Читать книгу Die Artuslinde - Manuela Tietsch - Страница 3

1 Die Krönungslinde, Artus Zeit

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„Die Linde ist tatsächlich gewachsen! Solltest du noch ruhmreicher geworden sein, Artus?“

Artus lächelte über Merlins Worte und schaute seinen Freund und Berater an. Merlin mußte über hundert Jahre sein, Artus wußte es nicht genau; er sah jedoch aus wie ein Mann in den Fünfzigern. Nur sein langer, schlohweißer Bart und der weise Ausdruck in seinen Augen ließ den Betrachter erahnen, wie lange Merlin wirklich auf dieser Erde weilte. Es war viel Wasser den Fluß hinuntergeflossen, seit sie gemeinsam die Linde besucht hatten.

Der Anblick, der inzwischen an die fünfzehn mannslängen hohen Linde, ließ Artus´ Gedanken zurückwandern, bis zu dem Tag, an dem er zum König geweiht wurde. Damals war die Linde kaum größer als er gewesen. Er lächelte, sollte Merlin Recht haben? War sein Ruhm weiter gewachsen? Er trat einen Schritt in den Steinkreis. Seit dem Krönungstag war viel geschehen in seinem Leben. Nun stand er als reifer Mann hier, nicht mehr als sechszehnjähriger Knabe.

Die Krönungsweihe fiel ihm wieder ein. Er sah die zwölf Druiden um die winzige Linde stehen, als wäre die Weihung erst gestern gewesen. Merlin trug damals den Baum und rief Artus zu sich in den Druidenkreis. Unsicher hatte er außerhalb des Kreises auf sein Zeichen gewartet. Seine Hände waren schweißnass gewesen, und die Angst vor dem Königsamt und der Verantwortung hatten ihm die Kehle zugeschnürt. Merlin hatte ihn nur väterlich angesehen und gesagt, daß alles Sträuben das Unausweichliche nur hinausschieben würde; er sei der Auserwählte. Er hatte Merlins Blick standgehalten; sich seinem Schicksal ergeben, um den Kampf gegen das Übel in seinem Reich aufzunehmen.

Er hörte noch immer den kraftvollen, mit Magie behaftetenen Gesang der Druiden, fühlte noch, wie die Erde unter seinen Händen nachgab, als er die Linde zärtlich hineinpflanzte. Kaum hatte er damals die Lindenwurzel mit Erde bedeckt, begann diese zu wachsen. Sie wuchs und wuchs, und alle Pflanzen der Lichtung mit ihr. Und noch immer jagten ihm die Gedanken daran Schauer über den Rücken. Merlin hatte ihm erklärt, daß die Linde mit seinem, dem Ruhm des König Artus, wachsen würde.

Schon am Tag der Krönung erreichte sie eine Höhe, welche dreimal seine eigene Körpergröße überragte. Wörtlich erinnerte er sich an Merlins Weihespruch: „Mit deinen Taten, mit deinem Ruhm und deiner geistigen Größe, wächst auch diese Linde. Sie wird fortbestehen, solange du in den Herzen der Menschen lebst, und weit über deinen Tod hinaus. Allerdings wird sie, in den kommenden Jahrhunderten, für das menschliche Auge nur selten zu sehen sein; Wer nicht von ihr weiß, wird sie nie bemerken; es sei denn die Linde lädt ihn ein, oder du selbst. Diese Lichtung ist dein ureigener Kraftort.“

Danach ließen ihn die Druiden und Merlin allein mit der Linde. Und erst nach diesen drei Tagen und Nächten war er der König. Ein geachteter König, mit großer Macht und einem riesigen, friedliebenden Reich.

Artus fielen seine Ritter ein, die Ritter seiner Tafelrunde, an der nur die Besten saßen. Vor seinem inneren Auge tauchte das Gesicht Talivans auf, der einer seiner treuesten und bescheidensten Ritter war und der ihm auch dieses Mal wieder herzliche Gastfreundschaft entgegenbrachte, da sie bei ihm Zwischenrast hielten. Er wandte sich Merlin zu, dessen Blick wissend auf ihm ruhte.

„Findest du nicht, daß Talivan immer ernster und in sich gekehrter wirkt?“

Merlin wog nachdenklich den Kopf hin und her. „Sein Äußeres macht ihm mehr zu schaffen, als er es sich selber zugesteht, geschweige einem anderen!“

„Ich habe bemerkt, daß die Dame Brighid ihm schöne Augen macht!“

Merlin schüttelte den Kopf, schloß die Augenlider, wie um dahinter verborgene Geheimnisse zu enthüllen. Als sähe er dort Dinge, welche er mit offenen Augen nie wahrnehmen könnte. Als sich seine Lider wieder öffneten, lag ein Leuchten in seinem Blick. „Talivan braucht eine Frau, die seine seelischen Narben zu heilen versteht, und die seine körperlichen annimmt!“ Er nickte, wie um sich selber zu bestätigen. „Es gibt sie, Artus. Sie werden sich in einer anderen Welt begegnen.“

„Er braucht sie jetzt!“ warf Artus ein.

Merlin konnte nicht anders, er schmunzelte. Da stand dieser mächtige König Artus vor ihm, ein Mann, dem Tausende trauten, als ihren Obersten anerkannten, und gebärdete sich wie ein trotziger kleiner Junge. Seine hellbraunen Augen sprühten Funken, und seine blonden Locken flogen wild um seinen Kopf. Wären nicht die beeindruckende Größe und die breiten Schultern, so könnte Merlin leicht den Knaben wiederfinden, den er einst großzog.

„Du bist ein Heißsporn, Artus... doch du magst recht haben, Talivan wünscht sich eine Frau.“ Merlins Lächeln wurde breiter. „Weshalb versuchst du nicht, deine Schwägerin mit ihm zusammen zu bringen?“

Artus Blick schnellte zu Merlin, gerade sah er noch dessen breites Grinsen. „Bronwynn? Das ist nicht dein Ernst!“ Artus erwägte den Gedanken. „Aber..., die Vorstellung gefällt mir sogar. Talivan gehört zu meinen ehrlichsten Rittern; ich könnte einen schlechteren Schwager bekommen.“ Er überlegte. „Bronwynn wünscht sich Kinder; und Talivan wird nie in diesem Leben Vater eigener Kinder sein!“ Artus Blick wanderte nach oben, in die Lindenkrone. „Ich wünschte, die Frau, von der du sprachst wäre hier.“ Er schaute Merlin spitzbübisch an. „Könntest du nicht...?“

„Oh nein, Artus! Du weißt, daß ich niemals in das Weltgeschehen eingreife. Jedenfalls nicht, wie du dir das gerade vorstellst. Es gibt einen Eid, wie du weißt!“ Merlin ärgerte sich, wie konnte der Junge solche Fragen stellen!

Artus, offen für Merlins Empfindungen, spürte dessen Unmut. „Entschuldige. Es wäre jedoch nur gerecht, wenn es eine Möglichkeit gäbe.“ Er berührte zärtlich die Rinde des Baumes.

Merlins Blick entspannte sich. Er konnte Artus nicht ernsthaft böse sein. Wenn er ehrlich mit sich war, dann erfüllte er seinen Wunsch nur zu gerne, denn auch er mochte Talivan, und er wußte um Artus Schuldgefühle.

„Laß uns gehen, Artus. Wenn auch Talivan, als einer der wenigen, um die Zeitlosigkeit dieses Ortes weiß, so könnte er uns doch vermissen.“

Die Lindenblätter rauschten leise, als bewege sie ein Wind. Artus und Merlin schauten in die Krone.

„Seltsam! Wo kommt der Wind her?“ Artus blinzelte.

Zwei rotgoldene Blätter fielen tanzend hinunter, auf seine ausgestreckte Hand. Versonnen betrachtete er sie.

Die Artuslinde

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