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Kriegsführung zu Lande
ОглавлениеDenken wir an den Krieg, so denken wir zumeist als erstes an Konflikte, welche auf dem Land ausgetragen werden. Der Landkrieg umfasst die operativen und taktischen Kriegshandlungen, welche zur offensiven oder defensiven Kontrolle einer bestimmten Landmasse herangezogen werden. Heere sind die idealtypischen Akteure eines Bodenkrieges. Die Kriegsführung zu Lande wird durch vier wesentliche Merkmale gekennzeichnet, welche diesen von anderen geostrategischen Umgebungen unterscheidet. Dies sind:
1) die politische Bedeutung der Landdomäne,
2) die Vielfalt,
3) die Friktion
4) sowie die Undurchsichtigkeit der Landmasse. (Tuck 2016)
Der Krieg bietet die Möglichkeit, Territorien zu erobern und zu kontrollieren, welches oftmals zu ausschlaggebenden, politischen Konsequenzen führt. In diesem Sinne merkte der britische Strategietheoretiker Colin S. Gray an, dass der Kriegsführung zu Lande die Kraft innewohnt, eine politische Entscheidung herbei zu führen. (Gray 1999) Der Fähigkeit, eine Landmasse zu erobern und zu halten, kommt somit eine ausschlaggebende Rolle in militärischen Handlungen zu, da territoriale Kontrolle einen wesentlichen Teil der Funktionsfähigkeit und Legitimität von Regierungen bildet. Die kurzfristige Okkupation oder dauerhafte Annexion eines politischen Territoriums entscheidet deshalb oftmals über den Erfolg oder Misserfolg einer militärischen Operation. (Tuck 2016)
Neben der politischen Signifikanz bildet die topografische Vielfalt der Landmasse ein weiteres, herausstellendes Merkmal der Kriegsführung zu Lande. Dass der Bodenkrieg in unterschiedlichen topografischen Umgebungen geführt wird, unterscheidet diesen vom Seekrieg und Luftkrieg. Das Land ist eine komplexe Umgebung, welche Landstreitkräfte vor mehrere Probleme stellt.
»Im Dschungel wird die Bewegung und Versorgung schwerer Kräfte beeinträchtigt; Probleme mit der Sichtbarkeit und Navigation machen Koordination eine Herausforderung. In der Wüste stellen extreme Hitze und Sand die Zuverlässigkeit von Ausrüstung und die Ausdauer von Truppen vor Probleme. Mit der Ausnahme weniger Orientierungspunkte wird die Navigation in diesem Gebiet problematisch, wenn Globale Positions Systeme (GPS) nicht verfügbar sind. Schnee und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt können gleicherweise die Effektivität von militärischen Organisationen beeinträchtigen.« (Tuck 2016, S. 85)
Die Besonderheit der Friktion ist ein weiteres Merkmal des Landkrieges. Schon der simple Akt der Truppenbewegung sowie der Transport von Logistikmaterial stellen eine physikalische Herausforderung dar. Um dieser Friktion entgegen zu wirken, hat sich der Mensch verschiedener Hilfsmittel bedient (Straßenbau, Schienennetze usw.). Diese Mittel haben jedoch oft den Nebeneffekt, dass sie Bewegung einengen, Flexibilität reduzieren und Angriffspunkte für den Feind schaffen. (Tuck 2016)
Das vierte wesentliche Merkmal des Landkrieges ist die Undurchsichtigkeit der Landmasse, welche zu Sichtbehinderungen führt. Sichtbehinderung entstehen durch Anhöhen wie etwa Gebirgsmassiven, Vegetation und Gebäuden. Diese Anhöhen bedingen Möglichkeiten und Beschränkungen der Landkriegsführung gleichermaßen. Einerseits erschwert die Topografie die Kommunikation und Koordination von Truppenteilen sowie die Auffindung von militärischen Zielen. Andererseits bietet die Topografie Möglichkeiten der Tarnung und Deckung, welche zur militärischen Vorteilsgewinnung genutzt werden können. (Tuck 2016)
Bodentruppen, die in der Landdomäne operieren, sind durch ihre Komplexität, Vielseitigkeit, Beständigkeit und Entschiedenheit gekennzeichnet. (Tuck 2016) Ihre Komplexität ergibt sich daraus, dass Bodentruppen nicht nur aus Gefechtselementen, sondern auch aus gefechtsunterstützenden Gefechtsdienstleistungen und kommandierungsunterstützenden Elementen bestehen. (Tuck 2016) Als gefechtsunterstützende Elemente werden z. B. die Artillerie, Ingenieure und Luftverteidigungseinheiten verstanden. Diese unterstützen die Gefechtseinheiten durch Luftverteidigung, Aufklärung, Feuerunterstützung und Pioniertätigkeiten. Gefechtsdienstleistungen beinhaltet u. a. logistische Unterstützung, militärische Versorgung und medizinische Hilfe. Kommandierungsunterstützung bezieht sich vor allem auf Kommunikations- und Informationsunterstützung z. B. durch technisches Equipment und Spionage. Die Vielseitigkeit von Bodentruppen ergibt sich aus ihrer Anpassungsfähigkeit, weshalb diese weniger von der Technologie abhängig sind als die Marine oder die Luftwaffe. Darüber hinaus können Bodentruppe Aufgaben übernehmen, die das volle Spektrum der Kriegsführung abdecken und außerdem auch in friedensunterstützenden Operationen eingesetzt werden. (Tuck 2016) Aufgrund dieses breiten Aufgabenspektrums sind Bodentruppen vielseitiger einsetzbar. Die Beständigkeit der Bodentruppe bezieht sich auf ihre Fähigkeit, sich über einen längeren Zeitraum in einem bestimmten Gelände aufhalten zu können. Bodentruppen können somit Territorien halten und kontrollieren, was die Luftwaffe und die Marine nicht können. General Norman Schwarzkopf, Oberbefehlshaber der Koalitionsstreitkräfte im Zweiten Golfkrieg (1990–1991), merkte im Hinblick hierauf an: »Es gibt in der ganzen Welt keinen Kommandeur, der behaupten würde, ein Objekt eingenommen zu haben, indem er darüber geflogen ist.« (Schwarzkopf zitiert nach Londsdale 2016, S. 88) Obwohl es für eine erfolgreiche Kriegsführung oft kein adäquates Ersatzmittel für Bodentruppen gibt, um die Landmasse zu kontrollieren, so kann ihre langwierige Stationierung innerhalb eines politischen Gebietes eine Reihe von Problemen verursachen. Eine dauerhafte Präsenz macht Bodentruppen z. B. angreifbar. Des Weiteren kann eine beständige Anwesenheit politische Probleme verursachen, welche sich oftmals aus Spannungen zwischen den militärischen Einheiten und der Bevölkerung des Landes ergeben. Zuletzt zeichnen sich Bodentruppen durch ihre Fähigkeit aus, eine Entscheidung herbeizuführen. Milevski bezeichnet Bodentruppen in diesem Sinne als fortissimus inter pares, da nur diese die Fähigkeit besitzen, Gebiete zu erobern und zu halten und somit den größten strategischen und politischen Effekt im Krieg erzielen können. (Milevski 2012, S. 10)
Die oben aufgeführten Charakteristika des Landkrieges haben und hatten einen grundlegenden Einfluss auf die Entwicklung der modernen Kriegsführung zu Lande. In Bezug auf den Landkrieg lassen sich Veränderungen in fünf Bereichen feststellen, die den Krieg im 20. und 21. Jahrhundert geprägt haben:
• der Maßstab,
• die Feuerkraft,
• das Kommandieren und Kontrollieren von Truppen,
• die Logistik
• sowie die gemeinsame Kriegsführung mehrerer Teilstreitkräfte (Land, See und Luft).
Eine der größten Veränderungen der Kriegsführung betrifft den sich erhöhenden Maßstab des Landkrieges. Waren Armeen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch relativ klein, Napoleons Armee z. B. zählte nicht mehr als 70 000 Soldaten in der Schlacht bei Austerlitz, so standen sich im Ersten und Zweiten Weltkrieg Millionen gegenüber. Dies hatte Auswirkungen auf das Kommandieren und Koordinieren von Armeen. Die immer größer werdende Komplexität moderner Armeen im Sinne ihrer Organisation, Spezialisierung, Größe und Mobilität machen Bodentruppen schwierig zu kommandieren und koordinieren. (Tuck 2016) Des Weiteren hatten und haben technologische Entwicklungen einen Einfluss. Computer, Satelliten, Radar und Sonar, um nur einige zu nennen, stellen Armeen vor die Herausforderung wie diese Systeme und die durch diese ermöglichte Maße an Informationen, effektiv organisiert und integriert werden. Eine weitere Veränderung betrifft die Logistik. Die logistische Versorgung von Bodentruppe hat seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts an Komplexität gewonnen, welches hauptsächlich mit der sich verändernden Größe von Armeen zusammenhängt. Logistik hat sich deshalb als zentraler Teil der modernen Kriegsführung etabliert und ist Kernteil der Planung militärischer Operationen geworden. Der amerikanische General Dwight D. Eisenhower gab der Wichtigkeit der Logistik im modernen Krieg Ausdruck: »Die Versorgung beeinflusst alle Schlachten und entscheidet viele.« (Eisenhower zitiert nach Jahns/Schüffler: 2018, S. 146) Die letzte fundamentale Veränderung, welche die Kriegsführung im 20. und 21. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst hat, ist das koordinierte Zusammenspiel verschiedener Teilstreitkräfte in der Kriegsführung. (Tuck 2016; Kap. 3)