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Der erste Gast von vielen

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Von der Optik her war ich anders,

vom Sprechen her war ich anders,

ich hatte es einfach drauf.

Wie viele Gäste ich im Laufe meiner Karriere schon hatte, ist die Frage, die ich am häufigsten höre. Ehrlich gesagt wüsste ich das selbst gern. Aber weil ich natürlich nicht Buch geführt habe, kann ich nur grob schätzen und würde sagen: Es sind Tausende, auf jeden Fall müssen es Tausende Männer gewesen sein, die meine Dienste als Domina in Anspruch genommen haben. An den ersten Gast, der in mein damals neues Studio kam, kann ich mich im Detail nicht erinnern. Aber ich weiß noch sehr genau, wie erfolgreich meine Stiefelzeit startete. In der ersten Nacht verdiente ich 750 D-Mark. Wow, das kann mir keiner nehmen, sagte ich mir am Ende meiner Schicht, das ist geil. Diese Erfahrung bestärkte mich darin, auf dem richtigen Weg zu sein. Ich wurde immer selbstsicherer, entfaltete mich und wurde besser im Kobern. Ohne angeben zu wollen, auch optisch machte ich was her in der Straße. Mein erstes Dominageld investierte ich in ein Paar maßgefertigte Ledershorts. Hoch geschnitten, ein bisschen auf Korsage gemacht, unten ganz knapp, der Po guckte ein bisschen raus, sehr sexy, mit einem Reißverschluss von oben bis unten. Ein Hammerteil. Dazu trug ich einen durchsichtigen Body mit Brustheber. Ich habe mich selbst kreiert, weil ich mich von den anderen Frauen abheben und anders wirken wollte. Das gilt auch für die Art und Weise, wie ich mit meinen Gästen umgegangen bin. Und immer noch umgehe. Ich spreche ganz bewusst nicht von Freiern, wie man die Kunden von Prostituierten meistens nennt. „Freier“ – das klingt in meinen Ohren abwertend, erniedrigend. Wer zu mir kommt, der ist mein Gast und wird auch als solcher behandelt. Ich sage ja auch „bitte“ und „danke“ und halte mich an die Grundregeln der Höflichkeit. Egal mit welchen Gelüsten ein Mann zu mir kommt, sobald wir einen Handel abgeschlossen haben, ist er mein Gast, der Respekt verdient. Wenn ich in diesem Buch von einigen meiner Gäste erzähle, dann werde ich dies immer respektvoll und unter Wahrung ihrer Anonymität tun, selbst wenn das, was einige verlangen, absurd, lachhaft oder gar eklig ist.

Die zweithäufigste Frage, die ich zu hören bekomme, ist die nach meinen Gästen: Wer sind eigentlich die Männer, die zu einer Domina gehen? Meine Antwort: alle. Männer aller Altersklassen und aller Gesellschaftsschichten. Die Klientel ist gemischt, bunt, abwechslungsreich, unvorhersehbar. Männer im Alter von 19 bis 90 Jahren klopfen an mein Fenster – vom Arbeitslosen bis zum erfolgreichen Geschäftsmann, klein, groß, attraktiv oder nicht. Es ist absolut nicht möglich, die Gäste zu kategorisieren. Dass es vor allem Manager oder Führungskräfte sind, die in ihrem Joballtag ihre Mitarbeiter dominieren und einen Ausgleich für den Druck suchen, indem sie sich mir unterwerfen, entspricht nicht der Realität. Zumindest deckt sich das nicht mit meinen Erfahrungen, von denen ich reichlich habe. Ja, diese Gäste gibt es auch, die Chefs, die sich von mir fesseln und schlagen lassen, aber sie sind nicht die Mehrheit. Es gibt den Sozialhilfeempfänger, der eine Kerze im Arsch haben will, genauso wie den Banker, dem ich die Eier abbinde. Selbst Geistliche kommen zu mir. Eines Nachts stand ein Pfarrer an meinem Fenster. Er hatte in der Spielbank eine ordentliche Summe gewonnen. Die Fünfhunderterscheine hatte er gebündelt in seiner Jackentasche. Die hätte er mal besser in den Klingelbeutel seiner Kirche stecken sollen, anstatt sie zu einer Domina zu bringen, dachte ich, sagte aber natürlich kein Wort dazu.

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