Читать книгу Die Übersetzungen von Ernst Weiß - Manfred Müller - Страница 22

Kapitel 2

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»Wie können Sie Hippolyta fünf andern Damen vorziehen, die ich Ihnen eben genannt habe und die nach allgemeinem Urteil als die fünf wundervollsten Schönheiten Veronas gelten? Vor allem ist Hippolytas Nase viel zu lang und zu sehr gekrümmt.« – Nun sagen Sie nur noch, dass ihre Haut zu dünn ist, die Oberlippe zu kurz, dass sie den Mund zu sehr schürzt beim Lachen, so dass ein spitzer Winkel sich bildet. Und doch; bezaubert mich ihr Lachen grenzenlos, das reinste Profil lässt mich kalt neben der nach Ihrer Ansicht allzu sehr gekrümmten Nasenlinie, die mich so aufregend an einen Vogel erinnert. Auch ihr Kopf hat für mich etwas Vogelartiges, er ist so lang von der Stirngegend bis zum blonden Nacken, mehr noch von einem Vogel haben ihre durchdringenden sanften Augen. Oft sehe ich sie im Theater, über den Rand der Loge gebeugt, ihre weißbehandschuhten Arme sprühen geradezu empor bis zu den Fingergliedern der Hand, auf die sich ihr Haupt stützt.

Ihr vollendet schöner Körper füllt sein gewohntes weißes Gazekleid, als hätte er nach rückwärts zusammengefaltete Flügel. Man denkt an einen Vogel, der auf seinem zarten, eleganten Bein träumend dasteht. Auch ist es bezaubernd, zu sehen, wie Hippolytas Federfächer um sie flattert und mit seinem weißen Fittich schlägt.

Ich habe nie ihren Söhnen oder Neffen begegnen können, die alle ihre gekrümmte Nase haben, die schmalen Lippen, die durchdringenden Augen – ohne in Verwirrung zu geraten, denn ich erkannte ihre Rasse wieder, die zweifellos der Verbindung eines Vogels mit einer Göttin entsprossen ist. Durch die Metamorphose hindurch, die jetzt einen geflügelten Traum in die Weibesform bannt, erkenne ich den kleinen königlichen Kopf des Pfauen, hinter dem nun nicht mehr Wogen meerblau, meergrün wallen und schillern und hinter dem nicht mehr der Schaum seines mythologischen Gefieders sich ergießt. Sie aber gibt die Gestalt eines Fabelwesens, verbunden mit dem heiligen Schauer der Schönheit.

Die Übersetzungen von Ernst Weiß

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