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Kriegsführung zur See

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Die Kriegsführung zur See unterscheidet sich maßgeblich vom Landkrieg. Zunächst ist hier der Unterschied zwischen dem Land und dem Meer als Kriegsdomäne hervorzuheben. Die maritime Umgebung, in welcher die Marine Krieg führt, umfasst die Hochsee, Küstengebiete, Buchten und Meeresmündungen. Küstengebieten kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund der Nähe zu menschlichen Siedlungen konzentrieren sich Marineaktivitäten zwangsläufig auf den Bereich, an dem Land und See aufeinandertreffen. Nichtsdestotrotz verstehen wir unter der maritimen Domäne hauptsächlich die Region der offenen See. Drei bestimmende Charakteristika kennzeichnen diese Domäne:

1) Die erste und offensichtlichste ist die Größe der Ozeane. Über 70 Prozent der Erdmasse sind von Wasser bedeckt. Aufgrund dieser Größe erstreckt sich die Seekriegsführung über hunderte, teils tausende Kilometer. Admirale müssen deshalb langfristige Manöver koordinieren, weshalb die Seekriegsführung im Bereich der strategischen Kriegsführung ( Abb. 1) verortet wird. (Speller 2016) Neben dessen Größe ist das Meer durch eine fast vollständige Abwesenheit topografischer Elemente gekennzeichnet. Es existieren somit keine unterschiedlichen Gelände wie Dschungel, Sumpf oder Berge, welche die Bewegungsfreiheit von Einheiten begrenzen und somit können sich maritime Streitkräfte nahezu gleichgut durch das Kampfgebiet bewegen. Fahrwassertiefe spielt nur in Küstennähe oder bei U-Booten eine Rolle. Darüber hinaus bietet das Meer keine Deckung im Gelände oder Höhen, welche eine bessere Feuerposition ermöglichen.

2) Die maritime Domäne zeichnete sich zweitens dadurch aus, dass das Seegebiet zum größten Teil verbunden ist. (Speller 2016) Es eröffnet der Marine somit die Möglichkeit, global zu operieren. Darüber hinaus und im scharfen Kontrast zum Land und dem Luftgebiet über dem Land, welches durch physikalische und politische Barrieren begrenzt ist, ist das Seegebiet eine Domäne, welche in Friedenszeiten allen offensteht. Dies wird generell unter dem Begriff der Meeresfreiheit verstanden. Die Idee der Meeresfreiheit wurde in ihrer modernen Form zuerst von dem niederländischen Juristen und Philosophen Hugo Grotius in seinem Buch Mare Liberum (1609) formuliert. Hierin legte Grotius dar, dass das Meer als internationales Territorium zu verstehen ist, welches allen Völkern zum Seehandel offensteht. (Weiß 2009) Hierdurch rückt die ökonomische Wichtigkeit dieser Domäne in den Fokus. Gegenwärtig werden über 96 Prozent der global gehandelten Güter auf diesem Wege transportiert, da das Meer, abzüglich der zwölf Meilenzone des souveränen Staatsgebietes angrenzender Staaten, ein uneingeschränktes Gebiet ist. (Speller 2016) Der maritime Handel führt der Seestrategie damit eine ökonomische Dimension zu.

3) Der dritte entscheidende Unterschied zwischen See und Land neben seiner Fläche, Verbundenheit und Freizügigkeit ist dessen Unbewohnbarkeit. (Speller 2016) Da der Mensch nicht auf dem Meer leben kann und sich auf dem Meer nur auf speziellen, hierfür gefertigten Plattformen (z. B. Schiffen, U-Booten, Bohrinseln) aufhalten kann, ist das Meer eine Umgebung, die nicht unter direkte physische Kontrolle zu bringen ist und somit nicht im gleichen Sinne wie das Land beherrscht werden kann.

Die Seekriegsführung hat deshalb zwei Aspekte zum Ziel. Einerseits soll Kontrolle über die Meeresdomäne erlangt werden, andererseits diese dem Gegner verwehrt werden. (Speller 2016) Die Freiheit des Meeres selbst zu nutzen und diesen Nutzen dem Gegner zu versagen wird im Allgemeinen als die Herrschaft zu See (command of the sea) bezeichnet. Diese zu erringen, ist die Hauptaufgabe der Seestreitkräfte. Seestreitkräfte, auch Flotte oder Marine genannt, übernehmen die Kriegsführung zur See. Diese bestehen aus den eigentlichen militärischen Einheiten, der Flotte, den diese unterstützenden Einheiten, Einrichtungen zu Lande sowie deren Administration. Um die Kontrolle über das Meer zu erhalten und diese dem Gegner zu verwehren, stehen den Seestreitkräften verschiedene Optionen offen. Bezüglich der Kontrolle stehen die Entscheidungsschlacht und die Seeblockade im Zentrum der maritimen Strategie. Bei der Entscheidungsschlacht handelt es sich um ein Seegefecht, bei dem die Hauptflotte des Gegners besiegt oder besser noch zerstört wird. Einer der Vordenker der Entscheidungsschlacht zur See war der Amerikaner Alfred Thayer Mahan, der sie in seinem Buch The Influence of Sea Power Upon History, 1660–1783 (1890) ausführte. Trotz der überzeugenden Logik der Entscheidungsschlacht hat sich diese in der Geschichte jedoch oft nicht bewahrheitet und kann sogar als Mythos bezeichnet werden. Bekannte Entscheidungsschlachten zu See wie etwa die Seeschlacht von Trafalgar (1805) waren meist eine Vielzahl kleiner Schlachten. Aufgrund dessen ist die Entscheidung zu See meistens das Ergebnis einer Vielzahl kleiner Auseinandersetzungen und nicht das Ergebnis eines einzigen, entscheidenden Gefechtes. (Speller 2016) Darüber hinaus muss auch die Entscheidungskraft selbst in Frage gestellt werden. Eine Seeschlacht kann großen Einfluss auf den Seekrieg ausüben, aber dessen Einfluss muss sich nicht zwangsläufig auf den Landkrieg übertragen. »Der Britische Sieg bei Trafalgar z. B. konnte nicht verhindern, dass Napoleon die englischen Verbündeten, Österreich und Russland, in der Schlacht bei Austerlitz besiegte.« (Speller 2016, S. 167) Ein weiteres Problem der Entscheidungsschlacht zur See ist der Gegner selbst, der, vor allem wenn dessen Seestreitkräfte schwächer sind, eine Entscheidungsschlacht zu vermeiden versucht. Aufgrund der Größe der maritimen Domäne und der Abwesenheit einer zu verteidigenden Bevölkerung bietet das Meer im Gegensatz zum Land die Möglichkeit, einer Entscheidungsschlacht auszuweichen. Darüber hinaus kann eine schwache Flotte Zuflucht in einem Hafen suchen und somit die stärkere Feindflotte binden. Diese Strategie wird als Präsenzflotte (fleet-in-being) bezeichnet. Eine Präsenzflotte zwingt den Gegner, ausreichende Streitkräfte bereitzuhalten für den Fall, dass die Präsenzflotte auslaufen sollte. Obwohl die Präsenzflotte nicht direkt agiert, so hat sie hierdurch doch Einfluss auf den Seekrieg, da der Gegner seine Streitkräfte nicht anderweitig einsetzen kann.

Die durch die Präsenzflotte erzwungene Bindung der eigenen Streitkräfte hatte entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der zweiten maritimen Strategie zur Erlangung der Seekontrolle: die Blockade. Hierbei wird zwischen der küstennahen und küstenfernen Blockade unterschieden. (Speller 2016) Bei der küstennahen Seeblockade werden die Streitkräfte so positioniert, dass es ihnen möglich ist, Schiffe abzufangen, die versuchen, in den Hafen zu gelangen oder aus diesem herauszukommen. Die küstenferne Seeblockade hat nicht zum Ziel, die Ausfahrt oder Einfahrt in den Hafen zu verhindern, sondern ihr Ziel ist es, dem Gegner bestimmte Meeresareale zu verwehren. Diese Form der Seeblockade hat den Vorteil, dass der Gegner den Hafen verlässt und es somit zu einer Entscheidungsschlacht kommen kann. Aufgrund von militärtechnologischen Entwicklungen ist heutzutage jedoch kaum noch eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Blockadeformen anzustellen. (Speller 2016) Ist eine direkte Kontrolle der See nicht zu erreichen, kann das Verwehren der See eine praktikable Alternative in der Seekriegsführung darstellen. Eine Strategie der Seeverwehrung (sea denial) zielt auf die beschränktere Aufgabe, dem Gegner die Kontrolle über die See zu entziehen, ab. Eine effektive Seeverwehrung benötigt oftmals ein niedrigeres Maß an Fähigkeiten und Anstrengungen als die Strategie der Seekontrolle. Aufgrund dessen beschreibt der amerikanische Admiral Stansfield Turner die Seeverwehrung als »Guerillakrieg zu See«. (Stansfield Turner zitiert nach Speller 2016, S. 170) Einer Strategie der Seeverwehrung steht eine Vielzahl von Optionen offen, um diese umzusetzen. Diese reichen von dem Legen von Seeminen, die den Zugang zu Häfen oder die Nutzung von Seestraßen verwehren, über überfallartige Angriffe auf Handels- oder Marineschiffe bis hin zur Strategie der Präsenzflotte. Eines der bekanntesten Beispiele der Seeverwehrung war die deutsche U-Boot Strategie während des Ersten und Zweiten Weltkrieges, die hauptsächlich darauf abzielte, dem Gegner die Nutzung der See zu verwehren.

Der Krieg im 20. und 21. Jahrhundert

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