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Im Gericht

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»Die Verhandlung war öffentlich«, erzählt mir Hündchen. »Ich musste einfach dabei sein. Stell dir vor: Auf der Anklagebank saß eine junge Frau im eleganten Kostüm. Sie machte ein aufmerksames Gesicht und erweckte mühelos den Eindruck, dem Gericht in der Angelegenheit helfen zu wollen. Ohne Aufregung erteilte sie Auskunft. Sie und ihr Anwalt sagten, es wäre ein Unfall gewesen, das Messer hätte die Mandantin vorher nie gesehen. Sie hatte sich gewundert, warum eine erwachsene Person im Zickzack und womöglich betrunken mit einem Messer herumrennt. Fingerabdrücke hatte es nicht gegeben. Sowohl du als auch sie hatten Handschuhe getragen, weil es am besagten Tag sehr kalt gewesen war. Keiner stellte Fragen zu ihrem Bruder. Weder Richter noch Staatsanwalt versuchten eine Verbindung zu dir, zum Opfer herzustellen. Trotz meiner Aussage bei der Polizei war ich nicht als Zeuge geladen. Auch der Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung war schnell vom Tisch. Die elegante Studentin spielte ihre Rolle perfekt. Sie bedauerte, dass sie nicht helfen konnte, weil sie kein Blut sehen könne und unter Schock gestanden hätte. Der Arzt der Mandantin, ein reicher Schönheitschirurg im Armanianzug mit Rolexuhr, bestätigte, dass seine Patientin beim Anblick von Wunden Angst bzw. Schockzustände bekäme. Warum es zu einer Anklage gekommen war, schien sich keiner mehr erklären zu können.

Der stets lächelnde Anwalt fragte schließlich »Was machen wir eigentlich hier?«

»Es gibt keine Beweise dafür, dass die Angeklagte mit der lebensgefährlichen Stichwunde nur im Entferntesten zu tun hat«, meinte die Richterin. »Die Beweise, die ich hier habe, deuten auf einen selbstverschuldeten Unfall hin.«

Daraufhin nickte der Staatsanwalt zustimmend. »Das angebliche Opfer spricht mit niemandem und hat sich auch schriftlich nicht geäußert. Die Person, die den Vorfall angezeigt hat, war nicht dabei als er passierte. Außerdem hätte die Aussage des Zeugen so hochemotional und befangen gewirkt, dass eine Anhörung nichts bringen würde.«

Ich erkannte, dass hier etwas im Busch ist und dachte: Das kann doch nicht wahr sein. Die werden doch nicht...?! Die Beweise wirkten merkwürdig dünn. Das Opfer wurde auch nicht befragt. Und dann: Alle nickten und der Richter sprach das unfassbare aber folgerichtige Urteil aus: »Freispruch!« Die mutmaßliche Täterin, die jetzt nicht mal mehr eine mutmaßliche Täterin war, wirkte gelassen und überhaupt nicht überrascht.

»Da stimmt was nicht! Das kann unmöglich sein!«, schrie ich in mich hinein. Das Gericht muss bestochen oder auf andere Art manipuliert worden sein. Ich brauchte einen Plan, deinen Plan! Gut, dass ich nicht laut geschrien habe. Gut, dass mich keiner erkannt hat.«

Ich bin normal, nur ...

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