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Asbest schnupfen

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Die Physiotherapie zeigt ihre Wirkung. Man lässt mich den zerkochten Kartoffelgemüsematsch, den sie Schonkost nennen, nun alleine essen. Hündchen verbringt seine Mittagspause bei mir. Als es sein Essen auspackt, starre ich es entsetzt an.

»Jetzt reg dich ab. Davon krieg ich schon keinen Krebs. Die WHO stuft Wurst nun doch weit weniger krebserregend ein als noch in der letzten Woche. Außerdem hatte ich Hunger und die Wurst hat mich angelächelt.«

Mist! Die Wurst lächelt mich ebenfalls an. Ich blicke abwechselnd zu Hündchens Wurst und zu meinem Essen, dabei stochere ich in dem Gemüsebrei herum und denke daran, dass der blasse zähe Brei auf meinem Teller einmal frisch geernteter Blumenkohl gewesen sein muss, den man ohne Sinn und Verstand mehrere Stunden zu Tode gekocht hat. Wieso wollen die mich hier dazu bringen, dass ich Gemüse hasse? Mein Hass muss irgendwo anders hin.

»Die WHO hat gar nichts abgeschwächt. Die Wurst steht zu recht zusammen mit Stoffen wie beispielsweise Asbest auf der Liste der krebserregenden Substanzen. Der Grund wieso sie scheinbar ihr Urteil relativiert haben, ist die Angst um ihr Leben.«

Hündchen guckt so, als wisse es nicht, ob es die Wurst runter- oder hochwürgen soll. Meine Hoffnung, dass es ihm den Appetit verdirbt, erfüllt sich nicht. Hündchen schluckt runter.

»Wieso sollten sie Angst um ihr Leben haben?«

Ich führe einen Löffel mit Brei zu meinem Mund, dabei mache ich einen Fehler, ich rieche daran. Meine Stimmung verschlechtert sich weiter.

»Wenn die WHO ihre Kritik in der Deutlichkeit aufrechterhalten würde, dann hätten der ein oder andere Mitarbeiter definitiv bald eine Axt im Rücken, denn Tradition und Gewohnheit sind den Soziomanen irrsinnig heilig. Und denke einmal an die Großunternehmen, die an verarbeiteten Fleischwaren verdienen.«

»Was soll das denn jetzt mit der Axt im Rücken?«

»Das ist für die Leser unterhaltsamer, als bloßes umbringen oder erschießen.«

»Wirklich?«

»Denk mal genauer darüber nach.«

Hündchen denkt nach. Hündchen lacht. Wurstreste werden zwischen seinen Zähnen sichtbar. »Haha, du hast recht.« Mit dem Mund wieder voll mit Wurst nuschelt Hündchen: »Naja, aber es ist doch alles halb so wild.«

Hündchens Anblick macht mich wütend. Schlimm genug, dass Hündchen vor mir eine Wurst isst, aber wieso sieht Hündchen dabei so glücklich aus? Der Geschmack in meinem Mund zwingt mich, das Essen schnell runterzuschlucken und meine Tirade fortzusetzen. »Du lernst einfach nicht dazu. Würde es Gewohnheit oder Tradition sein, Asbest zu schnupfen und es eine Asbestschnupf-Industrie geben, würden die von der WHO ähnlich reagieren. Niemand von den Soziomanen würde sich das Asbestschnupfen schlecht reden lassen. Studie um Studie würde gefälscht werden, bis keiner mehr weiß, was richtig und was falsch ist. Selbst wenn die begeisterten Asbestschnupfer eines Tages die krebsfördernde Wirkung zugeben müssten, würde ihnen noch etwas einfallen, um den tödlichen Konsum zu rechtfertigen. Ein Krebsforscher hat letztens wirklich behauptet, Krebs wäre ein gnädiges Todesurteil, weil er den Patienten beim Dahinsiechen genug Zeit lässt, sich von der Welt zu verabschieden. So etwas würden sie geschickt nutzen, um Werbung für Krebs und für ihr Produkt zu machen. Und wenn das alles nichts nützt, würde die Axt eines entlassenen Asbestschnupf-Mitarbeiters früher oder später den Weg in den Rücken eines WHO-Angehörigen finden. In einer soziophoben Welt hingegen könnten weder Tradition noch Geld noch Macht siegen, sondern Wissenschaft dürfte noch Wissenschaft sein. Iss ruhig deine Wurst! Schnupfe nur dein Asbest! Wir stellen die Krebsforschung ein und sterben alle einen frühen Tod, denn in einer Welt voller Idioten, will sowieso keiner leben. Krebsforschung ist doof, die macht uns nur alles madig. Also schaffen wir sie ab!« Ich untermale meine Aussage mit wahnsinnigem Gelächter. »Auf sowas können nur Soziomanen kommen.«

Hündchen meint trocken: »Ich liebe Wurst trotzdem.« Als es das letzte Stück aufgegessen hat und ich gelernt habe, mir die Nase zuzuhalten, während ich diesen undefinierbaren, modrigen und zerkochten Brei herunterschlucke, hebt sich meine Stimmung. »Das kannst du auch, aber leider kommt irgendwie keiner der Sozialsüchtigen darauf, Wurst zu produzieren, die keinen Krebs auslöst, genau so wenig wie Asbestschnupfer auf die Idee kommen würden, Asbest so zu ändern, dass es keinen Krebs auslöst. Sie haben viel zu viel Angst, dass Wurst plötzlich nicht mehr der Tradition entspricht. Also stirbt man lieber an Krebs und schlägt Äxte in die Rücken der WHO-Forscher.«

Hündchen lacht.

Ich kann nun beinahe schmerzfrei lachen. Wir lieben gemeinsam meinen Wahnsinn, aber es ist kein Wahnsinn. Ich stelle doch nur sarkastisch die Wahrheit über die Realität dar.

Ich bin normal, nur ...

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