittag setzte ich mich auf mein Pedelec und fuhr zum Flugplatz. Ich hatte mir vorgenommen, einfach mal vorbeizufahren und zu gucken, was sich ergab. Und wenn sich nichts ergab, war ich zumindest an die frische Luft gekommen. Für Ende April war es schön warm und sonnig. Der Flugplatz lag etwas außerhalb, westlich von Erlangen, aber mehr als fünf Kilometer musste ich nicht radeln. Dort angekommen, schob ich mein Pedelec über den Schotterparkplatz, auf dem einige wenige Autos standen. Am Zaun, der den Parkplatz vom Flugplatz trennte, hatte jemand ein Herrenrad angekettet. Ich schloss mein Fahrrad daneben an und überlegte, was ich tun sollte. Das Restaurant gab es noch, auch wenn es einen anderen Namen als damals hatte. Es war noch geschlossen, doch der Zugang zur Terrasse war frei. Von hier aus hatte ich einen schönen Ausblick über das ganze Areal des Flugplatzes. Auf dieser Seite gab es drei Flugzeughallen. Eine weitere Halle älteren Baujahrs stand etwas abseits. Dann war da noch der kleine Tower. Nannte man das überhaupt Tower auf so einem kleinen Flugplatz? Vor der Wiese bis zu den Hallen erstreckte sich ein asphaltierter Bereich, von dem auf jeder Seite Wege für die Flugzeuge zur Landebahn führten. In der Ferne, auf der Wiese, stand ein rot-weiß gestreifter Windsack, den der Wind sanft hin und her wiegte. Ein paar einzelne Krähen liefen über die Wiese und ich meinte, etwas abseits einen Reiher zu sehen.

Am Zaun der Restaurantterrasse entdeckte ich ein Schild, auf dem man Werbung für Gastflüge machte. »Flugschule Fränkische Schweiz« stand da und eine Telefonnummer. Ich sah mich erneut um, doch bis auf ein paar Piloten, die außer Rufweite an ihren Flugzeugen hantierten, war niemand zu sehen. Dann würde ich wohl anrufen müssen. Seufzend, weil ich nicht gerne mit fremden Menschen telefonierte, suchte ich mein Handy heraus und tippte die Nummer ein. Unweit von mir klingelte es. Erschrocken schaltete ich das Handy wieder aus und fuhr herum.

Auf dem Vorfeld, hinter der Absperrung, stand ein alter Mann mit einem Telefon am Ohr. »Hallo?« Er senkte den Arm und musterte verdutzt sein Handy. »Dann wohl nicht«, sagte er, sah auf und entdeckte mich. »Grüß Gott. Suchen Sie jemanden?«, fragte er.

Ich starrte ihn verwirrt an. Eben war er noch nicht da gewesen. »Grüß Gott«, erwiderte ich unsicher.

»Das Restaurant macht erst in einer Stunde auf. Kann ich Ihnen vielleicht solange helfen?«, fragte er nun und kam näher an den Zaun.

Ich zuckte mit den Schultern. »Ähm, kennen Sie sich hier aus?«

Der Mann nickte und ich sah ihn mir genauer an. Unter seiner dunkelblauen Schirmmütze hatte er graue Haare. Grau war auch sein kurzgeschorener Bart. So alt war er wahrscheinlich doch nicht, stellte ich fest. Vielleicht Mitte 60. Er trug eine Jeans und das, was man wohl gemeinhin als Pilotenjacke bezeichnete, und er lächelte mich freundlich an.

»Ich wollte gerade bei der Flugschule hier anrufen«, sagte ich und deutete auf das Werbebanner.

»Ah, wollen Sie eine Pilotenlizenz machen?«, fragte er fröhlich.

Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf. »Sehe ich etwa so aus, als ob ich fliegen lernen wollte?«, entgegnete ich.

Nun war er es, der mit den Schultern zuckte. »Wie sieht denn jemand aus, der fliegen lernen will?«, fragte er zurück.

Wurde das hier eine morgendliche Fragerunde oder was? Vielleicht war es eine Schnapsidee gewesen, ohne Termin herzukommen. Und dieser Herr konnte mir anscheinend auch nicht helfen.

»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte ich patzig. Eigentlich hatte ich gar keinen Grund, schlecht gelaunt zu sein. Die Sonne schien und es war ein wunderschöner Frühlingstag. Ich hatte mir das mit meinem Rundflug allerdings irgendwie leichter vorgestellt. »Entschuldigung«, sagte ich daher und versuchte ein Lächeln. »Ich wollte nicht unhöflich sein. Ich hatte mich nur auf einen kleinen Rundflug gefreut und jetzt ist niemand da.«

»Oh, ich bin da. Hatten Sie einen Termin mit meiner Tochter ausgemacht?«

»Sie sind von der Flugschule?«, fragte ich erstaunt.

Der Mann nickte fröhlich. »Kommen Sie mal herüber. Da vorne ist ein Tor.« Er deutete nach links den Zaun entlang, winkte mir zu und setzte sich in Bewegung. Ich lief über die Terrasse und ging durch das Tor, das er mir aufhielt. Dann streckte er mir seine Hand entgegen. »Hallo nochmal«, sagte er. »Ich bin der Rudi Frantz. Oder einfach Rudi.«

»Rosa Linde«, stellte ich mich vor und schüttelte seine Hand. Sie war viel weicher, als ich gedacht hatte.

»Freut mich, Rosalinde.« Er lächelte mich herzlich an. Die Augen hinter seiner Brille blitzten schelmisch und verstärkten damit sein Lächeln. Ich bemerkte, dass ich immer noch seine Hand hielt. Schnell zog ich sie zurück.

»Linde ist mein Nachname«, sagte ich.

»Ah. Entschuldigung, das klang wie ein Vorname.«

»Ja, ich weiß. Kein Problem. Das denken viele. Also einfach Rosa. Ähm, und ich hatte keinen Termin ausgemacht. Ich bin spontan hergefahren.«

»Ach, haben Sie mich eben angerufen?«

Deshalb hatte er sein Telefon so verwirrt angesehen. »Sieht so aus«, erwiderte ich schuldbewusst. Enttäuscht fragte ich: »Brauche ich denn einen Termin zum Fliegen?«

Rudi Frantz schüttelte den Kopf. »Wenn mehr los ist, schon. Aber heute ist es noch ruhig. Ein paar unserer Piloten sind gerade auf einer Frankreich-Tour.«

»Aha«, sagte ich.

Rudi Frantz führte mich über das Vorfeld des Flugplatzes, blieb vor einer kleinen Tür am Nebenbau einer Flugzeughalle stehen und schloss sie auf. »Möchten Sie einen Kaffee trinken?«, fragte er und ließ mir den Vortritt. Von außen hatte der Bau etwas schäbig gewirkt, aber der Raum, in den ich nun eintrat, war gemütlich. In der Mitte stand ein großer Tisch mit Stühlen und in der Ecke gab es eine kleine Teeküche.

»Ja, gerne«, sagte ich.

Während Rudi Frantz Kaffee aufsetzte, schaute ich mir die Luftaufnahmen an den Wänden an. An einer Wand hing eine große Deutschlandkarte. Sie war mit lauter rosafarbenen und blauen Kästen und Strichen versehen, ganz anders als die Landkarten, die ich kannte.

»Also, wie ich schon sagte, haben Sie Glück. Die Mike-India ist bis in den frühen Nachmittag frei. Was möchten Sie denn machen?«

Ich nahm dankend die Tasse mit Kaffee entgegen. »Mike-India?«

»Das ist eine unserer Maschinen – ein Ultraleichtflugzeug. Das Einzige, das gerade nicht in Frankreich unterwegs ist.«

»Ah, okay«, meinte ich. »Keine Ahnung. Was macht man denn so? Und was kostet das dann überhaupt?«

»Ein Rundflug kostet 140 Euro die Stunde.«

Ich pfiff durch die Zähne. »Und wie lange muss man fliegen? Gehen auch zehn Minuten?«, fragte ich.

Rudi Frantz verzog das Gesicht.

»Zwanzig Minuten wären das Minimum; das ist quasi einmal starten, ein Kreis und wieder landen. In der Regel wollen unsere Gäste schon ein bisschen länger fliegen«, sagte er.

»Kann ich dann mit EC-Karte zahlen?«, fragte ich vorsichtig. Ich hatte mich wirklich nicht besonders gut auf dieses Abenteuer vorbereitet, merkte ich, denn ich hatte gerade mal 50 Euro dabei.

Der Pilot lächelte mich an. »Wir können auch eine Rechnung schreiben. Sind Sie denn schon einmal geflogen? In einem Kleinflugzeug?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, noch nie. Mein Mann ist hier vor vielen Jahren einmal mit unseren Kindern mitgeflogen. Da waren sie noch klein. Jetzt sind sie erwachsen. Aber für mich war damals kein Platz mehr in dem Flugzeug.«

»Und da sind Sie nicht hinterher auch eine Runde mitgeflogen?«

»Nein«, gab ich zu.

»Aber Flugangst haben Sie nicht, oder?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das denn wissen, wenn ich noch nie geflogen bin?«

Gedankenverloren strich Rudi Frantz sich durch seinen Bart. Dann klopfte er auf den Tisch, stand auf und sagte: »Wir machen das jetzt so. Wären Sie bereit, prinzipiell 140 Euro für einen Rundflug auszugeben?«

»Ja«, sagte ich entschieden. Ich hatte mir das vorgenommen und ich würde das jetzt durchziehen. Wenn Helmut auf irgendeiner Südseeinsel herumlungerte, konnte ich mir auch für 140 Euro einen Rundflug über meine Heimat gönnen.

»Dann machen wir uns jetzt die Mike-India fertig und starten. Wenn Sie nach zehn Minuten merken, dass Fliegen nichts für Sie ist, landen wir und rechnen das anteilig ab. Wenn es Ihnen gefällt, machen wir die Stunde voll. Ich schreibe Ihnen hinterher eine Rechnung. In Ordnung?«

Ich nickte und merkte, wie ich langsam aber sicher weiche Knie bekam. »In Ordnung«, sagte ich dennoch.

Ich sollte noch einen Wisch wegen der Versicherung oder so unterschreiben, dann schob Rudi Frantz mich aus dem Raum ins Freie. Mein Herz klopfte mir inzwischen bis zum Hals. Auf was hatte ich mich hier bloß eingelassen? Ein Fallschirmsprung hätte sich bestimmt nicht schlimmer angefühlt. Noch konnte ich einen Rückzieher machen, oder?

Rosa startet gegen den Wind

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