Читать книгу Ich bin normal, nur ... - Manuel Wagner - Страница 10

Keine Kontrolle. Keine Verantwortung.

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Scheiße! Verdammte scheiße! Es ist total peinlich. Nicht genug, dass ich bei allem was ich tue auf andere Menschen angewiesen bin. Krankenpfleger, Ärztinnen behandeln mich wie ein Baby, ein scheiß vollgeschissenes Baby. Jetzt flenne ich auch noch wie ein Baby. Da ich mich zum Lesen aufgesetzt habe, laufen mir meine Tränen über das Gesicht, über den Oberkörper und schließlich über meine verbundene, noch immer schmerzende Stichwunde. Der Verband saugt die Tränen auf. Nur atmen müssen sie nicht für mich! Das darf ich noch alleine, aber auch das würden sie mir, ohne mich zu fragen, nehmen! Bis gerade eben, dachte ich, ich bin auf dem Weg der Besserung. Doch als ich kraftlos einschlief, Hündchen dann weg war und ich irgendwann aufwachte, lag es da:

Mein Buch in einem wunderschön gestalteten und völlig passenden Einband, so als hätte ich das Design selbst ausgewählt. Ich habe es mir vielleicht nicht exakt so vorgestellt. Ich bin sowieso kein visueller Mensch, aber ich weiß, dass ich genau diesen grünen mit Schafen gespickten Einband unter tausend Vorschlägen ausgesucht hätte. Es ist so genial, dass die weißen Schafe einen Wolf bilden und mich das schwarze Schaf fressen wollen. Ich blättere um und stutze. Es kostet mich Kraft die Seiten von rechts bis ganz nach links zu schwenken. Dabei fühle ich mich auch noch so entblößt und schwach, wie nie zuvor, und das liegt nicht an meinem Zustand. Warum ist das Buch fertig? Den letzten Text habe ich nicht geschrieben, aber ansonsten ist alles weitgehend unverändert. Ich blättere und blättere und ja... natürlich auch die peinlichsten Texte sind drin. Hündchen hat sie alle gelesen. Ja sicher hätte Hündchen sie irgendwann gelesen, aber ich wollte entscheiden wann. Viele Texte habe ich mit ihm zusammen überarbeitet, aber nicht die peinlichsten, nicht die, die mich bezüglich Hündchen verwirrt haben und es häufig noch bis heute tun.

Immer diese Grenzüberschreitungen! Wieso hat Hündchen mein Leben gerettet?

Habe ich gesagt: »Rette mein Leben!« Nein!

Habe ich gesagt: »Veröffentliche mein Buch!« Nein!

Als ich später meiner Mutter das Buch zeige, da weiß sie bereits Bescheid. Ihr gefällt das Buch. Sie sagt, dass bald schon eine neue Auflage erscheint. Ich bin für Preise nominiert und die stehen demnächst auf dem neuen Einband, wie auch die Nominierungen und ein paar Lobeshymnen bekannter Autoren.

Ich beruhige mich wieder und denke nochmal genauer nach. Es hat nicht irgendjemand mein Buch veröffentlicht. Hündchen kennt mich schon länger, als ich mich kenne. Es ist in Ordnung. Ich bin bald wieder gesund und dann habe ich die Kontrolle wieder und gebe sie nicht mehr ab. Es sei denn, mich sticht wieder jemand nieder, aber dann kenne ich das ja bereits und dann habe ich eben keine Kontrolle und übernehme eben keine Verantwortung. Was soll's? Dann weiß ich eben nicht, wie man ein Buch verlegt.

Ich führe jetzt halt ein Stellvertreterleben. Hündchen, ich will einen Film sehen: Hündchen geh ins Kino und erzähl mir davon! Ich will Sex haben: Hündchen hab Sex und erzähl mir davon! Hündchen ich habe Appetit auf verfaulten, schwedischen Fisch: Iss ihn und sag mir, wie er schmeckt! Und übrigens: AUFESSEN! DENN DU HAST UNGEFRAGT MEIN VERFICKTES BUCH VERLEGT!

Meine Wut macht mich müde. Immer diese Müdigkeit. Wenn ich hier noch lange bleiben muss, werde ich lebensmüde. Meine Augen werden schwer und das Buch fällt mir aus der Hand. Ich schlafe ein, so als hätte ich 16 Stunden am Stück Holz gehackt, dabei habe ich doch nur 20 Minuten ein Buch gelesen, mein Buch.

Ich bin normal, nur ...

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