Читать книгу Die Übersetzungen von Ernst Weiß - Manfred Müller - Страница 24
Kapitel 2
ОглавлениеVor nichts haben geistvolle Frauen mehr Angst als davor, dass man sie der Liebe zum Schick bezichtigen könnte, die sie immer verschweigen; werden sie in der Unterhaltung bedrängt, so flüchten sie in eine Umschreibung, um den Namen dieses Geliebten nicht nennen zu müssen, der sie kompromittieren könnte. Im Notfall werfen sie sich auf das Wort Eleganz, das den Verdacht ablenken kann und ihre Lebensrichtung mehr in die Regionen der Kunst als in die der Eitelkeit zu steuern scheint. Bloß wer noch nicht bis zum Schick vorgedrungen ist oder ihn verloren hat, nennt das Wort mit der ganzen Glut und Gier unbefriedigter oder verlassener Liebesseelen. So kommt's, dass gewisse junge Frauen, die vorwärts wollen, und ältere, die über die Höhe hinaus sind, gern vom Schick der andern sprechen, ob diese ihn haben oder, noch besser, nicht haben. Der Wahrheit die Ehre, von dem nicht vorhandenen Schick der andern zu sprechen macht mehr Spaß, aber mehr Stoff gibt das Gespräch über den wirklich existenten Schick, es nährt die ausgehungerte Phantasie als richtig kräftiges Gericht.
Ich habe Frauen gekannt, denen der Gedanke an die Liaisons einer Herzogin einen Schauer (mehr des Vergnügens als des Neides) verschaffte. Scheinbar gibt es in der Provinz Krämerfrauen, deren Hirn wie ein enger Käfig die brennenden Begierden nach Schick gefangen hält, als seien es wilde Tiere.
Der Postbote bringt ihnen den »Gaulois«. Die neuen Moden sind in einer Sekunde überflogen. Das unruhvolle Herz der Provinzdame hat seinen Trost, und für eine Stunde sind ihre Blicke heiter geworden, denn in ihren weit gewordenen Augensternen will der Genuss brennen und die leuchtende Bewunderung.