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Mächtige Realität

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Unbarmherzig machen sich dunkle Gedanken in meinem Kopf breit. Du betreibst Selbstbetrug, genau wie all die anderen Menschen auch. Du bist nichts Besonderes, du bist genau so erbärmlich wie die Anderen. Der Arzt hat bestimmt ein Instrument in dir vergessen. So etwas passiert schließlich immer wieder. Das entzündet sich jetzt und du wirst elendig daran krepieren. Selbst wenn das nicht passiert, dann stirbst du halt bei der nächsten Gelegenheit. Eine Weile ging das mit den positiven Gedanken gut, doch dafür kommen die schlechten nun umso schlimmer und das kurz bevor ich entlassen werde. Vielleicht liegt es daran, dass mich lange niemand besucht hat, ich zu lange allein war mit meinen Gedanken und zu viel denken auf Dauer nicht gut ist. Hündchen besitzt eben auch noch ein eigenes Leben und hat nicht immer Zeit herzukommen. Obwohl Hündchen heute wieder einmal da ist, kann ich mich nicht besonders freuen. Die schlechte Stimmung beherrscht meine Gedanken, meinen Körper, meinen Geist.

»Guck, wie erbärmlich ich bin. Was bin ich schon? Was bilde ich mir eigentlich ein? Die Ärzte, Schwestern und Pfleger retten hier täglich Menschenleben. Was nützt mir mein Verstand, wenn ich nichts tue? Hätte mich doch diese irre Schlampe getötet, stattdessen ist sie selbst tot.«

Hündchen fährt mich böse an, ehe ich weiter sprechen kann. Eins kann es gar nicht leiden: Schlechte Stimmung. »Na du bist aber schlecht gelaunt. Ich glaube, ich gehe besser wieder.«

Als Hündchen kehrt macht, die Tür öffnet, fange ich an zu jammern. »Nein, bitte geh nicht, bleib da. Bitte muntere mich auf.«

Hündchen schließt die Tür wieder und ich bin erleichtert. Die Rotze läuft mir über's Gesicht. Hündchen reicht mir ein Taschentuch. Während ich mich schnäuze und abputze, versucht mich Hündchen zu trösten. »Du bist was Besonderes. Wer, wenn nicht du, hat die Wahrheit über den Irrsinn der Sozialsüchtigen erkannt? Wer, wenn nicht du, soll die Menschheit vom Irrsinn erlösen? Überlege dir mal, wie viel Leid verhindert würde und wie wenig die Mediziner zu tun hätten, wenn die Menschen alle soziophob wären. Du könntest den Menschen das Leben retten, bevor sie ins Krankenhaus kommen. Wer heutzutage ins Krankenhaus eingeliefert wird, führt meistens ein ziemlich armseliges Leben, ein Leben dessen Verlängerung sich kaum lohnt. Aber wieso muss ich deine Worte sprechen? Wieso muss ich dich daran erinnern?«

Hündchen holt Luft. Ich nutze dies, um kurz zu intervenieren. »Aber...« Vergeblich.

»Nichts aber! Was für ein scheußliches Wort aus deinem Mund. Du bist was Besonderes. Du bist der Mensch, den sich jeder zum Vorbild nehmen sollte. Ich habe dein Buch gelesen. Du hast mich überzeugt, und zwar nicht nur als Freund, sondern auch als Psychologe. Du wirst die Menschen heilen und ich werde dir dabei helfen. Ich stehe dir bei, auch wenn du dich noch eine Weile auf deine Genesung konzentrieren musst.«

Plötzlich fällt mir auf, wie wenig meine Wunde schmerzt, wie Wärme in mein Gesicht zurück kehrt. Ich schäme mich etwas, denn ich konnte mich nicht alleine aus diesem Tief befreien.

Hündchen steht auf. Es hat dabei einen unheimlichen, entschlossenen Blick. Plötzlich packt es mich bei den Schultern und schüttelt mich. »Hör auf mit dem Scheiß! Du bist stark! Du schaffst das, aber du darfst vorher gesund werden. Du musst die Welt nicht vom Krankenhaus aus retten, doch deine Zeit wird kommen. HÖR AUF …« Hündchen hält inne, beendet die heftige Schüttelprozedur und wiederholt seinen angefangenen Befehl leise: »…traurig zu sein.«

Ich muss mich kurz sammeln. Als Hündchen nun darauf wartet, dass ich etwas sage, sieht sein Blick ausgesprochen sanft und hilfsbereit aus. Ich antworte schließlich: »Versprochen, dass du mir hilfst? Versprochen, dass ich es schaffe?«

»Ja, versprochen und versprochen.«

Ich bin normal, nur ...

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