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9 Gefangen und Verlassen

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Die Füchsin legte ihre Hände flach auf das Rad vor sich, starrte nachdenklich darauf, ehe sie hinaussah. Schließlich schien sie sich zu einer Entscheidung durchgerungen zu haben.

„Wenn ihr mir was antun wolltet, dann hättet ihr es längst getan, denke ich.“ Sie sah sich fragend um, „Ich nehme euch ein Stück mit, und wenn ihr irgendwo aussteigen wollt sagt ihr Bescheid.“ Sie sah wieder nach draußen. „Ich weiß ich bin närrisch, ...dennoch.“ Sie schaute Dougal an.

Ich erwiderte ihren Blick, ehe ich Blicke mit den anderen tauschte und stille Zwiesprache mit ihnen hielt.

„Das ist ein großzügiges Angebot.“ Wieder bemerkte ich ihre fragend in die Höhe gezogenen Augenbrauen.

„Ich fahre jetzt los?!“ Sie steckte einen kleinen Metallstab unter das Rad und drehte ihn.

Das Gefährt begann zu beben und ich hörte das seltsame, brummende Geräusch. Ich griff neben mich um irgendwo einen Halt zu finden. Ich blickte ängstlich zu ihr, doch sie schien meine Sorgen gar nicht zu bemerken. Sie sah nach vorne und griff mit der rechten Hand nach unten neben sich, wo sie allerdings nur meine Hand zu fassen bekam. Erschrocken wandte sie sich mir zu.

Flanna bemerkte ihre leichenblassen Gesichter. „Meine Güte, was ist denn los?“ Sie lachte verstört. „Man könnte meinen ihr wärt niemals zuvor mit einem Auto gefahren!“

Ich richtete mich auf steif noch mehr auf. „So ist es. Und wir wollen es auch nicht, bitte, wir steigen wieder aus.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich dachte das hätten wir geklärt! Macht die Augen zu, wenn es so schrecklich ist!“ sie beachtete uns nicht weiter.

Sanft, aber bestimmt nahm sie meine Hand zur Seite und schob einen Stab nach vorn. Das Gefährt setzte sich in Bewegung. Es gab einen leichten Ruck. Die Schneeflocken schienen sich gezielt zu sammeln, um alle gemeinsam auf die durchsichtige Wand vor uns zu zustürmen. Zwei Stäbe bewegten sich hin und her und schoben dadurch den Schnee zur Seite.

Ich wurde das Gefühl nicht los, daß wir zunehmend schneller wurden, denn die Landschaft schien nur so an uns vorbeizurauschen. Hinten begann Calum zu würgen.

Die Füchsin sah fragend in seine Richtung. „Soll ich anhalten?“

Calum brachte ein Nicken zustande.

Sie hielt.

Calum fingerte gehetzt an der Klappe herum.

„Da unten. Der Griff da. Ziehen“, sagte sie und zeigte zur Klappe.

Calum zog und die Klappe sprang auf. Er stürzte nach draußen, wo er sich sofort übergab.

„Seltsam“, sagte die Füchsin leise, mehr zu sich selber. „Als würde er das erste Mal Auto fahren. Sie wandte sich mir zu. „Bitte, und ehrlich, wer seid ihr und woher kommt ihr?“

Ich sah sie eine Weile still an, war versucht wie Calum aus dem Wagen zu stürzen, denn auch in meinem Magen rumorte es. Sie wartete auf eine Antwort, dabei war ich mir nicht im Klaren darüber, was ich ihr sagen sollte. Ich sah Gavin an, während Calum ächzend wieder einstieg und sich mit blassem Gesicht neben Eithne setzte.

Gavin nickte. „Ich werde alles erzählen“, sagte er leise.

Ich war froh, daß ich es nicht tun mußte.

Gavin räusperte sich. Die Füchsin starrte wie gebannt auf den schwarzen Weg hinaus. Ohne sich umzuwenden sagte sie: „Ich höre.“

„Wir sind drei der Söhne von MacDougal. Dougal MacDougal, Calum MacDougal und ich bin Gavin MacDougal und dies ist unsere Schwester, Eithne NicDougal“, er sah zu seiner Linken in den Schnee hinaus, „alles begann gestern Morgen damit, daß die MacBochras...“

„MacBochra?“ warf die Füchsin fragend ein und ihre Lippen wurden schmal.

Gavin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, obwohl ihn ihre Nachfrage verwirrte. „Aye, die MacBochras. Sie überlisteten uns drei, fingen uns ein und schleppten uns zu den heiligen Steinen und zu Gemmán, um uns ein Geheimnis zu entlocken.“

Sie drehte sich zu Gavin um, der sich ihr ebenfalls zuwandte. „Welcher MacBochra und wer ist Gemmán, und zu welchen Steinen?“

Gavin nickte ergeben. Er hatte eine rauhe, trockene Stimme. „Die heiligen Steine der Druiden und Gemmán ist ein mächtiger Druide. Und die MacBochras sind unsere Feinde.“

„Feinde?“

„Aye, seit vielen Jahrzehnten.“

„Und der Druide?“

„Sehr mächtig. Er beschäftigt sich mit Dingen, die er lieber auf sich beruhen lassen sollte.“

„Und was hat das mit den Steinen zu tun?“

Gavin schüttelte den Kopf. „Dort haben sie uns verflucht und entehrt.“

Ich mischte mich ein: „Sie schlugen Gavin bewußtlos und Calum grün und blau. Sogar Eithne wurde von ihnen ins Gesicht geschlagen!“

„Und dir haben sie die Rippen gebrochen, diese Scheißkerle! Sie werden für alles büßen!“ Calum sprach sich in Zorn, doch ich brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.

Unter dem begutachtenden Blick der Füchsin, die sich anscheinend bemühte meine gebrochenen Rippen durch mein Hemd zu erkennen, sprach ich weiter. „Die MacBochras legten uns auf den Altarstein“, ich sah hinaus und konnte nur leise weiter sprechen. „Wir hofften, daß unser Vater uns helfen würde, doch uns wurde schnell klar, daß er und unsere Leute zu spät kommen würden. Gemmán sprach über uns magische Worte, die unsere Körper verschwinden ließen.“ Ich starrte auf meine Hände. „Eithne kam in diesem Augenblick zu uns.“ Ich versuchte Eithne anzusehen, doch sie wich mir aus. „Als wir wieder aus dieser eigenartigen Ohnmacht erwachten, fanden wir uns vor dem großen grauen Gebäude wieder, dort wo das Sonnenlicht eingefangen wurde und durch spitzzulaufende Lichteinwürfe wieder heraus will, mit dem hohen Turm.“ Wenn ich meinen eigenen Worten zuhörte, klang alles verwirrend, wie sollte das jemand glauben, geschweige denn verstehen?

„Die Kirche?“ warf die Füchsin ein.

„Wir haben keinerlei Ahnung wo wir uns befinden, oder wie wir wieder in unsere Heimat zurückkehren können. Hier ist alles so fremd, so seltsam und beängstigend.“

Die Füchsin sagte eine Weile gar nichts, lediglich ihre Finger schlossen sich so stark um das Rad vor ihr, daß ihre Knöchel weiß hervortraten.

Das Schweigen zermürbte mich, ich räusperte mich leise.

Schließlich wandte sie sich uns zu. „Man... Ihr erzählt mir eine Geschichte von einem Druiden der euch hierher zauberte, obwohl ihr zuvor woanders wart?“ sie holte Luft. „Wann seid ihr tatsächlich geboren?“ In ihren Augen loderte etwas lauerndes, daß mir Angst machte.

Ich wußte nicht bestimmt wann wir geboren waren. Das war unwichtig. Trotzdem, ich mußte ihr antworten. „Vor Beltaine bin ich geboren.“

Sie schüttelte den Kopf. „Quatsch Beltaine, ich meine in welchem Jahr?“

Ich zuckte die Schultern. „Unser König ist Coinneach MacAilpin wenn dir das weiterhilft“, antwortete ich tonlos.

Ihre Augen weiteten sich, als sähe sie ein Ungeheuer. „Ihr wollt mir weiß machen, daß ihr aus einer anderen Zeit kommt! Genauer von 843 oder 844 nach Christi Geburt! Ist euch das klar?“ Sie lachte bissig auf. „Glaubt ihr ich bin Plemm-plemm?“ Sie schüttelte wütend den Kopf. „Das haben sich irgendwelche Leute vom Mittelaltermarkt ausgedacht, oder? Mit mir kann man’s ja machen!“ Sie lachte trocken. „Nur weil ich mich für Schottland begeistere, bin ich doch nicht bescheuert!“

Sie suchte in unseren Gesichtern eine Bestätigung ihrer Vermutung, doch offensichtlich erhielt sie nicht die Antwort die sie erwartete, denn sie schlug zornig mit der flachen Hand auf das Rad. Als sie uns ihr Gesicht wieder zuwandte schien sie sich innerlich entschlossen zu haben und ihr Gesichtsausdruck gefiel mir gar nicht.

Gavin mußte es ähnlich gehen, denn mit einem Mal hielt er ihr seinen Sgian Dhub an die Kehle. Er, der sonst keiner Fliege ein Leid antat.

Sie schluckte hart.

„Wir sind keine Lügner!“ presste er zwischen zusammen gebissenen Zähnen heraus. „Falls du das damit meinst!“

„Verflucht!“ Sie schlug zornig mit der Hand den Dolch weg, daß er scheppernd zu Boden fiel. Es war ihr anscheinend völlig egal ob sie sich verletzte. „Steigt aus! Los verschwindet! Bestimmt warten irgendwo eure Auftraggeber auf euch, dann könnt ihr euch auf meine Kosten belustigen!“ Ihre Augen schienen Funken zu sprühen. „Na los, raus!“

Wir sahen uns an und waren uns einig, daß jedes weitere Wort Zeitverschwendung gewesen wäre.Wir hatten es irgendwie vermasselt.

Calum rutschte im selben Atemzug herüber und hielt ihr seinen Dolch an den Hals, er war jedoch vorsichtiger als Gavin und legte seinen anderen Arm um ihre Schultern, so daß sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt war.

„Verdammte Scheiße!“ fluchte sie laut. „Was soll das?“

„Du wirst uns zu deinen Leuten bringen!“ zischte Calum ihr ins Ohr.

Ein kluger Einfall, fand ich.

„Meine Leute?“

Calum nickte.

„Ich lebe meistens alleine!“ Verflucht, wieso hatte sie ihnen das erzählt?

Ich sah Gavin ebenso erstaunt an wie er mich.

„Eine Frau alleine?“ Ich war mißtrauisch. „Dann bist du eine Priesterin?“

Sie lachte, doch es klang nicht überzeugend. „Ich bin keine Priesterin!“

„Warum lebst du dann alleine?“ Und wenn Gemmán uns dies alles vorspielte? Wenn sie auf diese Weise versuchten zu ergründen wo der heilige Stein war? Womöglich glaubten sie wir wären so dumm es zu erzählen, weil wir uns so verloren fühlten?!

Sie schüttelte unwillig den Kopf, soweit ihr Calum dazu Gelegenheit ließ. „Das ist so üblich.“

Calum beugte sich herüber zu ihr und flüsterte gefährlich klingend. „Nur Priesterinnen und Huren leben alleine?“

Sie wandte sich zornig um, wobei sich der Dolch stärker in ihre Haut drückte. „Nur weil ich alleine lebe, bin ich noch lange keine Hure!“ zischte sie wütend wie eine Kreuzotter.

Ich fand, daß sie beeindruckend reizvoll aussah, in ihrem Zorn.

Gavin lenkte ein. „Bring‘ uns zu einem Wald, einem richtigen Wald!“

Sie lachte auf.

„Was ist daran so witzig?“ fragte Calum ärgerlich.

Sie schloss die Augen, während sie sich nach hinten an den Sitz lehnte und ihren Atem verlangsamte.

Unerwartet sprach sie wieder, die Augen noch geschlossen. „Nimm den Dolch weg! Und dann verschwindet!“ In ihrer Stimme schwang ein Ton mit, der keine Zuwiderhandlung duldete.

Calum schaute fragend erst mich und dann Gavin an. Gavin zuckte die Schultern, doch ich nickte. Calum zog die Waffe zurück und rutschte wieder auf seinen Platz!

Die Füchsin atmete sichtbar erleichtert aus und öffnete die Augen wieder. Kurz starrte sie hinaus in das Schneegestöber. Als sie sich uns zuwandte entdeckte ich Tränen in ihren Augenwinkeln.

„Ich will, daß ihr geht“, sagte sie leise. „Oder willst du mir auch den Dolch an die Kehle drücken? Du fehlst noch in der Sammlung.“

Ich schämte mich mit einem Mal für unser rohes Verhalten, trotzdem hielt ich ihrem Blick stand. Das hatten wir uns selber zuzuschreiben. Uns stand eine lange und kalte Nacht bevor. Unwillkürlich überlief mich eine Gänsehaut. Ich zog an dem Hebel und die Klappe sprang auf.

Ich spürte, daß die Füchsin mich scharf beobachtete.

In aller Hast entstiegen wir dem Gefährt und standen wie vor den Kopf geschlagen da. Sicherlich hätten wir mit Gewalt unseren Willen durchsetzen können; doch was, fragte ich mich, war unser Wille? Sie eilte mit dem Wagen davon. Die eisige Kälte schien unerbittlicher als zuvor und ein befremdliches Gefühl von Einsamkeit bemächtigte sich meiner.

„Mein Dolch!“ entfuhr es Gavin.

„Sie ist die einzige, die uns verstanden hat“, sagte ich leise. Ich wollte nicht wieder in die Kälte, nicht wieder gegen die Schmerzen und die Witterung ankämpfen müssen. Am liebsten hätte ich laut aufgeschrien und sie um Nachsicht gebeten. Sie auf Knien angefleht uns zu glauben und zu helfen. Ich starrte auf den Schnee und presste die Lippen zusammen. Meine Knie waren weich. Schwer stützte ich mich auf die Arme meiner Brüder, als wir uns auf den Weg zu der kleinen Baumgruppe machten.

Während Gavin und Calum eine kleine Senke mit den Händen und Dolchen aushoben, beobachtete ich sie. Ich lehnte schwer gegen den rauhen Stamm einer Fichte und kämpfte gegen den Schüttelfrost an. Eithne hatte ihr großes Tuch um meine und ihre eigenen Schultern gelegt und versuchte mich mit ihrem Körper zu wärmen. Der Schnee wirbelte selbst unter der kleinen Baumgruppe ungehindert, wie auf dem freien Feld. Weit entfernt nahm ich eine Bewegung wahr. Ich kniff die Augen zusammen, doch in dem Schneegestöber konnte ich nichts erkennen. Vermutlich ein weiteres Reh? Es hatte keinen Sinn.

Eithne strich mir zart über die Hand. „Es tut mir leid“, sie starrte ins Dunkel vor sich, „ich kann mich nicht beherrschen.“

Ich mußte leise lachen. „Das Schlimme ist, wir hätten es ahnen müssen,“ ich grinste. „Schließlich bist du uns nicht das erste Mal gefolgt.“

Sie nickte, an meine rechte Schulter gelehnt. „Ich bete darum, daß wir schnell wieder nach Hause kommen.“

Calum spuckte auf den Boden. Er haßte diesen Ort. Er haßte alles was damit zusammenhing, einschließlich der Füchsin, die sie im Stich gelassen und zudem Gavins Dolch gestohlen hatte. Er schaufelte die ausgeworfene Erde an den Rand der Grube. Seine Finger waren steif von der Kälte und wund vom harschen Schnee und dem gefrorenen Boden. Schließlich sah er auf den kleinen Schutzwall hinunter, den sie für die Nacht ausgehoben hatten. Zumindest würden sie ein bißchen Schutz vor dem Wind finden.

Gavin sah zu Dougal und Eithne hinüber.

Eithne schaute auf. „Er hat Fieber!“

Gavin nickte. „Wir sind fertig.“

„Du solltest ihn nach Ossians Art behandeln. Es wird die Schmerzen lindern“, sagte Eithne.

„Ich bin nicht Ossian.“

„Du hast aber gelernt deine Hände heilend wie Ossian zu gebrauchen. Und im Inneren von Dougal ist ein heiliger Stein, der die Kraft verstärken kann.“

Gavin nickte, Eithne hatte Recht. Schaden konnte es nicht, selbst wenn er sich nicht viel zutraute und es nicht den gleichen Erfolg hatte, wie eine Behandlung von Ossian. Und vielleicht half die Kraft des Steines tatsächlich.

Sie halfen Dougal auf, der versuchte seine Schmerzen und das Fieber vor ihnen zu verbergen, doch das fiel ihm auffallend schwer. Eithne legte ihren Gürtel ab, breitete ihr großes Tuch in der Grube aus und setzte sich darauf. Sie halfen Dougal sich in die Grube auf das Tuch und die darunter vorbereitete Erhöhung zu hocken. Währenddessen entkleidete sich Calum bereits, drängte sich neben Dougal und breitete sein eigenes großes Tuch über sie alle aus. Gavin schnappte sich das Ende und zog es stramm. Behaglich war ihr Lager nicht, aber sie hatten keine Wahl. Der ständig fallende Schnee würde bald eine schützende Schicht auf Calums großem Tuch bilden, so daß die Körperwärme sich halten konnte.

Calum schloss die Augen. Er zitterte ebenfalls. Verdammt, für ihn war es doch nichts Neues in der Kälte zu übernachten, doch er fühlte so viel Angst an seiner Seele nagen und das machte ihn schwach und empfindlich. Ein Gefühl das ihm nicht vertraut war. Dougal zitterte rechts neben ihm, während er unwillkürlich vor Schmerz, Anstrengung und Angst stöhnte. Diese Nacht würde keiner von ihnen vergessen. Calum lächelte plötzlich. Später konnte er seinen Enkeln von diesem Abenteuer erzählen. Von der Ungastlichkeit der Menschen und ihrer Welt. Vielleicht? Wenn es ihnen je gelang zurückzukehren? Eine kalte Hand schob sich in seine. Er streichelte Eithnes Finger sachte. War sie doch nicht so stark, wie sie immer tat?

Wütend trat Flanna auf das Gaspedal und fuhr zu schnell, dessen war sie sich bewußt. Eine falsche Bewegung und sie landete ein zweites Mal im Graben, diesmal auch ohne Reh. Ab und zu sah sie zornig in den Rückspiegel, doch von den Schotten war nichts mehr zu sehen. Wieso war sie so leichtgläubig? Und warum taten die Marktleute ihr das an? Nur weil sie glaubte Dougal zuvor einmal gesehen zu haben? Und weil er eine starke Anziehungskraft auf sie ausübte? Es war besser so wie es war.

Auch die lange Fahrt nach Hause hatte sie kaum abgekühlt. Sie war so sauer auf die, die sie auf diese niederträchtige Art täuschen. Andererseits konnte sie sich nicht vorstellen wer so etwas tun würde. Sie stellte den Wagen unter das Vordach, blieb eine Weile darin sitzen ohne ihn auszumachen. Sie starrte auf die Holzwand vor sich. Hatte sie das Richtige getan? Vermutlich sollte sie doch besser die Polizei anrufen? Sie schlug heftig die rechte Faust auf das Lenkrad. Mist! Sie stieg aus und atmete die kalte Winterluft ein. Ihre Einkaufstasche mit den CD’s stand links auf dem Boden vor dem Beifahrersitz. Sie beugte sich hinüber, griff danach und schnitt sich.

Der Dolch! Sie stellte die Tasche wieder ab und langte, diesmal vorsichtig nach dem scharfen Metall. Sie hatte ihn vollkommen vergessen. Eingehend betrachtete sie ihn in der schwachen Innenbeleuchtung des Wagens. Was sie sah, ließ sie zutiefst nachdenklich werden. Dieser Dolch war alles andere als gewöhnlich und er schien nicht aus dieser Zeit zu stammen. Er befand sich im Bestzustand, als wäre er neu, und doch war er altertümlich und sicherlich, so wie er hier in ihrer Hand lag, äußerst wertvoll. Hatten die vier ihn absichtlich liegen gelassen, um ihre Unsicherheit zu schüren? Das war unwahrscheinlich, ihre eigene Handlung war unmittelbar gewesen, äußerst unbedacht und dumm. Sie hätte sich verletzen können und niemand hätte ihr Verhalten voraussagen können. Sie hatte nicht die größte Ahnung von solchen Sachen, doch diesen Dolch schätzte sie auf über tausend Jahre alt. Solche Waffen gab es nicht mehr, und wenn, dann nicht in so einem hervorragenden Zustand. Sie mußte plötzlich lachen, als ihr der Ausschnitt aus dem Film Highlander einfiel, in dem seine Liebste seine altertümliche Waffensammlung zu sehen bekam, doch ihr Lachen erreichte nicht ihr Herz. Eine feine Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus. Und wenn es stimmte? Was wenn sie die Wahrheit gesagt hatten?

Noch verwirrter schnappte sie sich ihre Tasche, warf die Wagentür zu und ging hinüber zur Haustür. Innen legte sie alles ab, nahm den Dolch und ging zum Telefon. Ihre Hand langte zum Hörer, doch sie hob nicht ab. Dougal mußte doch geholfen werden, wer könnte sich besser darum kümmern als die Polizei? Und wenn sie nichts zu verbergen hatten, was konnte ihnen dann geschehen? Ihre Finger strichen sachte über die flache Seite der Klinge.

Sie hatten die Wahrheit gesagt! Mit einem Mal war sie davon überzeugt. Diese unglaubliche Geschichte stimmte. Sie packte den Dolch am Griff, nahm den Schlüssel auf und ging hinaus zum Auto. Sie mußte sie wiederfinden! Womöglich trug sie sonst die Schuld am Tod von Dougal.

Der Wind trieb den Schnee über die Straße. Spuren konnte sie nicht mehr entdecken, es war zuviel Zeit vergangen. Und sie hatte trotz allem Angst. Sie gab auf. Es war unmöglich jemanden zu finden, der nicht gefunden werden wollte. Nicht in dieser Nacht!

Die seltsamsten Empfindungen teilten ihr Herz. MacBochras und MacDougals Feinde? Wenn sie Recht hatte und die Geschichte stimmte, dann wären die vier ihre Feinde? Lächerlich. Schließlich waren es weit entfernte Vorfahren, die sich MacBochras nannten.

Keltenzauber

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