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GASTFREUNDSCHAFT

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Das Wort Gastfreundschaft weckt heute Vorstellungen wie Liebenswürdigkeit, Großzügigkeit, anregendes Zusammensein, Pflege gesellschaftlicher Beziehungen. Damit ist freilich die geistliche Tiefe und Kraft dieses christlichen Schlüsselwortes noch nicht ausgelotet. Gastfreundschaft ist in der Heiligen Schrift entscheidend für das Verhältnis der Menschen untereinander und für die Beziehung der Menschen zu Gott. „Gastfreundschaft sieht im Gast den Menschen, der das Kostbare mitbringt: sich selbst, seine Lebenserfahrung, sein Wissen, seine Gesprächsbereitschaft, seine Teilnahme“ (Bischof Gebhard Fürst, Rottenburg-Stuttgart).

Christinnen und Christen leben in dieser Welt als Fremde und Gäste. In der neuen Wirklichkeit des Reiches Gottes gilt: „Ihr seid nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19). Wer sich selbst als Fremdling versteht, d. h. als einer, der auf andere angewiesen ist, der übt leichter Gastfreundschaft. „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott“ (Lev 19,33–34).

Auf alttestamentliche Erfahrungen geht die Mahnung im Hebräerbrief zurück: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt“ (Hebr 13,2). Dahinter steht vor allem die Erzählung der Gastfreundschaft Abrahams für Gott selbst, wie es die Kirchenväter deuten (Gen 18,1–8). Auch das Neue Testament ist voll von Beispielen und Hinweisen, die ein Gespür vermitteln für die Gastfreundschaft. Wer in der Gemeinde ein Vorbild sein will, muss gastfreundlich sein. Auch in der Mission hat die Gastfreundschaft eine entscheidende Rolle.

Charles de Foucauld war von dem Wort des Evangeliums getroffen. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Daher räumt er der Gastfreundschaft in seiner Regel einen besonderen Platz ein. „Die Kleinen Brüder vom heiligsten Herzen gewähren jedem, der darum bittet, ob Christ oder Ungläubiger, bekannt oder unbekannt, Freund oder Feind, gut oder schlecht, Gastfreundschaft, Almosen und im Krankheitsfall Heilmittel und Pflege. … Sie freuen sich nicht nur, jene Gäste, Armen und Kranken aufzunehmen, die bei ihnen anklopfen, sondern drängen auch jene hereinzukommen, die sie in ihrer Nähe finden, so wie Abraham die Engel bat, nicht an seinem Zelt vorbeizugehen, ohne seine Gastfreundschaft anzunehmen. … Wir unterhalten kein eigentliches Krankenhaus, aber wir gewähren Gastfreundschaft, ohne allen Unterschied, Kranken und Gesunden, so lange sie es wünschen. Wir pflegen sie wie uns selbst, wie Jesus … Jeder Gast, jeder Arme, jeder Kranke, der zu uns kommt, gilt uns als ein geheiligtes Wesen, in dem Jesus lebt, wie dick auch die Kruste der Sünde und des Bösen sein mag … Wir behandeln die Sünder, die Feinde und Ungläubigen noch besser als die anderen, um das Böse durch das Gute zu überwinden … Größere Aufmerksamkeit gilt den Armen … Als Regel soll also gelten: Für die Gäste etwas mehr tun als für die Kleinen Brüder.“2

Im Gast wird in der Ordensregel des heiligen Benedikt Christus selbst erkannt und aufgenommen: „Alle Fremden, die kommen, sollen aufgenommen werden wie Christus; denn er wird sagen: ‚Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen.‘ Allen erweise man die angemessene Ehre, besonders den Brüdern im Glauben und den Pilgern. … Vor allem bei der Aufnahme von Armen und Fremden zeige man Eifer und Sorge, denn besonders in ihnen wird Christus aufgenommen“ (Benediktusregel Nr. 53).

Wider den kirchlichen Narzissmus

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